Europäischer Depressionstag (1.10.): 50 Millionen Menschen in Europa leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter einer Depression. Foto: CC0 (Stencil)
Europäischer Depressionstag (1.10.): 50 Millionen Menschen in Europa leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter einer Depression. Foto: CC0 (Stencil)

Hunderttausende in Deutschland nicht adäquat behandelt

Weltweit sind etwa 125 Millionen Menschen von Psoriasis, auch bekannt als Schuppenflechte, betroffen. Hierzulande sind es etwa zwei Millionen. In den vergangenen Jahren hat sich in der Behandlung einiges getan: Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Form können heutzutage weitgehend beschwerdefrei werden. Doch oftmals haben die Erkrankten eine lange Odyssee hinter sich. Und: Viele Betroffenen leiden unnötig – unter anderem, weil sie nicht adäquat behandelt werden.

Bei der Psoriasis handelt es sich um „eine chronische, nichtübertragbare, schmerzhafte, entstellende und zur Behinderung führende Erkrankung“, wie die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Globalen Bericht zur Schuppenflechte“ schreibt. Die Ursachen der Entstehung sind noch nicht vollständig bekannt. Allerdings spielt wohl das Immunsystem eine entscheidende Rolle: Es richtet sich gegen gesunde Hautzellen – wodurch diese sich entzünden und übermäßig vermehren. Das Ergebnis sind gerötete, schuppende und entzündete Hautstellen sowie Juckreiz.

Darunter leiden die Betroffenen jeden Alters enorm. Neben dem Befall der Haut und der Nägel treten bei Psoriasis-Patienten vermehrt Begleiterkrankungen wie Arthritis (Psoriasis-Arthritis), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder auch Depressionen auf. Durch die geröteten Hautregionen werden die Patienten häufig vom sozialen Leben ausgeschlossen und stigmatisiert. „Jeder, der bei einem anderen eine Hautveränderung sieht, denkt doch: Der hat was Ansteckendes“, erklärt Psoriasis-Experte Prof. Dr. Kristian Reich den Hintergrund. 

So habe es bis vor wenigen Jahren in Deutschland ein Gesetz gegeben, „was es Patienten mit Schuppenflechte nicht möglich gemacht hat, in ein öffentliches Schwimmbad zu gehen. Zumindest konnten sie aus diesem verwiesen werden. Stellen Sie sich den jungen Vater mit Schuppenflechte vor, […] der mit seinen beiden Jungs […] ins Schwimmbad geht und der Bademeister sagt: ,Raus hier!´“

Wunsch: schnelle Verbesserung der Haut

So wundert es nicht, dass sich laut des WHO-Berichts über 94 Prozent von rund 4.500 in Deutschland Befragten wünschen, durch eine Therapie in erster Linie eine schnelle Verbesserung der Haut zu erfahren; rund 71 Prozent wollen es wieder mehr mögen, sich öffentlich zu zeigen.

Die gute Nachricht ist: Mit modernen Therapien können Patienten nahezu beschwerdefrei werden – auch wenn Schuppenflechte (noch) nicht heilbar ist. Es gibt hauptsächlich drei unterschiedliche Behandlungsformen: Bei einer leichten Form der Psoriasis reicht in der Regel eine äußerliche angewendete Therapie (Salben u.ä. für die Haut) aus. Wenn nicht, kann eine Lichttherapie (UV-Therapien) hinzugezogen werden. Bei mittelschweren bis schweren Erkrankungsformen wird mit einer systemischen (innerlich angewendeten) Therapie behandelt (s. Grafik).

Wachsende Anzahl an Therapieoptionen

Hier stehen u.a. konventionelle Systemtherapeutika zur Verfügung: Zu ihnen zählen z.B. althergebrachte Wirkstoffe wie Methotrexat (MTX) und Fumarsäureester, die eine immunmodulierende Wirkung haben. Sie wirken also auf das Immunsystem ein und sollen so u.a. dessen Entzündungsreaktion hemmen bzw. unterdrücken. Es sind regelmäßige Kontrollen der Blutwerte erforderlich.

In den letzten Jahren kamen weitere Medikamente hinzu; beispielsweise ein sogenannter „PDE-4-Hemmer“: Er hemmt ein bestimmtes Enzym – „Phosphodiesterase-4“ –, was zu einer Reduzierung der Entzündung führen kann. Das Immunsystem soll damit nicht unterdrückt, sondern vielmehr wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden. Regelmäßige Kontrollen der Blutwerte sind nicht notwendig. Außerdem kommen heutzutage sogenannte Biologika, gentechnisch hergestellte Proteine oder Antikörper, bei der Therapie der Schuppenflechte zum Einsatz. Sie hemmen gezielt bestimmte Botenstoffe, die im Entzündungsprozess der Psoriasis eine große Rolle spielen.

Ziel: Beschwerdefreiheit?

„Wir haben noch vor fünf Jahren die Zielsetzung gehabt, eine messbare Verbesserung an der Haut um 50 Prozent zu bewirken“, erzählt Prof. Dr. Matthias Augustin, Facharzt für Dermatologie und Venerologie. „Im Laufe der Jahre hat man durch Einsatz neuer Medikamente gemerkt, dass mehr möglich ist und hat dann das Ziel auf eine 75-prozentige Verbesserung erhöht. Heute gibt es mehr Medikamente, mit denen wir eine 90-prozentige Verbesserung oder mehr erreichen können, also eine nahezu oder auch völlig beschwerdefreie Haut.“ Zu verdanken ist das einer intensiven Forschung, einem immer größer werdenden Wissen über die Krankheitsmechanismen der Psoriasis und einer wachsenden Zahl an Therapieoptionen.

Damit die Patienten von diesem Fortschritt profitieren können, muss er sie aber auch erreichen. Dem ist oft nicht so: „Wir gehen heute davon aus, dass ca. 600.000 Menschen mit Schuppenflechte aus verschiedenen Gründen derzeit in Deutschland nicht die Behandlung bekommen, die sie benötigen“, so Augustin. Das liege zum einen an (Haus-)Ärzten, die die modernen Behandlungsmöglichkeiten nicht kennen und über die aktuellen, medizinischen Leitlinien zur Psoriasis-Therapie nicht Bescheid wissen. Sie „orientieren sich in ihrer Behandlung vielfach noch an dem, was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben. Sie haben somit den enormen medizinischen Fortschritt […] nicht mitbekommen.“

Zum anderen würden aber auch nur ein Drittel der Dermatologen (Hautärzte) in Deutschland bei mittelschweren und schweren Erkrankungsformen gemäß der aktuellen medizinischen Leitlinien systemische Therapien wie z.B. Biologika verordnen. Patienten mit Schuppenflechte haben daher oft einen jahrelangen Leidensweg hinter sich, ehe sie adäquat behandelt werden. Und das, obwohl wirksame Therapieoptionen zur Verfügung stehen.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: