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Zuckerkrankheit muss weiter erforscht werden

Diabetologe Prof. Dr. Andreas Fritsche vom Universitätsklinikum Tübingen zeigt sich angesichts steigender Diabetes-Patientenzahlen besorgt. Der Mediziner fordert ein noch größeres Engagement in der Forschung nach individuellen Therapien. Bei der aktuellen AMNOG-Praxis hält er Änderungen für dringend notwendig.

Bietet Deutschland gute Voraussetzungen für die Diabetes-Forschung?

Prof. Dr. Andreas Fritsche: Internationale Gutachten sagen, dass Deutschland privilegiert ist, denn hier werden die Forschungsausgaben im Gegensatz zu anderen Ländern nicht gekürzt. Es wurde sogar ein neues Deutsches Zentrum für Diabetesforschung gegründet. Trotzdem bin ich nicht völlig zufrieden: Diabetes muss künftig deutlicher wahrgenommen werden als bisher.

Wie steht die Diabetesforschung momentan dar?

Fritsche: Bei immerhin 6 Millionen Diabetes-Erkrankten ist die Krankheit ein nicht zu unterschätzendes Gesundheitsproblem. Doch im Vergleich zu einer Epidemie wie Ebola und Krebserkrankungen wird es verharmlost. Es heißt dann: „Nebenbei gibt’s noch ein paar Dicke, die zu viel Zucker haben.“ Diabetes nimmt immer weiter zu, aber die Menschen können mittlerweile besser und länger mit dieser Krankheit leben. Durch die guten Behandlungsmöglichkeiten kommt es mittlerweile zu wesentlich weniger zu schlimmen Folgeerkrankungen sowie Herzinfarkten, Blindheit oder Amputationen. Die Etablierung von Gesundheitszentren hat einen großen Teil dazu beigetragen.

Wobei müssten die Bemühungen noch verstärkt werden?

Fritsche: Wir müssen eine frühzeitige Prävention sicherstellen und Folgeerkrankungen, insbesondere Gefäßerkrankungen, weiter verhindern und Therapien effektiver machen. Zurzeit heißt es noch oft „trial and error“, nach dem Motto „wenn eine Tablette nicht wirkt, probiere ich es halt mit der nächsten“. Wir müssen individuelle Therapien entwickeln, um zu wissen, welches Medikament für welchen Patienten geeignet ist. Jeder Patient sollte von Anfang an die für seine Diabetesform wirksame Therapie bekommen. Insgesamt gibt es hier noch einen enorm hohen Forschungsbedarf.

Die beiden Diabetes-Arzneien Vildagliptin und Lyxumia wurden in Deutschland vom Markt genommen, weil ihnen im AMNOG-Verfahren kein Zusatznuten bescheinigt wurde. Wie beurteilen Sie das?

Fritsche: Das ist aus meiner Sicht eine unerfreuliche Sache. Für eine notwendige Preiskontrolle neuer Medikamente habe ich durchaus Verständnis, doch das jetzige AMNOG-Verfahren ist noch nicht zufriedenstellend und sollte angepasst werden. Klar ist: Wir brauchen ein solches Instrument, aber es muss verbessert werden. Vorgeschobene wissenschaftliche Argumente über den Nutzen sollten bei den Preisverhandlungen nicht im Vordergrund stehen. Denn der Nutzen und die Wirkung wurden schließlich in der Zulassung schon bestätigt. Durch das Fehlen dieser Medikamente gerät der deutsche Patient zwar nicht in eine gefährliche Lage, dennoch sind genau diese Arzneien für bestimmte Patienten-Untergruppen sehr hilfreich.

Was sind die Folgen für Patienten, die mit dem Medikament therapiert wurden?

Fritsche: Bei den stationären Diabetes-Therapien bei oft multimorbiden oder bisher therapieresistenten Patienten in unserer Universtitätsklinik in Tübingen klären wir bei notwendiger Therapieumstellung die Patienten genau über die Wirkungen und Nebenwirkungen auf. Dies ist notwendig, damit die Patienten eine informierte Entscheidung treffen können und auch therapiecompliant bleiben. Zusätzlich müssen wir nun darüber aufklären, dass die künftige Verfügbarkeit eines Medikaments fraglich ist, oder dass es eventuell nur noch als Kombipräparat zu erhalten ist. Insgesamt entsteht eine große Unsicherheit, die nicht zur Therapietreue beiträgt. Dazu kommt: Jede Medikamentenumstellung stellt eine Schwierigkeit dar. Daraus kann auch eine lebensbedrohliche Hypoglykämie oder eine Hyperglykämie entstehen. Das ist unsere größte Sorge.

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