Hauptstadtkongress 23: In Berlin leitete Talkshow-Moderatorin Bärbel Schäfer eine emotionsgeladene Diskussion zum Thema „Angst vor Krebs.“ Foto: Pharma Fakten
Hauptstadtkongress 23: In Berlin leitete Talkshow-Moderatorin Bärbel Schäfer eine emotionsgeladene Diskussion zum Thema „Angst vor Krebs.“ Foto: Pharma Fakten

Brustkrebs: „Angst sollte nicht unser Begleiter sein“

Über ein sehr emotionales Thema diskutierte Fernsehmoderatorin Bärbel Schäfer mit einem männlichen und vier weiblichen Talkgästen: Es ging um „eine Welt ohne Angst vor Krebs“ – genauer gesagt, ohne Angst vor Brustkrebs. Dabei zeigte sich: Die Angst vor dieser Erkrankung hat viele Facetten – sogar solche, die durchaus positiv sind.
v.l.n.r.: Prof Michael Golatta, Christine Claußen, Ulla Ohlms, Aline Hambüchen, Prof. Diana Lüftner, Bärbel Schäfer
v.l.n.r.: Prof Michael Golatta, Christine Claußen, Ulla Ohlms, Aline Hambüchen, Prof. Diana Lüftner, Bärbel Schäfer. Foto: Pharma Fakten

Die gute Nachricht brachte Ulla Ohlms, die als Sprecherin der Patient:innen auf dem Podium saß, mit den Worten auf den Punkt: „Ich habe in den letzten 20 Jahren Quantensprünge bei der Behandlung von Brustkrebs gesehen – die Antikörpertherapie war ein solcher Quantensprung.“ Auch dank der hervorragenden Arbeit in den zertifizierten Krebszentren gebe es immer weniger Gründe, bei einer Krebsdiagnose starr vor Angst zu werden. „Wir sind heute wirklich gut aufgestellt“, so Ohlms weiter, „und wir haben in der Behandlung, speziell von Brustkrebs, ganz viel erreicht.“

Trotzdem gibt es auch bei einer zumeist gut behandelbaren Erkrankung wie Brustkrebs noch immer Dinge, die Angst machen können: „Jährlich erkranken weltweit 18 Millionen Menschen an Brustkrebs“, erklärte Bärbel Schäfer. Alleine in Deutschland gibt es pro Jahr rund 71.000 Brustkrebsdiagnosen, rund 18.000 Menschen sterben daran. „Brustkrebs betrifft die meisten Frauen, direkt oder indirekt – jede von uns kennt jemanden“, so Schäfer. Die Heilungsquote liegt nach Aussage der Onkologin Prof. Diana Lüftner zwar bei 84 Prozent – dennoch berichtete auch sie in Zusammenhang mit der Erkrankung von einem Erlebnis, bei dem ihr angst und bange wurde.

Klare Kommunikation, einfache Sprache

Es ging dabei um die Einladung zur Mammographie, die Lüftner kürzlich ins Haus flatterte: „Das war ein trockener Behördenbrief. Er sah aus wie ein Brief vom Finanzamt mit der Aufforderung zur Nachzahlung.“ Beigelegt war eine Broschüre. Was drin stand, weiß sie nicht, denn: „Ich habe auf Seite 3 aufgehört, weiterzulesen.“ Lüftner appellierte daran, stets so klar und einfach wie möglich zu kommunizieren, bei Einladungen zur Vorsorge ebenso wie beim Erklären von Arztbriefen: „Weniger als zehn Prozent der Menschen verstehen diese Briefe und die Abkürzungen darin“, so Lüftner. Und weiter: „Wir müssen uns einlassen auf eine Patientin, die nicht hochgebildet ist – und dazu gehört eine einfache Sprache.“ Außerdem brauche es prominente Namen, die sich zum Thema „Krebsvorsorge“ äußern. Lüftner erinnerte an das „Angelina-Jolie-Phänomen“: Als sie ihre Krebserkrankung öffentlich machte, sei die Nachfrage nach Vorsorge-Untersuchungen sprunghaft gestiegen.

