Jeweils kaum 200 Gramm schwer, aber dennoch sind sie Leistungsträger unter unseren Organen: Nieren filtern das Blut und sorgen dafür, dass wir Gifte und andere Abbauprodukte über das Urin ausscheiden. Sie balancieren unseren Wasserhaushalt und haben Einfluss auf unseren Blutdruck. Sie spielen eine entscheidende Rolle für unseren Stoffwechsel. Es geht uns nicht gut, wenn es den Nieren nicht gut geht.
Nierenerkrankung: Krankheitslast und Kosten werden steigen
In Deutschland gilt das für ungefähr 9 Millionen Menschen, wahrscheinlich sind es mehr. Genau weiß das niemand, denn Diagnosen finden so gut wie nicht statt, die Dunkelziffer ist entsprechend hoch. Die Prävalenz wird auf 12,7 Prozent geschätzt, davon haben aber nur 1,9 Prozent der Bevölkerung eine Diagnose und können entsprechend behandelt werden. Laut InsideCKD, einer unter der Federführung von Professorin Dr. Miriam Bannas, Uni Regensburg, durchgeführten und vom forschenden Unternehmen AstraZeneca unterstützten Studie, wird die Krankheitslast in den kommenden Jahren steigen.
Chronische Nierenkrankheit: Schwere medizinische Komplikationen
Das ist keine gute Nachricht – weder für die Betroffenen noch für das Gesundheitssystem. Die Erkrankung bringt den Körper durcheinander; die Liste der Komplikationen ist lang. Eine eingeschränkte Nierenfunktion kann…
- zu einer Ansammlung von Abfallstoffen im Blut führen,
- den Blutdruck ansteigen lassen,
- eine Anämie verursachen,
- zu Flüssigkeitsansammlungen etwa in den Beinen oder Füßen führen,
- die Knochengesundheit (Osteoporose) angreifen.
Chronische Nierenerkrankung: 2 einfache Tests reichen aus
Vor allem aber leben Menschen mit einer Nierenkrankheit mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Herz-Kreislauf-Probleme. Schlimmstenfalls versagen die Nieren – dann sind Blutwäschen (Dialyse) oder Transplantationen die letzte Möglichkeit.
Bei der Diagnose hilft das Labor; eine klare Aussage über den Zustand unserer Nieren erhalten wir mithilfe von 2 einfachen Tests: Bei der eGFR wird das Blut auf Serumkreatinin untersucht und damit die Leistungsfähigkeit (Filtrationsrate) der Nieren bestimmt. Beim UACR geht es um das Albumin im Urin, ein Eiweiß. Nur die beiden Tests zusammen erlauben eine klare Aussage, doch der UACR-Test wird so gut wie gar nicht durchgeführt. „Das ist tragisch“, sagt Dr. Michael Seewald, Medizinischer Direktor beim forschenden Pharmaunternehmen AstraZeneca im Pharma Fakten-Interview. „Der Urintest auf das Eiweiß Albumin ist ein viel empfindlicheres Maß für eine Nierenschädigung als die eGFR; er ermöglicht daher eine Diagnose zu einem Zeitpunkt, wo uns die eGFR noch normale Werte liefern kann.“ Das bedeutet: Viele von den wenigen, die auf Nierenprobleme untersucht werden, fallen durch eine falsche Teststrategie durch das Raster. Das verhindert eine frühe Behandlung.
Dabei sind die Risikogruppen klar definiert. Das CKD-Risiko steigt mit dem Blutdruck. Menschen mit Übergewicht oder Diabetes, auch Raucher gehören dazu. „Wir haben ein relativ klares Bild davon, was ein Risikopatient, eine Risikopatientin ist“, sagt Seewald. Diabetes ist die Hauptursache der CKD.
Was das für Folgen hat? Das wurde in der InsideCKD-Studie untersucht. Dort wurde modelliert, was geschehen könnte, wenn mehr Menschen über ihre Erkrankung Bescheid wüssten und nach dem neuesten Stand der Medizin behandelt würden. InsideCKD hat unter anderem auf der Grundlage anonymisierter, digitaler Daten die klinische und wirtschaftliche Belastung der CKD bis zum Jahr 2027 prognostiziert. Demnach…
- wird die Krankheitshäufigkeit auf 13,1 Prozent der Bevölkerung oder rund 11 Millionen Menschen ansteigen,
- bleibt die Diagnoserate in der Gesamtbevölkerung niedrig (2,1 Prozent),
- werden Nierenersatz-Therapien wie Dialyse und Transplantation um 4,1 Prozent zunehmen,
- könnten die jährlichen Gesundheitskosten von 8,95 Milliarden auf 10,01 Milliarden Euro ansteigen.
2027 werden der Simulation zufolge rund 5,4 Prozent der CKD-Patient:innen eine Nierenersatztherapie erhalten. Auf sie werden dann mehr als die Hälfte der Gesundheitskosten der Krankheit entfallen – das sind 5,23 Milliarden Euro im Jahr.
Im nächsten Schritt wurde auf Grundlage weiterer Daten simuliert, was passieren kann, wenn die Menschen früh getestet und schnell behandelt werden. 100.000 virtuelle Patient:innen bekamen über 3 Jahre einen SGLT-2-Hemmer – das sind Medikamente, die eigentlich als Antidiabetikum entwickelt wurden. Noch einmal Dr. Seewald: „Mittlerweile konnten sie in Studien zeigen, dass sie darüber hinaus kardioprotektiv wirken, also Herz und Nieren schützen.“
Neue Medikamente: Blutwäsche 13 Jahre hinauszögern
Die Simulation zeigt, dass sich so genannte kardio-renale Ereignisse (z. B. Dialysen, Krankenhausaufenthalte aufgrund von Herzinsuffizienz) deutlich reduzieren lassen – und damit auch die Kosten. „Eine frühe Behandlung mit SGLT-2-Hemmern kann die Patient:innen lange vor der Dialyse bewahren“, fasst Michael Seewald die Ergebnisse zusammen. „Damit kann es gelingen, den Zeitpunkt bis zur Blutwäsche um bis zu 13 Jahre hinaus zu zögern.“
13 Jahre keine Dialyse – dieser lebensrettende Eingriff bedeutet für die Menschen eine enorme Belastung in ihrer Lebensqualität, weil sie mehrmals die Woche für mehrere Stunden zur Blutwäsche gehen, auf extreme Ernährungsvorgaben achten müssen oder jahrelang auf eine Nierentransplantation warten. Es ist diese Phase, die die CKD zu „einer der teuersten chronischen Erkrankungen“ (O-Ton Dr. Seewald) überhaupt macht. Menschen in einem mittleren CKD-Stadium (Stadium 3a) kosten das Gesundheitssystem 4.315 Euro im Jahr. Bei dialysepflichtigen Betroffenen sind es 71.262 EUR – oder 17-mal mehr.
Das Problem ist: Die Krankheit hat so richtig niemand auf dem Schirm, politischer Rückenwind ist Fehlanzeige. Gezielt in Prävention, Früherkennung und zielgerichtete Behandlung der CKD zu investieren, dürfte mittelfristig das Gesundheits- und Sozialsystem deutlich entlasten – vom gesundheitlichen Nutzen der Menschen einmal ganz abgesehen. Wer ein Gesundheitssystem nachhaltig gestalten will, wird bei der CKD schnell fündig.
Weiterführende Links:
German Chronic Kidney Disease (GCKD): Nationale Kohortenstudie zur chronischen Nierenerkrankung.
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