Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Hashtag Gesundheit“?
Julia Aring: Das ist ein Verein, der im Gesundheitssektor junge Personen aus ganz Deutschland – und auch aus dem Ausland – miteinander vernetzt. Wir wollen eine dynamische Plattform schaffen und dort interprofessionellen Austausch und Zusammenarbeit fördern. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die berufliche Entwicklung unserer Mitglieder – so haben wir zum Beispiel ein Mentor:innen-Programm, bei dem Menschen mit Berufserfahrung unsere Young Professionals mit Rat und Tat unterstützen.
Gibt es ein Höchstalter, bis zu dem man bei euch Mitglied werden kann?
Aring: Nein – ab dem 40. Lebensjahr ist allerdings nur eine außerordentliche Mitgliedschaft möglich, also ohne Stimmrecht. Das Durchschnittsalter liegt bei 29,6 Jahren. Und wir sind tatsächlich mehr Frauen als Männer, wobei das Geschlechterverhältnis nahezu ausgeglichen ist.
Wer hat diese Initiative ins Leben gerufen und warum?
Aring: Das war vor 5 Jahren. Unser Gründer Timo Frank war damals Student und arbeitet heute als Gesundheitsökonom in Berlin. Anfangs waren es ausschließlich Studierende, die den Wunsch hatten, sich über ihr Studium hinaus zu vernetzen. Sie wollten ihren Horizont erweitern und auch auf Kongressen und Veranstaltungen sichtbar werden. Gestartet sind wir mit 5 Mitgliedern, im vergangenen Januar waren es schon 544 – Tendenz steigend.
Was sind die wichtigsten Ziele und Visionen des Vereins?
Aring: Unsere Mission ist es, die bereits erwähnte dynamische Plattform zu schaffen, die durch interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen innovative Lösungen fördert und die berufliche Entwicklung unserer Mitglieder stärkt.
Was ist damit gemeint?
Aring: Wir wollen mehr Sichtbarkeit für die jüngeren Personen im Gesundheitswesen erreichen – denn die meisten Personen, die auf den Kongressen sitzen, sind ja eher älter und nicht so divers. Unsere Vision ist es, mit veralteten Strukturen und festgefahrenen Hierarchien zu brechen und uns aktiv und mit Leidenschaft für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen einzusetzen. Dazu zählt ein modernes und bereicherndes Arbeitsumfeld für jetzige und künftige Generationen – ein Arbeitsumfeld, das zugleich ein Ort ist, an dem wir alt werden möchten. Viele von uns werden noch 40 Jahre im Gesundheitswesen arbeiten, auch deswegen wollen wir es verbessern.
Im vorigen Jahr gab es bei Hashtag Gesundheit eine Umfrage dazu, welche Wünsche und Erwartungen die Young Professionals an ihr Arbeitsumfeld haben. Welches waren die wichtigsten Ergebnisse?
Aring: Es gibt einen Wandel im Vergleich zu früheren Generationen. Für 94 Prozent der 172 Befragten sind berufliche Förderung und die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung besonders wichtig – gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten mit 85 Prozent. Eine hohe finanzielle Vergütung liegt erst an dritter Stelle, ist aber für 79 Prozent der Befragten dennoch sehr wichtig. Es folgen „Interdisziplinäre Zusammenarbeit“, die Möglichkeit zu mobilem Arbeiten und familienfreundliche Angebote mit jeweils deutlich über 70 Prozent. Weniger Wert wird auf Team-Veranstaltungen gelegt, die für unter 40 Prozent wichtig sind. Junge Fachkräfte suchen also nicht nur nach finanziell attraktiven Angeboten, sondern bevorzugen Arbeitgeber:innen, die in ihre Zukunft investieren – sei es durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, familienfreundliche und gesundheitsfördernde Maßnahmen oder auch durch Flexibilität, digitale Kompetenz und Diversität im Unternehmen.