Klare Kommunikation, einfache Sprache
Aufklärung gegen Fehlinformationen zur Mammographie. Foto: ©iStock.com/peakSTOCK

Ulla Ohlms empfahl, dass grundsätzlich Patientenvertreter:innen mitwirken sollten, wenn es um Angebote wie die Einladung zum Brustkrebs-Screening geht. Sie sagt aber auch: „Es liegt nicht nur an der Bürokratie, wenn Frauen nicht an der Mammographie teilnehmen – sondern es gibt Mythen, die Angst erzeugen.“ So hätten viele Frauen die Befürchtung, dass die Mammographie schmerzhaft sei oder auch, „dass ein vielleicht vorhandener Tumor bei dieser Untersuchung platzen könnte und dann alles noch viel schlimmer wird.“ Solche Mythen seien „durch jahrelange Hetze bestimmter Leute gegen das Screening“ entstanden und es gelte nun, hier durch Aufklärung etwas dagegen zu setzen. Die Mammographie sei ein hervorragendes und wichtiges Instrument, denn: „Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind nun einmal die Heilungschancen.“ 

Christina Claußen, Senior Director Global Patient Advocacy bei Pfizer, kann die Diskussionen um die Mammographie nicht wirklich verstehen: „Ich habe Angst vor Krebs, aber doch nicht vor der Mammographie“, sagte sie und erklärte auch, weshalb das so ist: „Ich habe keine meiner beiden Omas kennengelernt, weil beide an Krebs gestorben sind.“ Für sie sei es deshalb selbstverständlich, Angebote zur Krebsvorsorge wahrzunehmen.

Weshalb zertifizierte Zentren so wichtig sind

Was die Behandlung angeht, so wartete Ulla Ohlms mit einem radikalen Vorschlag auf: „Ich wünsche mir, dass die Krankenkassen keine Behandlung in kleinen Krankenhäusern mehr bezahlen, sondern nur noch in zertifizierten Zentren – denn hier steht Quantität tatsächlich auch für Qualität.“ Je mehr Erfahrung Mediziner:innen mit einer bestimmten Krebsart hätten, desto besser seien in der Regel auch die Behandlungserfolge. Das sieht zwar auch Diana Lüftner so, dennoch gab sie zu Bedenken: „Gehen Sie mal nach Brandenburg. Dort ist die Behandlung in einem solchen Zentrum mit sehr langen Fahrtstrecken verbunden – aber auch die Patient:innen in abgelegenen Regionen müssen versorgt werden.“

Prof. Michael Golatta hat in Heidelberg ein zertifiziertes Brustzentrum gegründet. Er findet, dass auch eine weite Anfahrt sich lohnt, zumal in den Zentren nur die Akutbehandlung erfolgt, nicht aber die Nachsorge. „Das ist ein Nachteil des Erfolges der Zentren“, so Golatta, „ich muss oft erklären, dass wir bei Problemen da sind – aber dass die Nachsorge gut durch andere Ärzte erfolgen kann.“ Zum Thema „Angst“ steuerte Golatta eine ganz neue Sichtweise bei: „Angst ist auch ein Schutzfaktor.“ Menschen ohne Angst würden keine Krebsvorsorge wahrnehmen. „Natürlich darf das nicht in Panik übergehen“, so Golatta weiter, „und womöglich sollten wir auch nicht von Angst sprechen – Sorge ist vielleicht der bessere Begriff.“ Es heiße ja schließlich auch „Krebs-Vor-Sorge.“

KI wird bahnbrechend sein

KI wird bahnbrechend sein
Mehr Möglichkeiten durch KI? Foto: ©iStock.com/metamorworks

Ganz und gar keine Angst bereitet Golatta das Thema „Künstliche Intelligenz“, kurz KI. „Das ist bahnbrechend – und da wird in nächster Zeit noch viel kommen.“ Bislang gehöre KI noch nicht zur klinischen Routine, sondern werde vor allem in Studien erprobt.  Aber schon heute gebe es zum Beispiel Möglichkeiten, mit Hilfe von KI die Mammographie-Ergebnisse besser zu beurteilen. Aline Hambüchen, bei Siemens Healthineers zuständig für „Women`s Health“, verwies darauf, dass es bereits „KI-basierte Lösungen gebe, etwa KI-unterstützte Bildinterpretationen.“

Zusammenfassend war sich die Runde darin einig, dass kein Mensch Angst davor haben sollte, Präventions- und Vorsorgeangebote zu nutzen. „Wir alle können etwas tun“, so Diana Lüftner, „wir können in die Handlungsfähigkeit gehen – das reduziert automatisch Angst.“ Christina Claußen formulierte es so: „Das Leben ist schön – und Angst sollte nicht unser Begleiter sein.“

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