In Deutschland erkranken 1 von 3 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Gürtelrose. Es gibt eine hochwirksame Impfung, doch die wird kaum in Anspruch genommen. Foto: ©iStock.com/wildpixel
In Deutschland erkranken 1 von 3 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Gürtelrose. Es gibt eine hochwirksame Impfung, doch die wird kaum in Anspruch genommen. Foto: ©iStock.com/wildpixel

Gürtelrose braucht kein Mensch (zu bekommen)

In Deutschland erkranken 1 von 3 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Gürtelrose (Herpes zoster). Die Erkrankung wird durch die Reaktivierung des Windpocken-Virus ausgelöst, das wir fast alle in uns tragen. Herpes zoster kann mit schlimmsten Schmerzen einhergehen. Es gibt eine hochwirksame Impfung, doch die wird kaum in Anspruch genommen. Dabei ist sie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen und wird deshalb von den Krankenkassen erstattet.
Dr. Silvia Maurer, Fachärztin für Anästhesie und niedergelassene Schmerz- und Palliativmedizinerin und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin
Dr. Silvia Maurer, Fachärztin für Anästhesie. Foto: privat

Frau Dr. Silvia Maurer braucht man nicht lange zu zuhören, um zu erkennen: Eine Gürtelrose braucht kein Mensch. Sie weiß, wovon sie spricht; Dr. Maurer ist Fachärztin für Anästhesie und niedergelassene Schmerz- und Palliativmedizinerin und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS): Die Schmerzen anderer Menschen zu behandeln ist ihr tägliches Geschäft. Auf einer Schmerzskala von 1 bis 10 (10 = schlimmste Schmerzen) geben rund 2 Drittel der Herpes zoster-Patient:innen einen Wert von 7 oder mehr an, sagt sie. Das Gute ist: Es gibt Impfstoffe. Die rekombinante, adjuvantierte Zoster-Vakzine erreicht eine Schutzwirkung von rund 97 Prozent; laut einer gerade erst veröffentlichten Studie in China bei Erwachsenen, die 50 Jahre und älter sind, sogar 100 Prozent. Die Gleichung, die sich daraus ergibt: 2 x impfen = keine Gürtelrose. Das heißt: Wenn sich alle impfen lassen würden, wäre die Geschichte hier zu Ende. 

Ist sie aber nicht: Nur 11,5 Prozent der Erwachsenen haben sich einmal und lediglich 7,7 Prozent das 2. Mal impfen lassen, was erst die volle Schutzwirkung bietet. „Damit haben sich die Impfquoten im Vergleich zum Vorjahr etwas mehr als verdoppelt“, schreibt das Robert Koch-Institut in seinem Epidemiologischen Bulletin 49/2022, „liegen aber weiterhin auf niedrigem Niveau.“ Frau Dr. Maurer kommentiert auf der Veranstaltung des forschenden Pharmaunternehmens GlaxoSmithKline „Grund zur (Vor-)Sorge: Herpes zoster nicht nur eine Frage der Therapie“: „Bei der Herpes zoster-Prävention ist noch deutlich Luft nach oben“.

Es gibt viele Gründe, eine Gürtelrose verhindern zu wollen:

  • Sie tritt in aller Regel als ein halbseitiger, gürtelähnlicher, schmerzender Hautausschlag auf; meist im Bereich des Rumpfes, aber auch im Gesicht. Neben starken Schmerzen können in seltenen Fällen auch Seh- und Hörverlust die Folge sein.
  • Gürtelrose ist nicht so selten, wie viele glauben. Es trifft jeden 3. Menschen in Deutschland irgendwann im Laufe seines Lebens, rund 400.000 Fälle werden im Jahr registriert.
  • Die Zahlen steigen, denn eine Gürtelrose tritt mit steigendem Alter öfter auf. Schuld daran ist die so genannte Immunseneszenz – die im Laufe der Jahre abnehmende Leistung unseres Immunsystems. Deshalb sind Impfstoffe in diesem Lebensabschnitt so wichtig – sie helfen der körpereigenen Abwehr auf die Sprünge.
  • Eine Komplikation ist die Post-Zoster-Neuralgie, die bei bis zu 30 Prozent der Menschen auftreten kann. Die PZN äußert sich in starken, langanhaltenden Nervenschmerzen.

Gürtelrose: Schmerzhaft, langwierig, Komplikationen nach sich ziehend

Dr. Kyrill Makoski, Fachanwalt für Medizinrecht bei der Kanzlei Möller & Partner
Dr. Kyrill Makoski, Fachanwalt für Medizinrecht. Foto: privat

Kurz: „Gürtelrose ist eine schmerzhafte Erkrankung, die schwerwiegende und langfristige Komplikationen nach sich ziehen kann“, sagt Silvia Maurer. Die starken Schmerzen beeinträchtigen ganz erheblich die Lebensqualität der Betroffenen, rund die Hälfte gab in einer Umfrage an, nur schlecht schlafen zu können. Auch Depressionen sind eine häufige Folge. Beeinträchtigung in Arbeit und Freizeit sind die Regel.