Das Besondere an Hashtag Gesundheit ist…
Aring: …vor allem die Tatsache, dass wir unterschiedliche Perspektiven beleuchten. Ich selbst arbeite bei einer GKV und es ist für mich besonders spannend, auch mal andere Meinungen, Perspektiven wahrzunehmen. Wir alle schauen über unsere eigene Bubble hinaus und erfahren viel über die Sichtweisen in anderen Sparten. Bei uns sind ja alle Bereiche des Gesundheitswesens vertreten. Außer mir als GKV-Expertin haben wir zum Beispiel Pflegekräfte, Apotheker:innen, Berater:innen, Studierende. Wir schließen niemanden aus. Unsere einzige Bedingung ist, dass jemand im Gesundheitswesen tätig ist oder in diesem Bereich studiert und Lust hat, sich auszutauschen, ins Gespräch zu kommen.
Was hat es mit dem Mentoring-Programm bei Hashtag Gesundheit auf sich? Wie genau läuft das ab?
Aring: Wir haben hervorragende Mentor:innen, die unsere Mitglieder bei der Berufsentwicklung fördern – darunter ausgewiesene Gesundheitsexpert:innen und CEOs von namhaften Unternehmen. Da sind viele richtig coole Personen dabei. Zum Ablauf: Das Programm startet zweimal im Jahr. Auf unserer Website gibt es ein eigenes Formular, mit dem sich Menschen bewerben können. Wir matchen das dann, bringen also Mentee und Mentor:in bei einer Auftaktveranstaltung zusammen. Pro Runde gibt es acht bis zehn Matches. Das Programm dauert ein Jahr.
Sie bilden auch Arbeitsgruppen. Worum geht es dort?
Aring: Wir haben verschiedene Panels: Digital Health, Diversity, Nachhaltigkeit, Pflege, Politik und andere. Es finden digitale Treffen statt, in denen wir uns austauschen. Ab und zu bereitet jemand was vor – im Panel „Politik“ gibt es immer wieder Vorträge zu gesundheitspolitischen Themen oder zu neuen Gesetzesvorhaben. Ich selbst will demnächst mit einigen Kolleginnen etwas zur GKV-Finanzierung erzählen und zu den Strukturen in der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Welche Veranstaltungsformate gibt es bei Hashtag Gesundheit?
Aring: Wir organisieren regelmäßige Regionaltreffen – nicht nur digital, sondern auch mal persönlich im Restaurant oder eben bei Unternehmen. Zweimal im Jahr treffen wir uns zur Mitglieder-Versammlung, immer an einem anderen Ort in Deutschland – und immer mit einem inhaltlichen Workshop. Das ist der eine Teil. Daneben gibt es seit Kurzem so genannte Career-Calls – dort ermöglichen wir unseren Mitgliedern, Einblick in bestimmte Berufsfelder zu bekommen. Etwa im Gespräch mit der Büroleitung von Gesundheitspolitiker:innen. Demnächst kommen zwei junge Klinikdirektorinnen zu uns, die sind Ende 20, Anfang 30, und halten einen Vortrag darüber, wie es ist, in unserem Alter ein Krankenhaus zu leiten. Und nicht zu vergessen: Wir werden auch von Unternehmen eingeladen – wir waren schon bei Google in Hamburg oder bei der gematik, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin, in Berlin.
Was muss sich im deutschen Gesundheitssystem ändern – und was trägt Hashtag Gesundheit dazu bei?
Aring: Unser Beitrag besteht im Austausch. Was sich konkret ändern sollte, das lässt sich nicht so leicht beantworten. Ich würde als GKV-Vertreterin etwas ganz anderes sagen als meine Vorstandskolleg:innen – das ist immer eine persönliche Entscheidung. Unser Ansatz besteht eher darin, andere Meinungen zu hören, darüber zu diskutieren und die eigene Meinung zu überdenken. Auch daraus ergeben sich natürlich Vorschläge: So sollten alle Beteiligten im Gesundheitswesen dieses Sektorendenken überwinden und mehr zusammenarbeiten. Wir brauchen eine sektorenübergreifende Versorgung – und auch eine bessere Digitalisierung.
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