In Berlin fand die YES!CON statt  die erste digitale Krebs-Convention in Deutschland. In der ersten Gesprächsrunde ging es um die Frage: „Krebs nach Corona – was bringt die Digitale Revolution?“ Foto: ©obs/yeswecan GmbH & Co. KG/Yeswecan!cer/Yes!con
In Berlin fand die YES!CON statt die erste digitale Krebs-Convention in Deutschland. In der ersten Gesprächsrunde ging es um die Frage: „Krebs nach Corona – was bringt die Digitale Revolution?“ Foto: ©obs/yeswecan GmbH & Co. KG/Yeswecan!cer/Yes!con

Krebs nach Corona – kommt jetzt die Digitale Revolution?

„Ein Wochenende unter Mutmachern“ - so kündigte Schirmherr und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seinem Grußwort die „YES!CON“ an, die erste digitale Krebs-Convention in Berlin. Patienten, Mediziner, Wissenschaftler und Prominente setzten sich in zumeist einstündigen Talkrunden mit allen Facetten rund um das Thema „Krebs“ auseinander. Es ging um persönliche Erfahrungen, aber auch um Forschung und Digitalisierung, um personalisierte Medizin und moderne Krebsbehandlung. Den Anfang machte eine Runde zum Thema: „Wake Up Call? Krebs nach Corona – was bringt die Digitale Revolution?“

Den Einstieg in die „YES!CON“ lieferte der aus Wien zugeschaltete Zukunftsforscher Matthias Horx. Er zog Parallelen zwischen Krebs und Corona: „Beides ist ein großer Einbruch der empfundenen Wirklichkeit“, sagte er, „beides fordert uns heraus, uns neu zu erfinden.“ Es wäre nach Horxens Ansicht falsch, zu glauben, hinterher wäre alles wieder genauso wie vorher – das wäre weder bei einer Krebserkrankung noch bei Corona der Fall. Doch in jeder Krise stecke auch eine Chance, sie könne ein „Wachmacher“ sein und zu innerem und äußerem Wandel führen. Dabei müsse allerdings jeder Mensch bei sich selbst anfangen. „Jeder von uns kann sein Verhalten ändern“, so Horx, „nicht die Super-App rettet uns, sondern die Änderung des menschlichen Verhaltens.“ Wissenschaftlicher Fortschritt und technische Neuerungen können uns unterstützen, aber Medizin dürfe nicht rein mechanisch sein, sondern müsse „eine ganzheitlichere Form“ entwickeln.

Schirmherr & Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. 
Foto: Bundesgesundheitsministerium / Maximilian König
Schirmherr & Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Foto: Bundesgesundheitsministerium / Maximilian König

Gedanken dazu aus unterschiedlichen Perspektiven steuerten anschließend die „Vordenker*innen aus Politik und Medizin“ bei, die Moderatorin Julia Josten auf der Bühne begrüßte. Prof. Jochen Werner, Ärztlicher Direktor der Uniklinik in Essen, gab zunächst einen Überblick dazu, wie Corona die Situation der Krebspatienten beeinflusst: „Zu Beginn waren Krebspatienten benachteiligt“, räumte er ein, „aber im weiteren Verlauf waren wir immer besser aufgestellt und es wurde immer klarer, dass wir die Krebspatienten nicht vernachlässigen dürfen.“ Inzwischen sei in den meisten Kliniken wieder „einigermaßen Normalität“ eingekehrt, allerdings müssten Corona-Patienten in einer zweiten Welle möglichst „zentralisiert“ versorgt werden, also in ausgewählten spezialisierten Kliniken und nicht in allen Krankenhäusern. Die Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen betonte, dass Corona nicht nur bei vielen Menschen Gemeinschaftsgefühl und Solidarität gestärkt habe, sondern auch die Bereitschaft zu digitalen Veränderungen – virtuelle Sprechstunden und elektronische Rezepte seien heute viel selbstverständlicher als noch vor ein paar Monaten.

