Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)
Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)

Leukämien: Verschiedene Strategien für höhere Heilungsraten

Bei der Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) hat es in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gegeben. Neben der klassischen Chemotherapie und der Stammzelltransplantation gibt es heute eine ganze Palette verschiedener Medikamente und neuer Medikamentenklassen, die alle ein Ziel verfolgen: die Heilungsraten von Menschen mit ALL zu erhöhen.

In Sachen Blutbildung ist der Mensch ein echtes „Power-House“. Da die hauptsächlich im Knochenmark gebildeten Blutkörperchen keine lange Lebensdauer haben, müssen ständig neue produziert werden – es sind mehrere Milliarden am Tag. Bei Gesunden ist der Prozess so ausgewogen gesteuert, dass nur die Zahl von Zellen neu gebildet wird, die tatsächlich ersetzt werden muss. Kommt es zu einer Infektion, kann der Körper gezielt reagieren und die Zahl der benötigten Zellen, in diesem Fall die Zellen des Immunsystems, erhöhen. Eigentlich genial – zumindest, wenn alles so läuft, wie es soll.

© M. Francken/Universität Tübingen
© M. Francken/Universität Tübingen

Das tut es nicht immer. Bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems wie die Leukämien begleiten die Menschen wohl schon von Anbeginn. Wissenschaftler entdeckten in den Knochen einer vor rund 7.000 Jahren verstorbenen Frau Anzeichen von Veränderungen, die für diese Krebsart typisch sind. Aber erst 1845 ist es dem deutschen Mediziner und Wissenschaftler Rudolf Virchow gelungen, die Erkrankung zu beschreiben. Er prägte auch den Begriff „Leukämie“, da er bei Patienten eine stark vermehrte Bildung von weißen Blutkörperchen beobachtete. Leukämie heißt übersetzt „weißes Blut“.

Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung der Vorläuferzellen der Lymphozyten. Die Blutzellen vermehren sich übermäßig, reifen aber nicht zu funktionstüchtigen Zellen heran. Diese so genannten Blasten breiten sich rasch im Knochenmark aus und behindern die Bildung gesunder Blutzellen. Außerdem verteilen sie sich im Körper und können andere Organe schädigen. Durch die Ausbreitung der Blasten und die damit einhergehende Schädigung des Knochenmarks und anderer Organe kann die Krankheit schnell lebensbedrohlich werden und führt unbehandelt innerhalb weniger Monate zum Tod. Daher ist es wichtig, frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen. Die ALL ist nicht vererbbar – aber auch, wenn es Hinweise über die Entstehung der Erkrankung gibt, gilt in den allermeisten Fällen: Die Ursachen bleiben ebenso unklar wie die Frage, warum der Körper die bösartigen Zellen nicht erkennt und beseitigt, wie dies normalerweise der Fall wäre. Für die Patienten, das stellt das Kompetenznetz Leukämien auf seiner Webseite fest, sollte die Diagnose nicht zu Hoffnungslosigkeit führen: „Auf dem Gebiet der ALL wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensive Forschungsarbeit geleistet und die Zahl der Heilungen hat infolgedessen deutlich zugenommen. Eine früher unheilbare Erkrankung ist in vielen Fällen heilbar geworden!“

Die ALL: eine Krankheit – viele Gesichter

Die ALL ist eine seltene Krebserkrankung mit rund 1,5 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohnern und Jahr. Sie ist mit einem Anteil von etwa 80 Prozent die häufigste Form der Leukämien bei Kindern und Jugendlichen. Besonders betroffen sind Kinder unter vier Jahren. Bei Erwachsenen ist eine ALL äußerst selten; Männer erkranken häufiger als Frauen, warum ist nicht bekannt. In der Behandlung der ALL konnten in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt werden: „Die Heilungsrate bei der pädiatrischen ALL ist mindestens 80 Prozent“, schreiben die Wissenschaftler um den Leukämie-Experten Elias Jabbour vom Andersen Cancer Center in Texas in ihrer Untersuchung „Progress and Innovations in the Management of Adult Acute Lymphoblastic Leukemia“. Dies konnte in den vergangenen 40 Jahren durch Optimierung von Chemotherapien gelingen. Bei Erwachsenen sehen die Zahlen schlechter aus: „Ähnliche Strategien haben bei Erwachsenen Raten von 30 bis 40 Prozent erreicht.“ Andere Quellen (s. Onkopedia) sprechen von Langzeitüberlebensraten bei Patienten bis zum Alter von 55 Jahren von bis zu 60 Prozent – allerdings ist das stark abhängig von Alter und Risikogruppe.

