„Ich habe mich sozusagen verloren“ – das Zitat wird Auguste Deter zugeschrieben; der Frau, die Dr. Alois Alzheimer im Jahr 1906 untersuchte und an ihr erstmals die Erkrankung beschrieb, die seinen Namen tragen sollte. Die britische Schriftstellerin Iris Murdoch sagte: „Ich segele in die Dunkelheit.” Es sind zwei Zitate, die ein Gefühl dafür geben, was Menschen mit dieser Form der Demenzerkrankung an Ängsten durchmachen müssen, wenn sie merken, wie sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren.
Wissenschaftler:innen sind sich einig: Es muss ein Arzneimittel sein, das dieser Krankheit den Schrecken nehmen kann. Doch trotz aller Anstrengungen gilt: Ein Durchbruch ist nicht in Sicht. Globaldata schreibt dazu: „Der Juni war für die Alzheimer-Szene ziemlich enttäuschend, weil mehrere Unternehmen negative Ergebnisse aus ihren klinischen Studien veröffentlichten.“ Trotzdem, so das Datenanalyse-Unternehmen, gebe es weiter Grund zur Hoffnung. Auch, weil aus jedem Studienprogramm Erkenntnisse gewonnen werden, die das Verständnis für diese Erkrankungen mehren.
Forschung: Bis zu 40 Prozent der Alzheimer-Fälle vermeidbar
So zeigen Forschungsergebnisse, dass sich bis zu 40 Prozent der Alzheimer-Erkrankungen vermeiden lassen, wie die Alzheimer-Forschung Initiative (AFI) in ihrer Broschüre „Alzheimer vorbeugen“ schreibt. Sie hat 12 Risikofaktoren zusammengefasst, die zeigen: Einen Teil des Erkrankungsrisikos haben wir Menschen selbst in der Hand.
Zu den Präventionsmaßnahmen gehören:
- Ausreichend Bewegung, weil das Gehirn bei körperlicher Aktivität besser durchblutet wird und sich sogar Nervenzellen neu bilden können.
- Geistige Fitness, denn Alzheimer-Symptome treten bei Menschen, die geistig aktiv sind, nachgewiesenermaßen später auf. „Sterben Zellen altersbedingt ab, können andere Gehirnbereiche übernehmen. Diese so genannte geistige Reserve gilt es zu trainieren.“ Musizieren, Sprachen lernen, Abwechslung: All das hält das Hirn in Schwung.
- Eine gesunde Ernährung ist doppelt wichtig. Sie hält das Gehirn länger fit und schützt vor Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, die ihrerseits das Erkrankungsrisiko erhöhen. Auch Übergewicht hilft dem Körper nicht – im Gegenteil. Regelmäßig hoher Alkoholkonsum? Davon raten Neurolog:innen ab.
- Soziale Kontakte wirken ebenfalls einer Demenz entgegen. Denn hier sind Konzentrationsfähigkeit, das Kurzzeitgedächtnis, die Sinne und das Sprachvermögen gefragt.
Ebenfalls wichtig ist ausreichend Schlaf. Bei Alzheimer sorgt unter anderem verklumptes Protein für die Zerstörung von Gehirnzellen. „Im gesunden Gehirn wird das schädliche Eiweiß durch eine Art Müllabfuhr im Tiefschlaf entsorgt“, heißt es in der Broschüre. Und Raucher:innen sollten wissen: „Rauchen ist bei Menschen über 65 Jahren der wichtigste beinflussbare Risikofaktor und erhöht das Erkrankungsrisiko um 60 Prozent.“
Alzheimer: Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen sind Risikofaktoren
Auch medizinisch lässt sich vorsorgen: Denn ein unbehandelter Blutdruck kann genauso ein Treiber für diese Demenzerkrankung sein wie Diabetes. Eng verbunden mit der Alzheimer-Erkrankung sind auch Depressionen; sie können sowohl Symptom als auch Risikofaktor sein. Bekannt ist, dass Depressionen das Hirn schädigen können, warum das so ist, ist nur teilweise verstanden. Tatsache ist, dass Verhaltensweisen depressiver Menschen die Risiken der Demenzerkrankung erhöhen: Sie schlafen schlechter, meiden soziale Kontakte, bewegen sich weniger, weil sie antriebslos sind. Die AFI rät: Gehen Sie zur Ärztin oder zum Arzt, denn eine möglichst frühe Diagnose ist wichtig für eine erfolgversprechende Behandlung.
Es gibt im Wesentlichen zwei Risikofaktoren, die wir nicht beeinflussen können: Das ist einmal das Altern. Aber auch die Gene spielen eine Rolle: „Mutationen können zum sicheren Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung führen“, heißt es in der Broschüre. „Das ist aber sehr selten der Fall. Weniger als 1 Prozent gehen darauf zurück. Darüber hinaus gibt es aber auch Genvarianten, die das Krankheitsrisiko erhöhen, aber nicht zum sicheren Ausbruch der Krankheit führen.“
Die Forschung im Bereich der neurogenerativen Erkrankungen geht weiter, wie der US-amerikanische Verband PhRMA berichtete. Die Pipelines seien Ausdruck für das „wachsende Verständnis von den zugrundeliegenden Mechanismen der Neurodegeneration.“ Damit es eines Tages hochwirksame Arzneimittel auch gegen die Erkrankung gibt, in der sich Auguste verlor.
Die Broschüre kann man hier bestellen.
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