Die Bedeutung der medizinischen Biotechnologie in Deutschland wächst: Vor zehn Jahren waren noch 1,7-mal weniger biopharmazeutische Medikamente zugelassen als heute (188 in 2009 vs. 319 in 2019); die globale Forschungs- und Entwicklungspipeline der in der Bundesrepublik tätigen Unternehmen beinhaltete 1,4-mal weniger Projekte (468 vs. 640). Das geht aus dem „Biotech-Report“ der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) und dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen bio (vfa bio) hervor.
Zum Einsatz kommen Biopharmazeutika in vielen Indikationen – etwa auf dem Gebiet der Onkologie, der Immunologie und Stoffwechselerkrankungen. Aber was sind das eigentlich für Medikamente?
Kurz gesagt handelt es sich um Arzneimittel, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden. Die Firma Amgen erklärt auf ihrer Webseite: „Biopharmazeutika werden in lebenden Zellen produziert […]. Mithilfe gentechnischer Methoden wird diesen Zellen das Gen für das zu produzierende Protein eingesetzt. Sie stellen das gewünschte Protein in kontrollierter Umgebung in großen Stahltanks – den Bioreaktoren – her.“
Klingt kompliziert? Das ist es auch. Während die klassischen, chemisch-synthetischen Wirkstoffe in der Regel aus rund zwei Dutzend bis wenigen hundert Atomen bestehen, sind es bei biopharmazeutischen Substanzen viele hunderte bis tausende Atome. Hinzu kommt, dass Biopharmazeutika sehr empfindlich auf äußere Einflüsse reagieren – etwa „auf Schwankungen bei den Rohstoffen und den physikalischen Parametern wie Temperatur, pH-Wert und Druck.“ Ihre Herstellung erfordert daher nicht nur Spitzentechnologie, sondern auch eine enorme wissenschaftliche Expertise.
Vielzahl biopharmazeutischer Medikamente
Ein Blick auf die bis Ende 2019 insgesamt 319 für den deutschen Markt zugelassenen Biopharmazeutika (s. Grafik) verdeutlicht: Die Wirkstoffarten sind vielfältig.
Die Mehrheit sind demnach sogenannte monoklonale Antikörper (rund 27 %). Laut Amgen sind das „biotechnologisch hergestellte Moleküle, deren Zielstruktur für eine Erkrankung relevante Proteine sind.“ Das heißt: Sie können „hochwirksam und hochselektiv“ an bestimmte Proteine binden, die im Prozess einer Krankheit eine große Rolle spielen. Als Immunsuppressiva unterdrücken sie so zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma gezielt die überschießenden Abwehrreaktionen des Körpers. Und im Kampf gegen Krebs können sie wichtige Wachstumssignale in Tumorzellen hemmen.
66 der 319 Biopharmazeutika (ca. 21 %) sind Impfstoffe – darunter ist zum Beispiel eine Vakzine, die im vergangenen Jahr zur Prävention von Ebola zugelassen wurde. Insuline (ca. 12 %) sind Medikamente, die bei verschiedenen Formen von Diabetes angewendet werden – sie haben blutzuckersenkende Eigenschaften.
Biopharmazeutika: Interferone, Gentherapien u.v.m.
Monoklonale Antikörper, Impfstoffe und Insuline: Sie machen zusammen rund 60 Prozent der zugelassenen Biopharmazeutika aus. Hinzu kommen zahlreiche Vertreter anderer Wirkstoffarten. Beispielsweise Interferone: Das sind körpereigene Eiweißstoffe, die antiviral, antitumoral und immunmodulierend wirken. Dementsprechend kommen sie bei Infektionskrankheiten, Krebs oder Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose zum Einsatz. 2019 erhielt außerdem eine Gentherapie zur Behandlung einer vererbbaren, chronische Erkrankung des roten Blutfarbstoffs (ß-Thalassämie) die Zulassung.
Übrigens: Einige der zugelassenen Biopharmazeutika sind kostengünstige Nachahmerpräparate. „Mit Ablauf des Patentschutzes von Biopharmazeutika können Biosimilars auf den Markt kommen, die ähnlich (similar) zum Referenzprodukt sind und keine klinisch relevanten Unterschiede in Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zum Referenzprodukt aufweisen“, heißt es im „Biotech-Report“.