Seit einigen Jahren schon gibt es eine Impfempfehlung der STIKO für Menschen, ab einem Alter von 60 Jahren mit dem adjuvantierten Herpeszoster-Impfstoff. Das sind 2 Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten. Für Menschen mit angegriffenem Immunsystem oder bestimmten Grunderkrankungen (z.B. Asthma, COPD, Diabetes) gilt das auch schon ab 50 Jahre. Die Entscheidung, auch Menschen zu impfen, die jünger sind,  liege aber letztlich bei den behandelnden Ärzt:innen, erklärte Dr. Kyrill Makoski, Fachanwalt für Medizinrecht bei der Kanzlei Möller & Partner: „Eine Impfempfehlung ist nicht abschließend. Eine STIKO-Empfehlung heißt noch längst nicht, dass nicht der einzelne Arzt sagen kann: Bei diesem konkreten Patienten ist eine Impfung sinnvoll.“ Etwa, weil gewisse Risikofaktoren vorliegen. Das RKI schreibt dazu: „Es liegt in der ärztlichen Verantwortung, mit PatientInnen die individuelle (gesundheitliche) Situation einzuschätzen und auf diese weiteren Schutzmöglichkeiten hinzuweisen. Insofern ist eine fehlende STIKO-Empfehlung kein Hindernis für eine begründete Impfung.“ (Epid. Bull 4/2023).

 „Was die Ärztinnen und Ärzte wissen müssen“, so Jurist Makoski: „Impfungen nach STIKO-Empfehlung sind ein ´Muss`, Impfungen nach Empfehlung der Fachgesellschaft ein ´Soll`, sonstige verfügbare Impfungen im Rahmen der jeweiligen Zulassung ein ´Kann` und alle Impfungen nach Aufklärung und Einwilligung des Patienten ein ´Darf`.“

Fazit: Eine Gürtelrose braucht kein Mensch zu bekommen. Der Impfstoff-Forschung ist es gelungen, ein hochwirksames Vakzin zu entwickeln. Nun muss es nur noch verabreicht werden. 

Weiterführende Links:

Faktenblatt RKI https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/Zoster.html

Weitere News

Keine STIKO-Empfehlung für MenB-Impfstoffe: Vor allem einkommensschwache Familien haben keinen Zugang, um sich vor dieser gefährlichen Krankheit zu schützen. Foto: ©iStock.com/FotoDuets

Hürden hoch, Impfquoten niedrig: Die Meningokokken-Impfung für Babys

Die SARS-CoV-2 Pandemie hatte erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Aber auch im Nachgang dieser globalen Gesundheitskrise zeigen sich erhebliche bakterielle und infektiologische Gefährdungen der Jüngeren, auch weil die Impfraten – von Covid-19 abgesehen – zurückgegangen sind. Hinzu kommen Hürden, die das Impfen nicht gerade erleichtern. Das erschwert insbesondere einkommensschwachen Familien den Zugang, was sich bei der Impfung gegen Meningokokken-Infektionen zeigt.

Weiterlesen »
1955 wurde das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) entdeckt – seitdem ist die Wissenschaft auf der Suche nach Möglichkeiten, um dem Erreger Schritt für Schritt besser Einhalt gebieten zu können. Foto: ©iStock.com/Snezhana Kudryavtseva

RS-Virus: Wenn jahrzehntelange Forschung Früchte trägt

1955 wurde es bei Schimpansen mit Atemwegssymptomen entdeckt, kurze Zeit später auch beim Menschen: das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Seitdem sind Wissenschaftler:innen damit beschäftigt, Schritt für Schritt einen Werkzeugkasten aufzubauen – gefüllt mit Instrumenten, mit denen sie dem Erreger so gut wie möglich Einhalt gebieten können. Denn inzwischen ist RSV ein Problem für Menschen und Gesundheitssysteme weltweit. Die Forschung läuft auf Hochtouren – und liefert Ergebnisse.

Weiterlesen »
Die Universitätsprofessorin Heidrun Thaiss und der Kinderarzt Dr. Thomas Fischbach erläuterten bei einer Veranstaltung in Berlin, weshalb Prävention so wichtig ist und wie sie umgesetzt werden könnte. Foto: iStock.com/Maridav.

Mehr und bessere Prävention: Weshalb die Zeit drängt

„Gesundheitsförderung und Prävention: Wie gelingt der Paradigmenwechsel?“ Dieser Frage gingen in Berlin Prof. Dr. Heidrun Thaiss und Dr. Thomas Fischbach nach – beide gehören zu den Gründungsmitgliedern des „Nationalen Aktionsbündnisses Impfen“, das jüngst seine Arbeit aufgenommen hat. Neben den Impfungen gibt es noch viele weitere Präventionsmaßnahmen, die nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus Kostengründen dringend umgesetzt werden müssten.

Weiterlesen »

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: