Seit 2018 kommen immer mehr CAR-T-Zelltherapien in die Versorgung. Der Anfang ist gemacht – das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Foto: ©iStock.com/Motortion
Seit 2018 kommen immer mehr CAR-T-Zelltherapien in die Versorgung. Der Anfang ist gemacht – das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Foto: ©iStock.com/Motortion

CAR-T-Zelltherapien gegen Krebs: Da geht noch mehr

Im Turbomodus ging es von 0 auf 6 Präparate in nicht mal 5 Jahren: Seit 2018 können die Patient:innen in Europa von immer mehr Vertretern der „CAR-T-Zelltherapie“ profitieren. Mittels gentechnischer Methoden werden die körpereigenen Abwehrzellen der Betroffenen für den Kampf gegen Krebs fitgemacht. Das Potenzial ist enorm – und lange nicht ausgeschöpft.

Pharma Fakten-Grafik: Immuntherapie aus dem eigenen Blut - CAR-T-Technologie in der KrebsbekämpfungAls 2018 die ersten beiden CAR-T-Zelltherapien die Zulassung in Europa erhielten, gaben sie schwerkranken Betroffenen mit bestimmten Blutkrebsformen eine Perspektive auf Langzeitüberleben, auf Heilung. In einer mündlichen Anhörung im Rahmen des Nutzenbewertungsverfahrens zu einem der Wirkstoffe berichtete im März 2019 der Mediziner Prof. Dr. Topp vom Uniklinikum Würzburg von seinen Erfahrungen aus klinischen Studien: Man sehe, „dass Patienten, die vorher teilweise drei, vier, fünf [Therapie-]Linien gesehen haben, zum ersten Mal ansprechen und wieder relevante Lebensqualität erhalten. Ich habe einige Beispiele […], dass die Patienten wieder in ihrem Leben dabei sind.“ Dabei handelt es sich bei den Betroffenen häufig um Menschen, die sich in einer Palliativsituation befinden. Das heißt: Eine Heilung war für sie eigentlich nicht mehr denkbar. Frau Prof. Dr. Subklewe vom Klinikum der Universität München bestätigte damals: Es „ist eine unglaublich neue Therapieplattform, die für viele Patienten eine Chance bedeutet, zu heilen.“

CAR-T-Zelltherapie: Neues Verfahren – Große Herausforderungen

Von der Blutabnahme der Patient:innen, über die gentechnische Aufbereitung der körpereigenen Immunzellen, bis hin zur Infusion dieser „CAR-T“-Zellen (s. Grafik): Das Verfahren war so neuartig und ist so anders im Vergleich zu gängigen Medikamenten, dass es einige Herausforderungen zu bewältigen gab (und immer noch gibt). Wer darf etwa die Therapie durchführen, die durchaus auch mit schweren Nebenwirkungen verbunden sein kann? Inzwischen wurde hierzulande eine Richtlinie erstellt, die die Anforderungen „an die Qualität der Anwendung“ regelt.

Das IQVIA Institute for Human Data Science zählt in dem Bericht „Global Oncology Trends 2022“ weltweit 526 Krankenhäuser, die nach internationalen Standards für die Anwendung von CAR-T-Zelltherapien akkreditiert sind. Führend sind hier die USA (223), das Vereinigte Königreich (49) und Italien (45) – dann folgt Deutschland (40). Von 2020 auf 2021 gab es einen Anstieg bei jenen Krankenhäusern um über 36 Prozent – was laut IQVIA Institute darauf hinweist, dass mehr und mehr CAR-Ts zugelassen und für die Patient:innen verfügbar gemacht werden.

CAR-T-Zelltherapien: Zunehmendes Portfolio

Blutkrebs: Leukämiezelle
CAR-T-Zelltherapien: Möglichkeiten für Menschen mit Blutkrebs. Foto: ©iStock.com/Dr_Microbe

Das Konzept der CAR-T-Zelltherapie stammt übrigens aus den 1980er-Jahren (s. vfa) – eine halbe Ewigkeit. Doch seitdem der große Meilenstein – die Zulassung der ersten Präparate im Jahr 2018 – geschafft ist, geht es Schlag auf Schlag: Insgesamt 6 Präparate sind in Europa nun zugelassen. Und das Portfolio, das sie abdecken, wächst: So bieten sie inzwischen Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL), mit primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL), mit follikulärem Lymphom (FL), mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL), mit Mantelzelllymphom oder Multiplem Myelom. Ganz grob gesagt sind es verschiedene Formen von Blutkrebs.

