Die internationale HIV-Krise in Zahlen

Bis zum Jahr 2030 die HIV-Epidemie eindämmen – das war schon immer ein ehrgeiziges Ziel. Doch mit den massiven Kürzungen der USA, die bisher für über 70 Prozent der internationalen Hilfen standen, scheint das nun nicht mehr möglich. Expert:innen haben verschiedene Szenarien berechnet. Im Worst Case kommen sie auf zusätzlich fast elf Millionen Neuinfektionen bis 2030 – und fast drei Millionen zusätzlichen Toten weltweit.

„Das sind nicht nur Zahlen – es sind Mütter, Kinder, Jugendliche und Familien. Sie verdienen Besseres. Helfen Sie uns, sie zu schützen“ – mit diesen Worten reagierte die Elton John Aids Foundation auf die im Fachblatt The Lancet HIV veröffentlichten Zahlen einer Modellrechnung. Die Stiftung des Popstars fordert zu Spenden auf, um wenigstens ein Teil der Versorgungskrise vor Ort auffangen zu können.

Auf Basis von Daten aus 26 Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen zu HIV-Inzidenz und -Sterblichkeit hat das Team um Debra Ten Brink vom Burnet Institute in Melbourne, Australien, vier verschiedene Szenarien modelliert, deren Basis unterschiedlich starke finanzielle Einschnitte sind. Verglichen mit dem Status quo errechneten sie für die Jahre 2025 bis 2030 zwischen 4,43 Millionen und 10,75 Millionen zusätzliche Neuinfektionen und zwischen 0,77 Millionen und 2,93 Millionen HIV-bezogene zusätzliche Todesfälle. Besonders Kinder würden betroffen sein.

Internationale HIV-Hilfen: Nicht nur die USA kürzen

Internationale HIV-Hilfen: Nicht nur die USA kürzen
Internationale HIV-Hilfen: Der Fall ist tief. Foto: ©iStock.com/Natali_Mis

Fünf Länder machen mehr als 90 Prozent der internationalen Hilfen aus. Die USA stemmten davon bisher mehr als 70 Prozent; Deutschland war im Jahr 2023 mit 2,9 Prozent der Hilfen dabei. Allerdings haben laut den Autor:innen der Studie alle fünf Länder Kürzungen ihrer Hilfen angekündigt, die sich zwischen acht Prozent und 70 Prozent bewegen. Auch ohne die auf massive Disruption spezialisierte Trump-Regierung stand die Finanzierung von HIV-Programmen vor großen Herausforderungen. Doch nun ist der Fall besonders tief.

Denn die größten Auswirkungen auf die Menschen in ärmeren Ländern dürften die Entscheidungen der US-Regierung zu PEPFAR haben, dem „The United States President’s Emergency Plan for AIDS Relief“. 2003 durch Georg W. Bush gegründet, gilt es als das größte gesundheitliche Hilfsprogramm eines einzelnen Landes in der Geschichte der öffentlichen Gesundheit: Mehr als 100 Milliarden US-Dollar investiert, mehr als 25 Millionen Menschenleben gerettet, ungezählte Millionen an Neuinfektionen verhindert – PEPFAR ist ein Programm der Superlative. Allein 342.000 Menschen in Gesundheitsberufen in rund 50 Ländern verdanken ihren Job diesem US-Programm. Mit der bisher noch vorläufigen Suspendierung des Programms – es werden momentan nur „kritische HIV-Dienste“ aufrechterhalten – ist die Lücke: gigantisch. Sie „birgt das Potenzial, die globale HIV-Bekämpfung grundlegend zu beeinträchtigen, sollte sie dauerhaft fortgesetzt werden“, schreiben die Autor:innen im Lancet-Magazin. Besonders betroffen ist HIV-Gesundheitspersonal – wodurch „HIV-Prävention, Tests und Behandlungsbemühungen“ behindert werden, „selbst dort, wo die nationalen Budgets die entsprechenden Mittel bereitstellen.“

HIV: Den Fortschritt 25 Jahre zurückdrehen

HIV: Den Fortschritt 25 Jahre zurückdrehen
HIV: Jahrzehnte des Fortschritts stehen auf dem Spiel. Foto: ©iStock.com/dusanpetkovic

Damit stehen Jahrzehnte des Fortschritts in der Bekämpfung von HIV auf dem Spiel, in denen es gelungen ist, Jahr für Jahr die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle – vor allem in Afrika südlich der Sahara – zu senken. Sollte PEPFAR wirklich ersatzlos gestrichen werden, „könnten möglicherweise fast alle seit dem Jahr 2000 erzielten Fortschritte zunichte gemacht werden“, heißt es in der Studie. Doch selbst eine Wiederaufnahme erst nach 12 Monaten oder 24 Monaten würde das Erreichte erheblich gefährden und „es könnten zusätzliche Investitionen von bis zu 20 bis 30 Jahren erforderlich sein, um AIDS als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu beenden.“

Weiterführender Link:
Debra ten Brink et al.: Impact of an international HIV funding crisis on HIV infections and mortality in low-income and middle-income countries: a modelling study, The Lancet HIV, 2025

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