Eine erste Gentherapie gegen Hämophilie A auf dem deutschen Markt: Das war 2022 ein Meilenstein in der Behandlung von Menschen mit einer schweren Form dieser Blutgerinnungsstörung. Auch kamen weitere CAR-T-Zelltherapien gegen verschiedene Blutkrebsarten im vergangenen Jahr in die Versorgung – sie geben den Patient:innen neue Hoffnungen. Allein 6 neue Präparate zur Prävention und Therapie von COVID-19 haben forschende Pharmaunternehmen neu eingeführt. Es sind nur wenige Beispiele von vielen, die deutlich machen: Der medizinische Fortschritt ist groß, die Behandlung von Krankheiten wird Jahr für Jahr, Tag für Tag, Schritt für Schritt besser und besser und besser.
GKV-Arzneimittelausgaben: „unauffällig entwickelt“
Und trotzdem: Anders als gerne von Krankenkassen propagiert, sind Arzneimittel-Innovationen nicht die Treiber einer ausufernden Ausgabenentwicklung im Gesundheitssystem. In der Zeit von 2006 bis 2022 stiegen die GKV-Arzneimittelausgaben pro Jahr sogar „tendenziell weniger stark an“ als die gesamten GKV-Ausgaben, schreiben Cassel und Ulrich in den „AMNOG-Daten“. Und in der kürzeren Periode von 2011 bis 2022 sind sie „im Trend jährlich mit einer Rate von 4,9 % gestiegen und damit weitgehend parallel zu den Gesamtausgaben, die jahresdurchschnittlich mit 4,7 % zulegten“. Sie ergänzen, „dass die Arzneimittelausgaben derzeit inflationsbereinigt, also real, sinken“ (s. Pharma Fakten).
Der Anteil aller Arzneimittel (inkl. Mehrwertsteuer und Distribution) an den gesamten Ausgaben der GKV betrug 2022 16,9 Prozent – dieser Wert ist auf demselben Niveau wie vor über 50 Jahren: 1969 lag er bei 16,6 Prozent (s. BPI-Pharma-Daten 2022). Die obige Grafik zeigt für die vergangenen 17 Jahre „einen stationären Verlauf mit nur geringfügigen Abweichungen vom Trendwert, der einschließlich der beiden Corona-Ausnahmejahre 17,1 % beträgt“, so Cassel und Ulrich.
Wenn pharmazeutische Innovationen der Grund sind, warum die GKV insgesamt in finanzielle Schieflage gerät, müsste doch der Arzneimittel-Anteil immer größer werden? Dass dem nicht so ist, hat mehrere Gründe. In den „AMNOG-Daten“ (s. S. 116 ff.) legen die beiden Gesundheitsökonomen das konkret dar – und wenden sich dabei auch kritisch den Argumentationslinien von Krankenkassen zu. Um es nur grob zusammenzufassen: Den Preisen neuer Medikamente stehen wirksame Marktmechanismen gegenüber, welche die Arzneimittelausgaben insgesamt stabilisieren – sie haben sich „zwischen 2006 und 2022 unauffällig entwickelt“.
Weiterführende Links:
AMNOG-Daten 2023: Bewährte Preisregulierung vor riskantem Umbruch (BPI)
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