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Schwierige Forschung nach einem Wirkstoff

Die Forschung nach einem Ebola-Heilmittel steht gerade erst am Anfang – obwohl der erste Ausbruch von 1976 datiert. Warum die Suche nach einem Wirkstoff so schwierig ist, erklärt Prof. Dr. Thomas Pietschmann vom Twincore-Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover.

Frage: Das Ebola-Virus ist seit fast 40 Jahren bekannt. Ist die Kritik an einer bisher nicht ausreichenden Forschungsleistung berechtigt?

Prof. Dr. Thomas Pietschmann: Alle Ausbrüche vor 2014 waren sehr begrenzt. Im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten wurden dabei wenige Menschen infiziert. Das erklärt, warum nicht intensiver nach einem Wirkstoff geforscht wurde. Weil der Erreger überdies sehr gefährlich ist, lässt er sich nicht einfach erforschen. Dafür müssten zunächst hohe Sicherheitsstandards gewährleistet werden.

Wie schwerwiegend ist der Ebola-Ausbruch im Vergleich zu anderen Epidemien?

Pietschmann: Für diejenigen, die es betrifft, ist es sehr dramatisch. Die Letalität ist mit 50 bis 70 Prozent besonders hoch. Doch die Zahl der Infizierten liegt etwa bei Malaria weitaus höher und übersteigt deutlich, was wir zurzeit in Westafrika beobachten. Doch die Brisanz dieses Erregers und seine Ausbreitung stellen eine Ausnahmegefährdung dar.

Wie lässt sich die Ausbreitung stoppen? Nigeria gilt zum Beispiel als Ebola-frei.

Pietschmann: Ein Schlüsselpunkt, so glaube ich, ist die Infrastruktur. Maßnahmen gegen eine Epidemie greifen besser, wenn diese intakt ist. Der Krankheitsherd muss schnell identifiziert und lokalisiert werden, damit er möglichst schnell isoliert wird. In vielen afrikanischen Ländern ist das sicherlich schwieriger als hierzulande. Das stellt uns wohl noch länger vor eine Herausforderung.

Warum ist es diesmal dramatischer? Gibt es Maßnahmen, um eine Ausbreitung besser einzudämmen?

Pietschmann: Die Größenordnung des aktuellen Ebola-Ausbruchs übersteigt das Ausmaß aller bisherigen Epidemien deutlich. Warum dies so ist, ist bisher unklar und bedarf einer sorgfältigen epidemiologischen und virologischen Aufklärung. Generell lässt sich sagen, dass umfassende Mobilität Alltag geworden ist und dies die Ausbreitung von Erregern fördert und schnell dazu führen kann, dass sie nicht auf eine Region beschränkt bleiben. Langfristig gesehen benötigen wir neue Strukturen. Künftig könnten Früherkennungsmechanismen hilfreich sein. Die Entwicklung von Influenza-Viren beispielsweise wird bereits überwacht. Somit lassen sich rechtzeitig geeignete Impfstoffe produzieren.

Wie schnell lässt sich ein Impfstoff gegen ein Virus wie Ebola finden?

Pietschmann: Je nach Erreger kann das ein schwieriges Unterfangen sein. Trotz starker und jahrelanger Bemühungen ist es etwa beim HI-Virus noch nicht gelungen einen wirksamen Impfstoff zu finden. Je nach Erreger-Spezifikation ist das mal leichter, mal schwerer. Es kommt auch darauf an, wie intensiv gesucht wird. Die akademischen und industriellen Anstrengungen müssten auf jeden Fall intensiviert werden.

Welche Rolle spielen hierbei Pharmaunternehmen?

Pietschmann: Bisher haben sie sich bei der Ebola-Forschung zurückgehalten, was verständlich ist. Das liegt daran, dass Markteinschätzungen in die Überlegungen, nach einem Wirkstoff oder Impfstoff zu forschen, einfließen. In der Regel dauert es zehn bis 15 Jahre, bis eine Arznei auf den Markt gebracht werden kann. Wenn nach diesem Zeitraum nicht ausreichende Chancen gesehen werden, einen Absatzmarkt für ein neues und kostspieliges Produkt vorzufinden, lassen es die Firmen. Ansonsten könnten sie nicht überleben.

Bei der Behandlung von Ebola-Patienten werden experimentelle Wirkstoffe verwendet. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

Pietschmann: Wenn es darum geht, Menschen in einer lebensbedrohlichen Lage mit einer Substanz wie ZMapp zu behandeln, dann befürworte ich dies. Der Einsatz muss mit Patienten und Arzt abgestimmt werden und sollte wissenschaftlich begleitet werden. So kann der Einsatz experimenteller Wirkstoffe später in die evidenzbasierte medizinische Forschung einfließen.

Unterscheidet sich das jetzige Ebola-Virus von seinen Vorgängern?

Pietschmann: Darüber habe ich aktuell keine Erkenntnisse. Doch eine intensive Aufarbeitung der aktuellen Epidemie halte ich für dringend nötig. Es sollte untersucht werden, ob sich die Form von anderen Ebola-Viren unterscheidet. Lässt sich dies etwa ausschließen, kann man bei der Forschung gezielter vorgehen. Außerdem sollte man untersuchen, ob es einen virologischen Grund dafür gibt, der die Ausbreitung möglicherweise begünstigt hat.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der jetzigen Epidemie?

Pietschmann: Es ist sicher zu früh für eine abschließende Bewertung. Doch schon jetzt ist erkennbar, dass wir nicht optimal vorbereitet sind, um auf bedrohliche neue Erreger zu reagieren. Wir müssen daran arbeiten, bessere Strukturen aufzubauen, um schnell und flexibel reagieren zu können. Letztlich kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, welcher Erreger als nächstes eine Epidemie auslösen wird. Deswegen ist es im Vorfeld sicher schwierig – bis unmöglich – mit geeigneten Wirkstoffen bzw. Impfstoffen bereit zu stehen. Allerdings kann man bereits viel erreichen, wenn klassische Verfahren zur Seuchenkontrolle (Hygienemaßnahmen, Isolierung der Patienten, Identifizierung von Kontaktpersonen sowie deren Isolierung) zügig und effektiv aufgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass wir aus den Erfahrungen der derzeitigen Ebola-Epidemie lernen, um in Zukunft noch wirkungsvoller die Ausbreitung von neuen Epidemien verhindern zu können.

Was erwarten Sie zukünftig?

Pietschmann: Die aktuelle Ebola-Epidemie ist ein klares Warnsignal. Davor wurde bereits bei anderen Virusinfektionen sichtbar, wie angreifbar wir durch die globale Vernetzung geworden sind. Mit einer Früherkennung und Präventionsmaßnahmen, die global greifen, ließe sich langfristig ein deutlich besserer Schutz erreichen.

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