Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
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Forscher testen E. coli-Bakterien zur Krebsbehandlung

Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben in einer Studie probiotische E.-coli-Bakterien als Therapieoption zur Behandlung von Krebs erfolgreich an Mäusen getestet. Der Einsatz von Bakterien bei der Bekämpfung von Krebs galt lange Zeit als problematisch. Die Herausforderung ist es, dabei ein Gleichgewicht zwischen Schädlichkeit und Therapiewirkung zu finden. Der Leiter der Forschungsgruppe, Dr. Siegfried Weiss, und Dr. Dino Kocijancic erklären im Interview, wie diese Bakterien Tumoren künftig bekämpfen könnten.

Wie lässt sich Ihr aktuell neuer Therapieansatz kurz beschreiben? Worin unterscheidet er sich von anderen?

Dr. Dino Kocijancic: Wir haben in Versuchen mit Tiermodellen an festen Tumoren festgestellt, dass Bakterien durch die Bluteinströmung von sich aus in den Tumor wandern. Das Problem ist, dass die meisten von ihnen – wie zum Beispiel Salmonellen für den Menschen pathogen, also schädlich, sind. Eine Modifizierung würde zwar diese schädliche Wirkung abschwächen, damit aber auch die therapeutische Wirkung. Die Lösung sind nicht-pathogene Bakterien wie die probiotischen E. coli-Bakterien.

Es handelt sich um Bakterien, die ohne Sauerstoff wachsen und sich in den verschiedenen Schichten des Tumors sehr gut vermehren. Die Bakterien lösen zunächst eine Immunreaktion aus. Das führt dazu, dass ein Teil des Tumors zerstört wird. Wir glauben, dass aber ab einem gewissen Punkt die Bakterien nicht mehr viel machen, sondern das Immunsystem selbst tätig wird. Im Endeffekt handelt es sich um eine Immuntherapie. Bei Standardmethoden wie der Strahlentherapie, die in den vergangenen Jahren weiter verbessert wurden, geht es hingegen darum, den Tumor direkt zu zerstören.

Können die Bakterien bei unterschiedlichen Krebsarten zum Einsatz kommen?

Dr. Siegfried Weiss: Bakterien machen keinen Unterschied zwischen den Krebsarten. Es gibt mehrere Bakterienarten, die im Kampf gegen Krebs zum Einsatz kommen könnten. Wenn wir verschiedene Krebsmodelle vergleichen, dann verstehen wir leider noch nicht alles. Wir haben aber die Hoffnung, dass die generelle Methode, die wir entwickelt haben, erfolgreich ist.

Wie kam es zu der initialen Idee für ihren Ansatz?

Kocijancic: Die Idee ist eigentlich nicht neu. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte der amerikanische Arzt William Coley an einer Krebstherapie mit einem Gemisch von Bakterien geforscht. Dabei sind aber auch Menschen gestorben. Vor 25 Jahren wurde der Ansatz erneut aufgegriffen. Wir haben mit Salmonellen angefangen. Wenn die Bakterien zu sehr abgeschwächt werden, dann schaden sie nicht. Wenn sie aber nicht abgeschwächt werden, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung, die tödlich enden kann. Deshalb arbeiten wir mit probiotischen Bakterien. Wir forschen daran, dass diese Bakterien toxische Substanzen nur im Tumor produzieren.

Welche Vorteile könnte die neue Therapie für Krebspatienten bedeuten?

Weiss: Ein probiotischer therapeutischer Stamm könnte von Krebspatienten mit einem eingeschränkten Immunsystem und höherer Dosierung besser toleriert werden, als bei abgeschwächten pathogenen Bakterien wie Salmonellen. Das gilt für die sogenannte systemische Anwendung, also diejenige, die den ganzen Organismus betrifft.

Ist es absehbar, wann diese Therapie tatsächlich beim Patienten ankommen könnte?

Weiss: Die Frage ist schwierig zu beantworten. Da in diesem Bereich nur relativ wenige Forscher arbeiten und es wenig Konkurrenz gibt, wird das Gebiet nicht ganz so stark nach vorne getrieben. Möglicherweise gibt es bereits den idealen Bakterienstamm. Wir haben ihn aber noch nicht gefunden.

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