Brustkrebs bei Männern – eine zwar seltene  aber unter Umständen lebensbedrohliche Diagnose. In dieser Situation kommt es darauf an  möglichst schnell das Richtige zu tun. Foto: © iStock.com/Schulz Christian
Brustkrebs bei Männern – eine zwar seltene aber unter Umständen lebensbedrohliche Diagnose. In dieser Situation kommt es darauf an möglichst schnell das Richtige zu tun. Foto: © iStock.com/Schulz Christian

Diagnose Brustkrebs – es kann auch Männer treffen

Brustkrebs bei Männern. Gibt es diese Krankheit überhaupt? Allerdings: Peter Jurmeister hat es am eigenen Leibe erlebt.
Peter Jurmeister © Netzwerk Männer mit Brustkrebs e.V.
Peter Jurmeister © Netzwerk Männer mit Brustkrebs e.V.

Peter Jurmeister macht in der Adventszeit 2008 nach dem Duschen eine beunruhigende Entdeckung. Er hat es sich gerade im Bademantel vor dem Fernseher gemütlich gemacht, streicht sich gedankenverloren über die Brust und erschrickt: „Da ist doch etwas, was da nicht hingehört.“ Ein Knoten, klein und hart. Als Jurmeister ihn abtastet, lässt er sich nicht verschieben.

Es mag makaber klingen, aber Jurmeisters Glück in diesem Moment besteht darin, dass er zwei Jahre zuvor bereits an Schilddrüsenkrebs erkrankt war. Dadurch reagiert er sensibler als andere Männer, von denen die meisten einen Knoten in der Brust wohl nicht weiter beachten würden. Aber Peter Jurmeister geht schon am nächsten Tag zum Hautarzt, der ihm bestätigt, „dass es da eine Veränderung gibt.“ Es dauert danach noch eine Weile, bis sich herausstellt: Jurmeister hat Brustkrebs. Er ist damit einer von rund 700 Männern in Deutschland, die jedes Jahr an dieser Krebsart erkranken. Damit zählt Brustkrebs bei Männern zu den seltenen Krebserkrankungen – und genau das macht ihn so gefährlich.

Während die Überlebensrate bei Frauen nach fünf Jahren bei 88 Prozent liegt, sind es bei Männern nur 73 Prozent. Und das, obwohl Männer die Krebsknoten deutlich früher ertasten können als Frauen. „Aber man rechnet nicht damit“, sagt Peter Jurmeister. Erst später erfährt er, auf welche Symptome er hätte achten müssen: Neben dem harten, schmerzlosen Knoten nahe der Brustwarze können das auch Veränderungen der Brustwarze selbst sein – etwa Einziehungen oder Ausfluss, aber auch Schorf oder dauerhafte Entzündungen. Allerdings können diese Symptome auch ganz andere, in der Regel harmlose Ursachen haben.

Als Mann mit Brustkrebs zur Frauenärztin

Peter Jurmeisters Hautarzt kann die Veränderungen nicht einordnen und schickt ihn deshalb zur Gynäkologin im Haus gegenüber. „Er hat dort angerufen und ich konnte gleich rübergehen“, erzählt er, „das ging auch deshalb so problemlos, weil ich Privatpatient bin. Für männliche Kassenpatienten ist es oft schwierig, sich in einer Frauenarzt-Praxis behandeln zu lassen – Männer sind dort nicht vorgesehen und ihre Behandlung kann oft nicht abgerechnet werden.“ Das ändere sich erst ganz allmählich. Es könne aber manchmal helfen, wenn der Arzt direkt bei der Krankenkasse anruft und erklärt, dass er einen Mann mit Verdacht auf Brustkrebs in der Praxis hat.

