Auftraggeber waren überwiegend branchenführende bundesdeutsche, aber auch schweizerische, französische, britische und US-amerikanische Firmen. Insgesamt wurden Aufträge von 75 Firmen aus 16 westlichen Ländern nachgewiesen, heißt es in einer Pressemitteilung der Forscher.
“Es ist gut, dass die Forscher endlich Licht ins Dunkel gebracht haben”, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Norbert Gerbsch. Im Abschlussbericht der Studie heißt ein Kapitel nun “Der Skandal, der keiner war”.
Die Wissenschaftler, die diesen Teil deutscher Geschichte jetzt aufarbeiteten, widersprachen der Annahme, dass die Studien billig zu haben waren. “Die DDR-Behörden stellten westlichen Unternehmen das Gesundheitssystem ihres Staates als Forschungseinrichtung zur Verfügung, um knappe Devisen für die eigene überschuldete Planwirtschaft zu erwirtschaften”, berichtete die Forschergruppe.
Der entscheidende betriebswirtschaftliche Vorteil auf Seiten der westlichen Auftraggeber sei nicht das geringere Honorar gewesen, sondern der beträchtliche Zeit- und Effizienzgewinn. Die aufsichtführenden Behörden des diktatorischen DDR-Regimes hätten die Studien gefördert, indem sie Einzelinteressen von Prüfzentren und Prüfärzten deckelten; die staatlichen Stellen schalteten öffentliche Kritik aus und sorgten so für eine zügige Durchführung. Die DDR habe zudem ein Interesse an den Wirkstoffen gehabt, weil die Versorgung in der DDR damals schlecht gewesen sei. Als Prüfzentren fungierten 120 Universitätskliniken, Bezirkskrankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens, die sich über das gesamte Gebiet der DDR verteilten.
Nicht lückenlos geklärt werden konnte, ob DDR-Patienten stets informiert wurden. Es sei davon auszugehen, dass in Einzelfällen Patienten nicht aufgeklärt worden seien, so die Forscher. Hinweise, dass klinische Studien in der DDR nach anderen Prinzipien als zeitgleiche Studien in der Bundesrepublik durchgeführt wurden, gab es den Forschern zufolge nicht. “Dank des aufwendigen Projektes wissen wir nun, dass auch im Osten mit Standards gearbeitet wurde, die denen im Westen vergleichbar waren”, sagte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Arzneimitelhersteller (vfa).
Auch die Stasi saß im Boot und beobachtete die Vorgänge. In Ost-Berlin gab es in den 60-er Jahren ein “Beratungsbüro für Arzneimittel und medizintechnische Erzeugnisse (Import)”. Besucherlisten zeigten, wer sich an die Behörden wandte.
Das Forschungsprojekt wurde wesentlich vom Bundesbeauftragten der Bundesregierung für die Neuen Länder und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziert. An der Finanzierung beteiligt waren die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern von sieben Bundesländern, der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).