Mit dem Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sind nicht einmal die Regierungskoalitionäre glücklich. In Berlin hofft man jetzt auf das Struck´sche Gesetz. Foto: ©iStock.com/ipopba
Mit dem Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sind nicht einmal die Regierungskoalitionäre glücklich. In Berlin hofft man jetzt auf das Struck´sche Gesetz. Foto: ©iStock.com/ipopba

Das GKV-Spargesetz: Ein Entwurf, den keiner mag

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sind nicht einmal die Regierungskoalitionäre glücklich. In Berlin hofft man jetzt auf das Struck´sche Gesetz. Das besagt, dass kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es eingebracht wird. Das wurde auf einer Podiumsdiskussion des Tagesspiegels deutlich.

4 Impulse á 5 Minuten, 1 Umfrage, anschließende Diskussion: Der Debatten-Salon des Tagesspiegels setzt auf Tempo. Geladen waren 3 Gesundheitspolitiker:innen und der Präsident des Pharmaverbandes vfa. Das Thema: „Weichen richtig gestellt? Ein Jahr Ampel-Gesundheitspolitik im Check.“ Moderiert von Stephan-Andreas Casdorff, dem Herausgeber persönlich. Gesponsort war die Veranstaltung vom vfa.

vfa-Präsident Han Steutel
Han Steutel, vfa-Präsident. Foto: ©vfa / B. Brundert

Für den vfa-Präsidenten Han Steutel war das erste Jahr Gesundheitspolitik der Ampel ein Wechselbad der Gefühle. Als er den Koalitionsvertrag in der Hand hielt, sei er zunächst euphorisch gewesen. „Mehr Fortschritt wagen“, der erklärte Wille, ein führender Standort für Biotechnologie werden zu wollen, der Zugang der privat organisierten Forschung zu anonymisierten Gesundheitsdaten – all das las sich für den Pharmamanager wie ein Drehbuch für den Fortschritt. „Und jetzt haben wir nicht mehr in den Händen als das GKV-Stabilisierungsgesetz. Und das ist für uns verheerend. Es ist katastrophal.“ Und zwar aus 2 Perspektiven, so Steutel: Da seien erst einmal die wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen und die künftig zu erwartenden geringeren Investitionen in Forschung und Entwicklung. Zum anderen befürchtet er Einschnitte in der Gesundheitsversorgung – also direkte Folgen für die Patient:innen. Der Entwurf sei innovationsfeindlich (Pharma Fakten berichtete). Auf dem Spiel stehe die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln. Und die Tatsache, dass Patient:innen in Deutschland im europäischen Vergleich bisher am schnellsten mit neu zugelassenen Arzneimitteln behandelt werden. Sein Fazit: „Ohne Not und Plan wird der Spitzenplatz bei Arzneimittelinnovationen riskiert.“

Die GKV in der Notaufnahme

Heike Baehrens (SPD) und Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP)
Heike Baehrens (SPD) und Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP). Fotos: heike-baehrens.de (links), Brian Rauschert (rechts)

Heike Baehrens (SPD) und Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP), gesundheitspolitische Sprecher:innen in der Ampel, fiel die Rolle zu, einen Gesetzentwurf zu verteidigen, der ihnen „keine Freude“ (O-Ton Ullmann) macht. Man habe sich zu Beginn der Legislaturperiode viel vorgenommen, denn: „Wir haben das Gesundheitssystem nicht für das Morgen vorbereitet“, so Mediziner Ullmann. „Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme in der Welt, aber sicher nicht eines der effektivsten.“ Der strukturelle Reformbedarf sei erkannt, aber erstens sei man erst 1 Jahr an der Regierung und zweitens stünde man vor großen Herausforderungen. „Wir haben ein Defizit in der GKV von aktuell 17 Milliarden Euro, das sich weiter steigern wird, wenn wir keine Gegenmaßnahmen ergreifen“, so Heike Baehrens. Die GKV in der Notaufnahme: „Wir haben jetzt die Aufgabe, die Finanzen der GKV zu stabilisieren.“ Beide versprachen, dass die Strukturreformen noch kommen sollen. Man sei „beseelt“ davon, dass Gesundheitssystem zukunftsfähig machen zu wollen. In Richtung der Pharmaindustrie sagt Ullmann: „Ich kann Herrn Steutel schon verstehen.“                       