„Das sieht gefährlich aus“, sagt Jurmeisters Gynäkologin, nachdem sie den Knoten begutachtet hat. Sie schickt ihn weiter zu einem Brustzentrum, von denen es in Deutschland rund 280 gibt. Diese zertifizierten Zentren finden sich an Universitätskliniken, großen Krankenhäusern oder in so genannten Onkologischen Spitzenzentren. „Man sollte immer versuchen, in ein Brustzentrum zu kommen“, sagt Peter Jurmeister rückblickend – allerdings ist dazu nicht selten eine Überweisung vom Gynäkologen notwendig. Jurmeister lässt in einem Karlsruher Brustzentrum eine Biopsie vornehmen. Eine Woche später erhält er einen Anruf: „Das ist nicht gutartig.“

Weshalb Brustkrebs bei Männern auftritt, darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Das Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung liegt bei 70 Jahren, es kann aber auch deutlich jüngere Männer treffen – Peter Jurmeister etwa ist bei der Diagnose gerade mal 58 Jahre alt. Als möglicher Risikofaktor gilt ein erhöhter Östrogenspiegel, den auch Männer haben können, etwa wenn sie in der Kindheit bestimmte Hodenerkrankungen durchgemacht haben. Ein erhöhtes Risiko besteht außerdem für Männer, in deren Familien erblicher Brustkrebs vorkam und für Männer mit Klinefelter Syndrom, also mit einem oder mehreren zusätzlichen X-Chromosomen.

Mit Brustkrebs in Frauenklinik: ein sonderbares Gefühl

Peter Jurmeister muss operiert werden. In einer Frauenklinik. „Das war schon ein sonderbares Gefühl“, erinnert er sich, „ich fühlte mich gehemmt und bin abends nicht mehr raus auf den Flur. Zum Glück hatte ich ein Einzelzimmer.“ Die Operation verläuft gut und Peter Jurmeister erholt sich ganz allmählich. Er ist heute, mehr als zehn Jahre nach der Diagnose, auch deswegen noch am Leben, weil er schnell und gut medizinisch versorgt wurde.

Die Behandlung bei männlichen Brustkrebs-Patienten unterscheidet sich nicht von der Behandlung weiblicher Karzinome. „Die gängigen Therapie-Optionen werden auch bei Männern angewandt“, weiß Jurmeister, „mit einer Ausnahme: Männer werden nicht mit Aromatasehemmern behandelt. Bei ihnen kann die notwendige Senkung des Östrogenspiegels nur erreicht werden, wenn gleichzeitig die Funktion der Hoden medikamentös ausgeschaltet wird.“ Kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die sich unter anderem mit dieser Problematik beschäftigt und diese Erkenntnisse bestätigt: die Male-Studie. Nicht untersucht wurde allerdings, ob die erreichte vollständige Östrogenunterdrückung bei Männern den gleichen Behandlungserfolg hat wie bei Frauen. Peter Jurmeister: „Hierfür wären deutlich mehr Probanden erforderlich, die bei einer so seltenen Erkrankung auf nationaler Ebene nicht zu rekrutieren sind. Da es also unklar bleibt, ob die Behandlung wirksam ist, wird diese mit starken Nebenwirkungen verbundene Therapie in Leitlinien nicht empfohlen.“

Weitere aktuelle klinische Studien zu dieser Erkrankung beim Mann gibt es in Deutschland nicht. In einer Registerstudie „Mammakarzinom des Mannes“ werden lediglich Daten zu der Erkrankung gesammelt, um nachträglich die derzeit angewandten Behandlungen zu beurteilen. Eine andere kürzlich veröffentlichte Studie, die N-MALE-Studie, beschreibt die psychosoziale Situation der betroffenen Männer. Hoffnung auf weitergehende medizinische Erkenntnisse über diese wenig erforschte Erkrankung gibt eine internationale Studie der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer). Denn nur länderübergreifend ist es möglich, genügend Patienten für aussagekräftige Studien zu gewinnen.

Jurmeister kennt sich mit der Studienlage auch deswegen so gut aus, weil er vor zehn Jahren eine Selbsthilfe-Gruppe für Männer mit Brustkrebs gegründet hat, aus der 2014 ein gemeinnütziger Verein wurde: Das „Netzwerk Männer mit Brustkrebs e.V.“ Dort können sich Männer rund um das Thema „Brustkrebs“ informieren und auch Kontakte zu anderen Betroffenen knüpfen. Zweimal im Jahr veranstaltet das Netzwerk ein Patiententreffen – das nächste findet Ende März in Bonn-Bad Godesberg statt.

Neben der Unterstützung für andere Betroffene verfolgt Peter Jurmeister mit seiner Initiative vor allem das Ziel, das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, dass auch Männer an Brustkrebs erkranken können. Vielleicht ist es dann eines Tages selbstverständlich, dass sich auch ein Mann in einer gynäkologischen Praxis untersuchen lassen kann.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: