Mit dem AMNOG, so heißt es auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums, wird der Weg freigemacht für eine stärkere Orientierung am Wohl des Patienten. Daran gibt es nach über 150 Verfahren zumindest Zweifel. Denn bricht man die Zahl der Verfahren auf die betroffenen Patienten herunter, zeigt sich: Therapien, die fast 80 Prozent der Patienten betreffen, wurde attestiert, dass „kein Zusatznutzen“ nachweisbar sei. Bedeutet das nicht, dass das AMNOG wirkungsvoll die berüchtigten Scheininnovationen entlarvt? Nicht, wenn man eine andere Zahl betrachtet: 90 Prozent der Verfahren ohne Zusatznutzen wurden rein aus formalen Gründen so eingeordnet; die Wirkstoffe sind gar nicht erst geprüft worden, weil man sich nicht auf die Kriterien einigen konnte. Das deutet darauf hin, dass die Beteiligten auch im sechsten Jahr noch immer mit Gewalt aneinander vorbeireden, wenn es darum geht, wie man den Nutzen eines neuen Arzneimittels für die Patienten feststellt. Die babylonische Sprachverwirrung war nichts dagegen.
Überraschend ist dabei: Die Debatte über die auch langfristigen Auswirkungen des AMNOG findet ohne die statt, um die es eigentlich geht – die Patienten. Dabei berichten Ärzte und Patientenorganisationen immer wieder, dass ihre Erfahrungen mit neuen Therapien konträr zur AMNOG-Bewertung stehen. Nur ganz selten schwappt die Diskussion in die breiten Medien: Bei der Behandlung von Epilepsie etwa, für die nicht zum ersten Mal ein Arzneimittel vom deutschen Markt genommen wurde. Ansonsten gilt: Es bleibt eine Diskussion von Experten.
Aus dieser Experten-Ecke aber muss das AMNOG dringend heraus. Denn die hoch spezialisierte Diskussion darüber, wie man ein Arzneimittel richtig bewertet, ist nur ein Teil der Geschichte. Das AMNOG – dafür mehren sich die Zeichen – verändert den Zugang zu neuen Arzneimitteln in Deutschland. Dabei ist die Frage angebracht, ob die Krankenkassen, die die Medikamente bezahlen, maßgeblich mitbestimmen sollten, was als Zusatznutzen zu bewerten ist und wie viel das kosten darf. Und diese Frage muss in der Öffentlichkeit diskutiert werden, denn sie geht uns alle an.
Florian Martius