Alle 15 Minuten verliert ein Mensch eine Extremität. „Diese Zahl ist, auch im internationalen Vergleich, viel zu hoch“, sagte Prof. Dr. Ralf Lobmann, Vorsitzender der DDG-Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß, bei der Pressekonferenz am Dienstag. Nach Auffassung der DDG würden Amputationen im Gegensatz zu längeren und somit kostspieligeren Behandlungen zum Erhalt des Fußes auskömmlich finanziert.
Ebenfalls kritisch sieht DDG-Präsident Prof. Baptist Gallwitz die Ausgestaltung des AMNOG. Zwar räumte er ein, dass er das Gesetz für ein wichtiges Steuerungselement des Arzneimittelmarktes halte. Doch es führe ebenso zu Behinderungen bei Neuentwicklungen.
Entwicklung von Medikamenten für chronische Krankheiten wenig lukrativ
Prof. Gallwitz stellte dar, wie weniger lukrativ es sei, neue Arzneimittel für chronische Krankheiten zu entwickeln. In diesem Bereich gibt es bereits zahlreiche generische Präparate. Diese Generika werden in der Nutzenbewertung bei der Zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) herangezogen. Harte Therapieendpunkte sind in diesem Verfahren kaum nachweisbar. Sie können sich erst nach Jahren der Therapie ergeben. „Gerade für die Entwicklung von neuen Therapien bei Diabetes oder Hypertonie ist das ein kritischer Punkt“, erklärte der DDG-Präsident.
Kritik an der Gestaltung der Zweckmäßigen Vergleichstherapie
Als weiteres Hemmnis für die Entwicklung von Arzneimitteln betrachtet Prof. Gallwitz die Gestaltung der ZVT. Dadurch würden zusätzliche Studien aufgelegt, „die jedoch wenig wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn bringen und auch keine neuen wissenschaftlichen Hypothesen generieren lassen“, erklärte der Mediziner. Daher solle es eine intensivere Abstimmung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit den Zulassungsbehörden und den Pharmaunternehmen geben. Dadurch könne das klinische Studienprogramm so entwickelt werden, dass es optimal Fragen zu Wirksamkeit und Sicherheit unter zusätzlicher Berücksichtigung der ZVT berücksichtige. Prof. Gallwitz: „Das wäre sehr hilfreich.“ In diesen Prozess sollten auch die medizinischen Fachgesellschaften eingebunden werden.
Nutzenbewertung dient nur Preisverhandlungen
DDG-Vize-Präsident Prof. Dirk Müller-Wieland ging in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. „Die Beurteilung eines eventuellen Zusatznutzens dient allein der Rahmengebung für die anschließenden Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Herstellern“, sagte er. „Wenn kein Zusatznutzen bescheinigt wurde, ist es vorgegeben, dass der Preisrahmen dem der Vergleichstherapie entspricht“, so Prof. Müller-Wieland. Dieser liege bei Diabetes mellitus häufig im Cent-Bereich und führe dann häufig zum Rückzug eines Medikaments vom Markt. „Die Versorgungsfolgen haben die Betroffenen zu tragen.“
Folgen für den Wissenschaftsstandort Deutschland
Im Hinblick auf die Folgen für den Wissenschaftsstandort wurde der DDG-Präsident deutlich: „Ein Rückzug von Medikamenten vom deutschen Markt aufgrund des AMNOG-Verfahrens führt zu einer Verschlechterung der klinischen Forschungsbedingungen in Deutschland.“ Längerfristig könne dies dazu führen, dass man dadurch im wissenschaftlichen Standard international zurückfalle. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagte Prof. Gallwitz. In einem konstruktiven Dialog sollten innovationshemmende Effekte des AMNOG aufgehoben oder zumindest minimiert werden.