Gegen psychische Erkrankungen gibt es kaum Vorbeuge-Maßnahmen – auf einer Online-Veranstaltung präsentierten Gesundheitsexpert:innen nun Vorschläge, wie sich das ändern ließe. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn
Gegen psychische Erkrankungen gibt es kaum Vorbeuge-Maßnahmen – auf einer Online-Veranstaltung präsentierten Gesundheitsexpert:innen nun Vorschläge, wie sich das ändern ließe. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn

Depressionen, Burnout & Co.: Wie eine Präventionsstrategie gegen psychische Erkrankungen aussehen könnte

Vorbeugen ist besser als heilen – diese Erkenntnis gilt nicht nur für Erkrankungen, die durch Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel oder schlechte Ernährung verursacht werden, sondern sie gilt auch für psychische Erkrankungen. Weshalb das so ist und was getan werden muss, um die psychische Gesundheit zu fördern, darüber diskutierten Expert:innen auf einer Online-Veranstaltung des forschenden Pharmaunternehmens Pfizer unter dem Motto: „Mentale Gesundheit – raus aus der Defensive!“

Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben eine Entwicklung beschleunigt, die sich bereits seit vielen Jahren abzeichnet: Die Zahl psychischer Erkrankungen nimmt in Deutschland stetig zu. So verzeichnete der „DAK-Psychreport“ für das Jahr 2022 einen neuen Höchststand an Fehltagen aufgrund von Erkrankungen wie Depressionen, Burnout, Angststörungen. Pro 100 Versicherten gab es 301 Fehltage, das sind 48 Prozent mehr als noch zehn Jahre zuvor. Damit sind psychische Erkrankungen inzwischen die zweithäufigste Ursache für Fehltage.

Psychische Erkrankungen: Prävention muss früh beginnen

Psychische Erkrankungen: Prävention muss früh beginnen
Prävention: So früh wie möglich beginnen. ©iStock.com/monkeybusinessimages

Doch wie lässt sich gegensteuern? Die wirksamste Medizin, darüber war sich die Expert:innen-Runde einig, ist Prävention – und sie sollte so früh wie möglich beginnen, am besten schon im Kindergarten. „Wir müssen früh ran“, erklärte Dr. Matthias Albers, Sprecher des Fachausschuss Psychiatrie im Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wenn es nach Albers geht, beginnt Prävention in Kindergarten und Schule und setzt sich im Arbeitsleben fort: „Wir müssen die Menschen informieren, wie sie mit Stress umgehen können, und wir müssen Strukturen dafür schaffen, dass kein unnötiger Stress auftaucht. Dazu sollten wir Familien stärken, soziale Vernetzung und Gesundheitskompetenz fördern.“

Nach Albers Überzeugung begünstigen auch Faktoren wie zu kleine Wohnungen oder wirtschaftliche Sorgen psychische Erkrankungen. Aus diesem Grund empfiehlt der psychiatrische Facharzt, auch Bereiche in die Prävention einzubinden, die sich erst auf den zweiten Blick auf unsere psychische Gesundheit auswirken: „Wohnungsbau, Stadtplanung, Verkehrsplanung, Gestaltung der Arbeitswelt.“

Mehr Zulassungen für Psychotherapeut:innen benötigt

Doch die Realität ist davon weit entfernt. Seit Jahren fließen durchschnittlich gerade mal 3,5 Prozent der Gesundheitsausgaben in die Prävention. Und selbst für nahe liegende Maßnahmen fehlt es an politischer und finanzieller Unterstützung: „Wir müssten dringend die Zahl der Krankenkassen-Zulassungen für Psychotherapeuten erhöhen“, findet Diana Stöcker, CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im dortigen Gesundheitsausschuss. „Es ist nachgewiesen, dass Psychotherapie hilft, wir müssen das ausbauen“, so Stöcker weiter, „ich würde insbesondere für Kinder und Jugendliche die Therapeutenzahl erhöhen, vor allem im ländlichen Raum. Dort gibt es teilweise Wartezeiten von eineinhalb Jahren.“ In dieser Zeit würden sich psychische Probleme oft so stark manifestieren, dass Lebenswege verbaut werden.