In einer mündlichen Anhörung im Mai 2022 zu einer CAR-T-Zelltherapie für das Multiple Myelom erzählte Fachärztin Prof. Dr. Katja Weisel, Uniklinikum Hamburg-Eppendorf: „Ich hatte das Glück, zwei Patienten in der KarMMa-Studie […] begleiten zu dürfen. Einer der beiden Patienten, der vor dreieinhalb Jahren in der Studie infundiert wurde, ist nach wie vor in kompletter Remission. Er hatte es in der elften Therapielinie bekommen. Das ist eine Situation, die man mit keiner anderen Therapie erreicht hat“. Dieser beschriebene Einzelfall zeige das grundsätzliche Potenzial dieser Therapie auf. Komplette Remission heißt: Die Krankheit wurde weit zurückgedrängt, ist im Körper nicht nachweisbar. Mediziner Herr Prof. Dr. Dr. Scheid, Uniklinik Köln, sieht eine „andere Ansprechqualität von der Tiefe des Ansprechens und auch der Nebenwirkungsfreiheit, als wir das von jeder anderen Therapie kennen.“ Er betonte, dass es wichtig ist, das bei der Betrachtung dieser Therapie miteinzubeziehen – auch „wenn ich zugeben muss, dass es schwer ist, das in so einer nüchternen Datenlage zu fassen.“ Für die stark vorbehandelten Patient:innen ist sogar eine therapiefreie Zeit möglich – etwas, was Betroffene laut Prof. Dr. Weisel „als regelrechtes Geschenk“ empfinden. 

Potenzial von CAR-T: Noch nicht gehoben

Forscherin im Labor
Die pharmazeutische F&E steht vor großen Herausforderungen. Foto: ©iStock.com/Jevtic

Solche Erfahrungsberichte von Mediziner:innen zeigen, wie groß das Potenzial der CAR-T-Zelltherapie ist. Und gleichzeitig zeigen sie auch: Da geht noch mehr. So werden CAR-T-Zellpräparate momentan erst relativ spät in der Behandlung eingesetzt. Prof. Dr. Dr. Scheid erklärte am Beispiel des Multiplen Myeloms die Problematik: Der Krebs von Patient:innen, die „sechs, sieben Therapierunden“ hinter sich haben, kann „sehr viele verschiedene Subklone“ gebildet haben, „die vielleicht auch verschiedenartig auf die CAR-T-Zell-Therapie ansprechen. Deshalb wäre sicherlich eines der Ziele, das wir verfolgen, diese CAR-T-Zell-Therapie frühzeitiger einzusetzen.“ Die Forschung arbeitet daran. Im Bereich des Lymphoms sind Studien-Ergebnisse vielversprechend.

Darüber hinaus wollen Wissenschaftler:innen erreichen, dass künftig noch mehr Menschen von CAR-T profitieren können – etwa Patient:innen mit soliden Tumoren. Die Zeitung USA Today berichtet zum Beispiel vom diffusen intrinsischen Ponsgliom (DIPG), ein Hirntumor: „Es gibt keine schlimmere Krebsart bei Kindern. Ein normal scheinendes Kind kommt mit einem Symptom, erhält einen Hirnscan und innerhalb von 30 Sekunden löst sich die Zukunft in Luft auf“, heißt es in dem Artikel. Das mittlere Überleben nach Diagnosestellung liegt bei wenigen Monaten. „Und die Medizinwissenschaft hat wenig anzubieten“. Im Fokus: Bestrahlung. 

USA Today zitiert einen US-amerikanischen Neurochirurgen, der meint: Wenn man es tatsächlich schaffen sollte, dass CAR-T bei soliden Tumoren funktioniert, dann könnte dieses Therapieprinzip einen dramatischen Unterschied machen. Denn CAR-T-Präparate sind „lebende“ Medikamente – sie zerstören nicht nur den ursprünglichen Tumor, sondern auch weitere Krebszellen an anderen Stellen im Körper, weil sie sich nach der Infusion vermehren und ausbreiten. Bei soliden Tumoren ist das bislang Theorie – doch laufende Forschungsprojekte geben leise Hoffnung. Eine Frage, an der Wissenschaftler:innen arbeiten, ist: Wie gelingt es, dass CAR-T keine gesunden Zellen angreift? Denn solide Tumoren weisen auf ihrer Oberfläche viele Ähnlichkeiten zu gesunden Zellen auf. Das zeigt: Die Herausforderungen sind nach wie vor groß – ungebrochen hohe Investitionen in pharmazeutische Forschung und Entwicklung unerlässlich.

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