Hauptgründe für die schlechteren Prognosen bei Erwachsenen sind, dass sie intensive Chemotherapien schlechter vertragen, oftmals bereits an weiteren Erkrankungen leiden (Komorbiditäten) und genetische Veränderungen aufweisen, die sie zu Hochrisiko-Patienten machen. So kann bei einem kleinen Teil vor allem älterer Patienten eine Mutation auftreten, die als Philadelphia Chromosom bezeichnet wird. Solche Patienten sprechen schlechter auf die herkömmlichen Chemotherapien an. In den letzten Jahren konnten aber mit den Kinase-Inhibitoren neue Medikamente entwickelt werden, womit die Heilungschancen sich deutlich verbessert haben. Eine Herausforderung stellt auch das so genannte Burkitt-Lymphom dar; es erfordert eine andere Behandlung als die anderen ALL-Untergruppen, spricht aber für gewöhnlich gut auf die angepasste Therapie an. Die ALL ist keine einheitliche Erkrankung. Sie hat viele Gesichter und braucht viele Strategien.

ALL – immer besser behandelbar, immer noch eine Herausforderung

Foto: CC0 (Stencil)
Foto: CC0 (Stencil)

Die Behandlung mit Chemotherapie ist Standard bei der ALL. Es ist eine für den Patienten harte, zunächst auch sehr wirksame Therapie, bei der 80 bis 85 Prozent nach der ersten Chemotherapie eine Remission erreichen können. Die Therapie wird möglichst individuell auf den Patienten zugeschnitten. Sie kann im Einzelfall mit einer Strahlentherapie, einer Stammzell- oder einer Knochenmarktransplantation ergänzt werden. Das Ziel: Die Leukämiezellen überall im Körper möglichst vollständig abzutöten, damit das Knochenmark wieder die Blutbildung aufnehmen kann. Je nach Allgemeinzustand und Rückfallrisiko wird entschieden, welche Strategie für den Patienten am erfolgversprechendsten ist. Problematisch wird es, wenn die Krankheit zurückkommt – denn mit jedem Behandlungszyklus verschlechtern sich die Chancen auf Heilung. Deshalb besteht weiterhin ein großer Bedarf an neuen Medikamenten.

In den vergangenen Jahren sind in der Behandlung der ALL weitere Medikamentenklassen hinzugekommen. Darunter sind monoklonale Antikörper, Immuntherapien, Kinase-Inhibitoren und – gerade erst zugelassen – CAR-T-Therapien. Letztere sind eigentlich keine Medikamente im klassischen Sinne. Als eine Kombination aus Gen-, Zell- und Immuntherapie wird in einem aufwändigen Prozess das Blut der Patienten selbst zum Kampf gegen die Krebszellen umprogrammiert. Die ersten beiden Protagonisten dieser Art der Krebsbekämpfung wurden in Europa gerade erst zugelassen. Viele dieser neuen Therapien gelten als „großer Durchbruch“, wie Krebsspezialist Jabbour schreibt. Nun wird weiter daran geforscht, diese neuen Waffen im Kampf gegen die ALL noch erfolgversprechender einzusetzen; etwa durch

  • den früheren Einsatz monoklonaler Antikörper gleich zu Beginn der Behandlung (den so genannten frontline regimes)
  • die Kombination verschiedener Antikörper, um die Wirkung zu verbessern
  • den vollständigen Ersatz von myelosuppressiven Chemotherapien durch zielgerichtete Therapien (engl. targeted therapies).

„Die Wirksamkeit dieser Strategien muss erst noch bewiesen werden“, heißt es in der Untersuchung. „Aber sie haben das Potenzial, die Heilungsraten auf das Level der pädiatrischen ALL zu heben, während sie gleichzeitig die Notwendigkeit intensiver und langwieriger Chemotherapie reduzieren können.“

Weiterführende Links:

Patientenbroschüre „Die akute lymphatische Leukämie (ALL) des Erwachsenen“ – Hrsg. u.a. Kompetenznetz Leukämien.

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