Die Vision vom „Ende“ der Coronakrise wird zunehmend mit „Endemie“ gleichgesetzt. Aber ist die Gefahr dann automatisch gebannt? Foto: ©iStock.com/Delpixart
Die Vision vom „Ende“ der Coronakrise wird zunehmend mit „Endemie“ gleichgesetzt. Aber ist die Gefahr dann automatisch gebannt? Foto: ©iStock.com/Delpixart

Drei Szenarien: COVID-19 und die kommenden zwei Jahre

Die Welt hat in den vergangenen 300 Jahren mindestens acht Grippe-Pandemien erlebt, davon allein vier in den vergangenen 100 Jahren: 1918-19, 1957, 1968 und 2009-10. Kann man aus diesen Erfahrungen etwas über den zukünftigen Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie lernen? US-amerikanische Wissenschaftler um Professor Michael T. Osterholm, Epidemiologe und Leiter des Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP) an der Universität Minnesota, haben aus der Rückschau drei mögliche Szenarien abgeleitet.

Im Dezember 2019 verdichteten sich die Nachrichten über ein in China grassierendes Virus – die allermeisten Menschen auf diesem Planeten dürften bis dahin von einer Stadt namens Wuhan noch nie gehört haben. Das ist heute anders: Die Metropole mit ihren allein im Bereich der Innenstadt lebenden acht Millionen Einwohnern wird für immer mit der bis heute größten globalen Gesundheitskrise der vergangenen einhundert Jahre in Verbindung bleiben.

Foto: ©iStock.com/Delpixart
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Tatsache ist: Selbst erfahrene Gesundheitsexperten haben damals das Ausmaß der Krise nicht vorhergesagt. Erst Mitte März erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Pandemie-Status. Die Welt war auf alles Mögliche vorbereitet, nur nicht auf das.

Prof. Osterholm und sein CIDRAP-Team haben basierend auf den Erfahrungen, die sich aus vergangenen Influenza-Pandemien ableiten lassen, drei mögliche Szenarien entwickelt, wie sich die SARS-CoV-2-Krise in den kommenden Monaten entwickeln könnte. Sie hoffen damit dem Verlauf der Krankheit zumindest ein Stück des Unvorhersehbaren zu nehmen. Veröffentlicht wurde das in „COVID-19: The CIDRAP Viewpoint“:

  • Szenario 1: Die erste Welle im Frühjahr 2020 geht in eine Serie wiederholter kleiner Infektionswellen über, die ein bis zwei Jahre andauern können. Es ist möglich, dass sie geografisch variieren. Wie schwer diese Wellen ausfallen, wird vom Ausmaß der Eindämmungsmaßnahmen abhängen. Deshalb könnte es nach der CIDRAP-Prognose zu einer Abfolge von Kontaktbeschränkungen und ihrer Lockerungen kommen.
  • Szenario 2: In diesem Ausblick sagen die Wissenschaftler eine zweite große Infektionswelle im Winter 2020 voraus, gefolgt von mehreren kleinen Ausbrüchen im kommenden Jahr. Das würde bedeuten, dass uns im Winter größere Kontaktbeschränkungen ins Haus stehen, um die Ausbreitung des Virus´ einzudämmen und damit eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu vermeiden. Dieses Muster erinnert sowohl an den Verlauf der so genannten Spanischen Grippe als auch der Pandemien von 1957 und von 2009-10.
  • Szenario 3: In diesem Szenario folgen der großen Infektionswelle des Frühjahrs 2020 viele kleinere Infektionsereignisse, die aber nicht so klar als Infektionswellen definiert sind, wie in Szenario 1. CIDRAP nennt es „slow burn“: Sie haben das bei vorhergegangenen Influenza-Pandemien nicht beobachtet, halten es aber im Fall der SARS-CoV-2-Pandemie für möglich. Die Ausbrüche müssten nicht unbedingt zu Kontaktbeschränkungsmaßnahmen führen, würden aber nicht nur Infektions-, sondern auch Todesfälle nach sich ziehen.
Vorbereitung auf Szenario 2: Mit Impfstoffen sollte nicht gerechnet werden. ©iStock.com/Yakobchuk
Vorbereitung auf Szenario 2: Mit Impfstoffen sollte nicht gerechnet werden. ©iStock.com/Yakobchuk

CIDRAP empfiehlt politischen Entscheidungsträgern, sich auf Szenario 2 vorzubereiten – und dabei weder mit einem Impfstoff noch mit Herdenimmunitätseffekten zu rechnen. Sie sollten Strategien entwickeln, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitssektors zu schützen und konkrete Pläne in den Schubladen haben, wann und wie sie im Verlauf der Infektionspeaks Maßnahmen zur Eindämmung des Virus´ ergreifen.

Welches Szenario auch immer eintritt: Osterholm und Kollegen betonen, dass die Welt darauf eingestellt sein sollte, dass uns das Virus, das Ende 2019 aus China kommend seinen weltweiten Siegeszug angetreten hat, noch 18 bis 24 Monate begleiten wird.

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