Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, persönlich das Wort zu ergreifen: „Gemeinsam wollen und können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch in den nächsten Jahren 300 Millionen Kinder geimpft werden können, um sie vor lebensbedrohlichen Krankheiten zu schützen“, sagte sie zu Beginn ihrer Rede bei der internationalen Geberkonferenz für Gavi, „wir wollen und wir können so für über 300 Millionen junge Menschen die Chance auf eine gesunde Entwicklung erhöhen.“ Die Bundesregierung sagte bei dieser Videokonferenz am 4. Juni zu, Deutschland werde Gavi in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 600 Millionen Euro unterstützen. Weitere 100 Millionen Euro sollen in die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie fließen. Insgesamt sammelte Gavi an diesem Tag 7,8 Milliarden Euro bei der internationalen Gemeinschaft ein – und damit deutlich mehr als im Vorfeld erwartet.
Jedes Leben hat den gleichen Wert
Aber was ist das für eine Institution, die von internationalen Geldgebern scheinbar mühelos derart große Summen bereitgestellt bekommt? Gavi wurde im Jahr 2000 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ins Leben gerufen und nannte sich damals noch „Global Alliance for Vaccines and Immunisation“ – heute trägt diese öffentlich-private Partnerschaft mit Sitz in Genf nur noch den Untertitel „The Vaccine Alliance“. Den Anstoß – und das Startkapital in Höhe von 750 Millionen US-Dollar – gab damals die Bill & Melinda Gates Foundation. „Alle Leben haben den gleichen Wert“, sagt Bill Gates. Und deshalb wollte und will er dafür sorgen, dass alle Kinder weltweit durch Impfungen geschützt werden können, „egal, wie reich oder arm sie sind.“ Dazu muss man wissen: Ende der 1990er Jahre klafften in den armen Ländern immer größere Impflücken – fast 30 Millionen Kinder in diesen Ländern waren nur unvollständig oder überhaupt nicht geimpft. Es gab zwar neue und innovative Impfstoffe, aber viele Länder konnten sie sich schlichtweg nicht leisten.
Nach eigenen Berechnungen hat Gavi bis Ende 2018 dafür gesorgt, dass 760 Millionen Kinder immunisiert und mehr als 13 Millionen Menschenleben gerettet werden konnten – unter anderem durch Impfungen gegen lebensbedrohliche Krankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten, Hepatitis B und Gelbfieber. Im Jahr 2010 begann Gavi damit, auch Pneumokokken- und Rotavirus-Impfungen zu ermöglichen – Pneumokokken und Rotaviren verursachen Lungenentzündungen bzw. Durchfallerkrankungen, die zu den häufigsten Todesursachen von Kindern in Entwicklungsländern gehören. Die jüngste Erfolgsmeldung stammt von Anfang Juni 2020: Gavi vereinbarte mit fünf großen Impfstoffherstellern, dass sie Impfstoffe gegen Gebärmutterhalskrebs bereitstellen, mit denen in den nächsten fünf Jahren mindestens 84 Millionen Mädchen in den ärmsten Ländern der Welt geimpft werden können.
Vorzugspreise für die Impfallianz
Gavi schreibt den Ländern nicht vor, welche Impfungen verabreicht werden, sondern überlässt die Entscheidung jedem Land selbst. Die Länder beantragen bei Gavi die Finanzierung, zu der sie selbst allerdings auch einen Teil beitragen müssen. Die vielleicht wichtigste Aufgabe von Gavi besteht darin, mit den Impfstoffherstellern über Preise und Liefermengen zu verhandeln. Und hier hat die Allianz mittlerweile eine so starke Stellung, dass sie wesentlich größere Preisnachlässe durchsetzt, als einzelne Länder dies könnten. Die komplette Immunisierung mit allen elf von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Impfstoffen kostet pro Kind 28 US-Dollar – in den USA werden ohne Vergünstigungen rund 1.100 Dollar fällig. Inzwischen erhält weltweit fast jedes zweite Kind seine Impfungen mit der Unterstützung durch Gavi.
Deutschland gehört seit 2006 zu den wichtigsten Gavi-Geberländern. Am großzügigsten zeigte sich bei der jüngsten Geberkonferenz Gastgeber Großbritannien mit einer Zusage von umgerechnet 370 Millionen Euro jährlich für die nächsten fünf Jahre. Auch Norwegen und die USA zählen zu den Top-Geberländern. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr unter anderem Bhutan, Burkina Faso, Griechenland und Uganda.
Zu den Partnern der Impfallianz zählen neben Regierungen auch NGOs, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, insbesondere aus der Pharmabranche. Daneben kommt vier großen globalen Organisationen eine besondere Rolle zu: Die WHO regelt die Vergabe von Impfstoffen und unterstützt die Länder bei der Einführung; UN-Kinderhilfswerk UNICEF beschafft die Impfstoffe und sorgt dafür, dass es regionale Kühlketten gibt; die Weltbank unterstützt innovative Finanzierungsmechanismen – 16 der von Gavi unterstützten Länder können ihre Impfprogramme inzwischen komplett selbst finanzieren; und die Bill & Melinda Gates Stiftung ist bis heute der größte private Geldgeber.
COVID-19-Impfstoff für alle
Bei der virtuellen Geberkonferenz im Juni erklärte Gavi-CEO Seth Berkley, man müsse sich nun auch darum kümmern „einen universellen Zugang zu COVID-19 Impfstoffen zu gewährleisten. Denn eines ist in den letzten Monaten nur allzu deutlich geworden: Diese Krankheit kennt keine Grenzen, sondern ist ein globales Problem, das eine globale Lösung erfordert.“ Mit Astra Zeneca hat Gavi bereits von einem ersten Impfstoffhersteller eine Zusage für 300 Millionen Dosen eines möglichen COVID-19 Impfstoffes erhalten. Gavi will auf jeden Fall dafür sorgen, dass auch ärmere Länder einen Zugang zu COVID-19-Impfstoffen erhalten.
Denn: „Impfungen sind ein universelles Menschenrecht“, so EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, die bei der Konferenz 300 Millionen Euro an EU-Geldern für Gavi zusagte. Die von insgesamt mehr als 50 Ländern und Einzelpersonen zur Verfügung gestellten Gelder machen es möglich, bis zum Jahr 2025 rund 300 Millionen Kinder in den ärmeren Ländern zu impfen.
Angela Merkel beendete ihre Rede bei der Geberkonferenz übrigens mit den Worten: „Gemeinsam können wir es schaffen, Infektionskrankheiten ihren Schrecken zu nehmen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und mit Gavi haben wir gleichsam einen hilfreichen Wegweiser.“