Auch Apps sind Medizin

Und dabei dürfte es nicht bleiben. „Viele haben noch gar nicht begriffen, was für ein Wachrütteln wir gerade erleben, was das für ein Paradigmenwechsel sein wird“, so der Arzt und Autor Markus Müschenich. In Zukunft würden Ärzte zunehmend Apps verschreiben, „die so gut wirken wie gute Medizin“ – bei Depressionen, Schmerzkrankheiten und vielen weiteren Indikationen gebe es solche Apps bereits, und sie würden bei Ärzten und Patienten immer beliebter. Das gilt auch für die digitale Rehaklinik „Caspar Health“, die Max Michels als CEO leitet. „Sie ist innerhalb von 2 Jahren fester Bestandteil der Nachsorge geworden“, so Michels, „seit dem Corona-Ausbruch haben sich unsere Nutzerzahlen auf inzwischen 60.000 Patienten verdreifacht.“ Die Online-Therapieplattform gibt zum Beispiel Physio- oder Ergotherapeuten die Möglichkeit, Übungen für ihre Patienten virtuell anzubieten.

Aber wird der digitale Fortschritt nicht zu einer zunehmenden Distanz zwischen Behandlern und Patienten führen? „Im Gegenteil, er trägt dazu bei, dass die Medizin menschlicher wird“, so Jochen Werner. Denn mit digitaler Unterstützung könnten Mediziner nicht nur bessere Diagnosen stellen, sondern hätten auch mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten. Allerdings sei es wichtig, auf die Datenqualität zu achten und die Patienten wirklich mitzunehmen. „Nächstes Jahr kommt die elektronische Patientenakte“, so Werner, „aber die meisten Menschen wissen gar nicht, worum es dabei geht  – wir müssen hier viel besser aufklären.“ Corinna Mühlhausen merkte dazu an: „Kein Volk hat so große Angst vor Datenmissbrauch wie wir Deutschen“ – deswegen sei Transparenz wichtig. Nach Ansicht von Markus Müschenich hat das auch damit zu tun, „dass Datenschutz von gesunden Menschen gemacht wird und Patienten dazu nicht gefragt werden.“ Ernsthaft erkrankte Menschen seien auf der Suche nach Heilung oft bereit, sehr viele Daten von sich preiszugeben.

Auch Senioren können lernen mit der Digitalisierung umzugehen. ©iStock.com/Pornpak Khunatorn
Auch Senioren können lernen mit der Digitalisierung umzugehen. ©iStock.com/Pornpak Khunatorn

Senioren im Digitalzeitalter

Und was ist mit den Senioren? Sind die nicht überfordert mit der Digitalisierung? „Das ist Quatsch“, findet Müschenich, „es ist doch viel schwieriger, eine Chemotherapie durchzustehen als mit einer Gesundheits-App auf dem Handy umzugehen.“ Wenn wir die Wahl hätten, uns von einem Arzt mit 30 Jahren Berufserfahrung diagnostizieren zu lassen oder von einer App, in die 3.000 Arztjahre programmiert wurden, dann würden sich wohl die meisten Menschen für die App entscheiden. „Ich wünsche mir, dass wir digital durchstarten, allerdings freiwillig“, so Müschenich, „ich habe auch keinen Brockhaus mehr Zuhause, weil Google das einfach besser macht.“

Prof. Jochen Werner hat seine Klinik in den letzten Jahren zu einem „Smart Hospital“ umgewandelt, in dem viele Abläufe digitalisiert wurden. Smart Hospital bedeutet aber zugleich, den Menschen immer im Blick zu behalten. „OP-Roboter erzielen tolle Ergebnisse, aber sie unterstützen die Ärzte und ersetzen sie nicht“ – das gleiche gelte für Pflege-Roboter, „die Tragevorgänge unterstützen, aber nicht dazu führen dürfen, dass man den Menschen nicht mehr spürt.“

Das Fazit der Gesprächsrunde: Die Zukunft der Medizin ist digital und menschlich zugleich.

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