Oppositionspolitiker Tino Sorge von der CDU sieht die Ampel „neben der Spur“. Der Entwurf der Regierung gäbe keine Antwort darauf, wie sich die Finanzen stabilisieren lassen. Statt vieler Einzelmaßnahmen, „die viele Akteure im Gesundheitssystem auf die Palme bringen“, rechnet Tino Sorge vor: Mehrwertsteuer auf Arzneimittel runter („das bringt 5 bis 6 Milliarden Euro“) und die Abführung der Krankenkassenbeiträge für Bezieher des Arbeitslosengeldes II beenden („das sind 10 Milliarden“) – die eigentlich aus Steuergeldern bezahlt werden sollten. So hätte man die fehlenden 17 Milliarden Euro mit 2 Maßnahmen schon fast zusammen. Stattdessen lege man sich mit fast allen an, die gerade in der Pandemie Außerordentliches geleistet hätten: Ärzt:innen und Apotheker:innen, die Pharmaindustrie, sogar mit den Krankenkassen. „Für die alle ist das ein Schlag ins Kontor.“ Was sein Finanzminister zu den Ideen sagen würde, wäre seine Partei an der Regierung, sagt Sorge nicht. Denn das Geld wird ja gebraucht.

Das Prinzip Hoffnung

Oppositionspolitiker Tino Sorge von der CDU
Tino Sorge, Oppositionspolitiker von der CDU. Foto: Steven Vangermain

Die Gegner des Gesetzentwurfes – und das sind viele – setzen auf das Prinzip Hoffnung, dass im parlamentarischen Prozess noch etwas geht. Es ist das Vertrauen, dass das Struck´sche Gesetz auch beim GKV-Spargesetz gelten möge. Geprägt hat es der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“ Tino Sorge sagt: „Es wird sicher Änderungen geben.“

Zuschauer:innen des Debattensalons waren sich einig: 83 Prozent gaben der Ampel kein gutes Zeugnis für ihr erstes Jahr Gesundheitspolitik. Die Schwerpunkte müssten nachjustiert und das Tempo beschleunigt werden. 3 Prozent sagen: Gratulation.

Weitere News

Die Sparpläne der Bundesregierung bedrohen akut die Versorgung der Patient:innen in Deutschland mit Arzneimittelinnovationen. Foto: ©iStock.com/Panuwat Sikham

Innovative Arzneimittel: Versorgung der Menschen in Deutschland in Gefahr

Es betrifft alle Menschen in Deutschland: Die jüngsten Sparpläne der Politik bedrohen akut die Versorgung der Bundesbürger:innen mit innovativen Arzneimitteln. Das sagen Fachleute aus der Pharmabranche. Das sagen zahlreiche Mediziner:innen. Wird das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in seiner jetzigen Form Realität, wird es den Zugang der Patient:innen zu wirksamen, neuen Medikamenten erschweren – und medizinischen Fortschritt im Keim ersticken.

Weiterlesen »
Die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplanten Maßnahmen sind ein Frontalangriff gegen Arzneimittelinnovationen. Ein Kommentar von Florian Martius. Foto: iStock.com / gorodenkoff

GKV-Spargesetz: Frontalangriff auf die Medizin von morgen

In der Summe sind die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplanten Maßnahmen gegen die Pharmaindustrie ein Frontalangriff auf innovative Arzneimitteltherapien. Wer glaubt, hier ginge es lediglich um die Bilanzen großer Konzerne, irrt. Die Botschaft, die die Regierung sendet, lautet: Forschende Spitzenmedizin „Made in Germany“ ist nicht gewollt. Ein Kommentar von Florian Martius.

Weiterlesen »
Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in der Dauerkritik: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland in Gefahr. Foto: © iStock.com/Andrii Yalanskyi

GKV-Spargesetz: So teuer kann sparen sein

Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in der Dauerkritik: Nicht nur die Pharmaindustrie wettert dagegen. Auch aus Bayern gibt es Gegenwind. Sein Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht durch die Pläne der Ampelkoalition den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland in Gefahr. Das erklärte er bei einer Veranstaltung der Pharmainitiative Bayern.

Weiterlesen »

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: