PCSK9-Hemmer bringen neuen Durchbruch im Kampf gegen Cholesterin

Infarkte und Schlaganfälle schon in jungen Jahren – das droht Patienten mit angeborener Hypercholesterinämie. Fälle von extrem erhöhtem Cholesterinspiegel sind mit den verfügbaren Medikamenten nur schwer in den Griff zu bekommen. Aufwändige Blutwäschen sind für mehr als 1.000 Patienten die einzige Option. Neue Antikörper, sogenannte PCSK9-Hemmer, könnten das ändern. Ärzte und Hersteller sprechen von einer Durchbruchsinnovation.

Bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (FH) fallen die Rezeptoren für LDL-Cholesterin (low density Lipoprotein) nahezu komplett aus. Das Blut wird mit dem potenziell schädlichen Cholesterin förmlich geflutet. 1.000 mg/dl – fast das zehnfache des Grenzwertes für LDL-Cholesterin ist die Folge. Cholesterinsenker können hier nichts mehr ausrichten, ohne eine regelmäßige Blutwäsche, die Lipidapherese, würden diese Patienten binnen weniger Jahre sterben.

Für sie könnte eine neue Wirkstoffklasse den entscheidenden Durchbruch bringen. Im Mittelpunkt steht das am Fettstoffwechsel beteiligte Enzym PCSK9. Die neuen Wirkstoffe enthalten Antikörper, die an dem Enzym andocken und dessen Bindung an die LDL-Rezeptoren verhindern. Dadurch bleiben die Rezeptoren frei, um vermehrt LDL-Cholesterin abzubauen. „Die Entdeckung von PCSK9 im Jahr 2003 war ein entscheidender Fortschritt für die Erforschung des LDL-Cholesterin-Stoffwechsels“, sagt Prof. Dieter Paar, Direktor Medizin & Scientific Affairs bei Sanofi. Der PCSK9-Hemmer Alirocumab des Unternehmens ist in den USA bereits zugelassen, die EU-Zulassung wird für Ende September erwartet.

PCSK9-Hemmer machen „ordentliche Behandlung“ möglich

Bereits in Deutschland zugelassen – aber noch nicht auf dem Markt – ist seit Juli 2015 Evolocumab, der erste PCSK9-Hemmer für die Behandlung der FH. Die Zulassungsstudie des Herstellers Amgen zeigte nach zwölf Wochen eine signifikante Reduktion des LDL-Cholesterins im Blut um 60-70 Prozent. „Für Hochrisikopatienten sehen wir eine enorme Erleichterung im Krankheitsalltag und Therapiemanagement“, sagt Dr. Stefan Kropff, Executive Medical Director Amgen Deutschland. Als dritter PCSK9-Hemmer wird Bococizumab aktuell von Pfizer in der Phase II getestet.

Die Ärzte warten ungeduldig auf die neuen Therapieoptionen. Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Ärztliche Leiterin der Lipidambulanz und Lipidapherese an der Charité in Berlin, bezeichnet die neuen Medikamente als echte Durchbruchsinnovation: „PCSK9-Hemmer sind für diese schwer betroffenen Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie eine tolle Möglichkeit jetzt endlich ordentlich behandelt werden zu können.“ Auch Iris Löhlein, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen (Lipid-Liga) hält das neue Wirkprinzip für vielversprechend. „Die Frage wird jetzt sein, wer diese neuen Wirkstoffe verschreiben darf und wie viele Patienten die erhalten werden.“

Mehr als 1.000 Patienten mit extremen Cholesterinspiegeln

Familiäre Hypercholesterinämie ist eine der häufigsten erblichen Stoffwechselstörungen. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist hoch, Schätzungen schwanken zwischen 160.000 und 400.000 Patienten in Deutschland. Experten gehen davon aus, dass in Deutschland nur 15 Prozent der Fälle diagnostiziert sind. Die überwiegende Zahl der Betroffenen leidet an der weniger gefährlichen heterozygoten FH. Ihr LDL-Cholesterinwert liegt zwischen 270 und 550 mg/dl. Ihnen kann die gängige Statin-Therapie in der Regel gut helfen, den Grenzwert von 160 mg/dl zu erreichen, der für Menschen ohne Risikofaktoren wie Diabetes, Adipositas oder Rauchen gilt.

Eine Unverträglichkeit von Statinen kann die Situation auch für diese Patienten allerdings ebenso schwierig wie für Menschen mit extrem hohen Cholesterinwerten machen. „Für weitaus über 1.000 Patienten gelten kritische Cholesterinwerte, die nicht ausreichend mit Statinen therapierbar sind“, sagt Prof. Gerald Klose, Internist und ehemaliger Ärztlicher Leiter des Klinikums Links der Weser in Bremen. Für sie wären die PCSK9-Antikörper die erste medikamentöse Therapie.

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