Was die Prävention betrifft, so würde auch Stöcker damit schon in der Schule anfangen und Gesundheitsthemen „in den Lehrplan einbauen.“ Tatsächlich gibt es derzeit ein Modellprojekt an 100 von insgesamt rund 20.000 Schulen in Deutschland – dort werden „Mental Health Coaches“ eingesetzt, die den Kindern einen guten Umgang mit ihrer mentalen Gesundheit beibringen sollen. „Diese Mental Health Coaches sind nett, aber das ist nur ein Trostpflästerchen“, sagte Diana Stöcker. Viel schwerer wiege, dass im neuesten Bundeshaushalt „die Gelder für Prävention reduziert wurden.“

Im Kampf gegen psychische Erkrankungen: Ziele definieren

Im Kampf gegen psychische Erkrankungen: Ziele definieren
Prävention: Ziele definieren „aus dem System heraus“. Foto: ©iStock.com/PeopleImages

Allerdings fehlt es nicht nur an Geld. „Es ist auch wichtig, Ziele zu definieren und die Zielerreichung zu messen“, betonte Dr. Julian Witte, der an der Entwicklung eines deutschlandweiten „Präventionsindexes“ beteiligt war. Dieser Index umfasst neben weiteren Krankheitsfeldern auch „psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen“. Zu jedem Bereich fließen – soweit vorhanden – Daten zu Krankheitslast und Präventionsmaßnahmen ein. Dadurch sollen „Präventionslücken“ entdeckt und benannt werden. Aus den Ergebnissen lassen sich dann kurz- und langfristige Präventionsziele ableiten. Definiert werden sollten diese Ziele „aus dem System heraus“, also von Ärzt:innen, Wissenschaftler:innen und weiteren Gesundheitsexpert:innen, etwa aus den Berufsverbänden. In einem Berufsverband werde bereits besonders vorbildliche Präventionsarbeit geleistet: Bei den Zahnärzt:innen. „Das“, so Witte, „ist der Berufsverband, der am fleißigsten in Sachen Prävention ist.“

Vorsorgeuntersuchungen erweitern

Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, regte an, die Vorsorgeuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen zu erweitern und dort auch mögliche psychische Erkrankungen in den Blick zu nehmen. „So würden wir relativ früh aufmerksam“, meint Benecke, „und wir könnten Empfehlungen aussprechen und die Eltern darauf aufmerksam machen, dass etwas im Argen liegt.“ Dies wäre „ohne großen Aufwand machbar“.

Vorsorgeuntersuchungen erweitern
Erwerbsunfähigkeit: Psychische Erkrankungen als Ursache für Fehltage. ©iStock.com/monkeybusinessimages

Benecke verwies darauf, dass es „wenig Wissen in der Bevölkerung darüber gibt, dass und wie wir psychische Erkrankungen vermeiden können.“ Etwa dadurch, dass wir uns „als selbstwirksam erleben und lernen, frühzeitig mit Stress und Belastungen umzugehen. Oder auch dadurch, dass wir sozial eingebunden sind und soziale Unterstützung erfahren. All diese Dinge können helfen, psychische Erkrankungen zu vermeiden.“

Solche Erkrankungen schaffen nicht nur Leid für die Betroffenen, sondern verursachen, so Benecke, „auch unglaublich hohe gesamtgesellschaftliche Kosten – etwa durch Erwerbsunfähigkeit.“ Und weiter: „Wir können uns nicht erlauben, so viele Menschen krank werden zu lassen“ – auch deshalb ist es wichtig, in Sachen mentaler Gesundheit tatsächlich aus der Defensive zu kommen.

Die Veranstaltung „Mentale Gesundheit – raus aus der Defensive“ wurde vom forschenden Pharmaunternehmen Pfizer organisiert. Mehr dazu auf landdergesundheit.de.

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