In der jüngsten Vergangenheit war der globale Kampf gegen HIV und AIDS nicht gerade von großen Fortschritten geprägt. Im Gegenteil: Die COVID-19-Pandemie und andere Krisen haben dazu geführt, dass die Bemühungen ins Stocken gerieten. Die finanziellen Ressourcen „sind geschrumpft, in der Folge sind Millionen Menschenleben in Gefahr“, erklärte UNAIDS im vergangenen Jahr. Ein Team des Unternehmens Economist Impact hat nun für 13 Länder in Subsahara-Afrika analysiert, welche gesundheitlichen, demografischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen weitere Investitionen in den Kampf gegen HIV/AIDS hätten. Die Ergebnisse sind auf rund 90 Seiten unter dem Titel „A Triple Dividend: The health, social and economic gains from financing the HIV response in Africa“ zusammengefasst.
„Dieser Bericht liefert Evidenz zu einem wichtigen Zeitpunkt – er sollte als Katalysator für politische Entscheidungen dienen“, findet Winnie Byanyima, geschäftsführende Direktorin von UNAIDS. Mit umfassenden finanziellen Mitteln könnte es demnach gelingen, die Zahl der neuen HIV-Infektionen um mindestens 40 Prozent und maximal 90 Prozent – je nach Land – zu reduzieren. Insbesondere könnten davon Mädchen und jungen Frauen profitieren. „Reduzierte Sterblichkeitsraten bei Erwachsenen […] verringern die Zahl an aufgrund von AIDS verwaisten Kindern“, heißt es in dem Report weiter. Insgesamt führt das dazu, dass mehr junge Menschen zur Schule gehen können und bessere Bildung erhalten – und dass ein größerer Teil der erwerbstätigen Bevölkerung im Arbeitsleben bleibt.
Letztlich kann dies ökonomisches Wachstum treiben. Würden ausreichende Investitionen getätigt, könnte zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Südafrikas bis 2030 um 2,8 Prozent steigen – das entspricht rund 17 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das Ganze macht sich also nicht nur unter gesundheitlichen Gesichtspunkten bezahlt. „Jeder Dollar, der zwischen 2022 und 2030 in Südafrika investiert wird, könnte Zugewinne beim BIP in Höhe von 7,20 US-Dollar mit sich bringen“, schreiben die Analyst:innen. HIV effektiver eindämmen: Das ist „eine Schlüsselkomponente für wirtschaftlichen Aufschwung, gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.“
HIV-Investitionen: Nicht ausreichend
Doch statt den von UNAIDS anvisierten 29,3 Milliarden US-Dollar pro Jahr waren 2021 nur 21,4 Milliarden US-Dollar für ärmere Länder verfügbar – fast 30 Prozent zu wenig. Die meisten finanziellen Mittel kamen aus den betroffenen Ländern selbst. Größter einzelner Geldgeber sind zudem die USA. Hinzu kamen Hilfen aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria sowie weitere internationale Zusagen. US-Sonderbotschafter Dr. John N. Nkengasong betont: „AIDS als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit zu beenden, erfordert politisches, programmatisches und finanzielles Leadership.“
Investitionen von heute können Ressourcen freimachen, um künftig andere Gesundheitsprobleme effizienter angehen zu können. Winnie Byanyima bestätigt: „Das wird es afrikanischen Ländern ermöglichen, resilientere Gesundheitssysteme aufzubauen und auf Pandemien der Zukunft besser vorbereitet zu sein“. Das wiederum ist die Basis für langfristiges Wirtschaftswachstum. Ausgaben für Gesundheit lohnen sich in dreifacher Hinsicht: Sie lassen sich nicht einfach auf Gesundheit reduzieren – sie strahlen auch auf Gesellschaft und Wirtschaft ab. Denn nur wer gesund ist, kann sich bilden, arbeiten gehen und Steuern zahlen oder sich gesellschaftlich engagieren.
Weiterführende Links:
UNAIDS-PRESS RELEASE: A Triple Dividend – Fully financing the HIV response in Africa
Weitere News
Ist das Ende der AIDS-Pandemie in Sicht?
Eine Expert:innenrunde machte sich anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember Gedanken darüber, wie ein „Ende der AIDS-Pandemie bis 2030“ erreicht werden könnte. Dabei zeigte sich: Trotz ambitionierter Ziele ist der Kampf gegen AIDS noch längst nicht gewonnen. Auch deshalb, weil Corona-Pandemie und restriktive LGBTQ-Gesetze zuletzt für weltweite Rückschläge sorgten. Aber es gibt auch gute Nachrichten.
AIDS-Pandemie beenden? Es braucht mehr Feminismus
„Die Welt wird AIDS nicht besiegen können, während sie das Patriarchat stärkt“, sagt Winnie Byanyima, Generaldirektorin vom Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS). Ein nun veröffentlichter Bericht zeigt: In vielen Teilen der Welt steigen die Infektionszahlen. Ein Grund: die Ungleichbehandlung von Frauen.
HIV: Die Ziele für 2025 sind in Gefahr
Die Weltgemeinschaft hat sich vorgenommen, die HIV-Epidemie bis zum Jahr 2030 zu beenden. Doch schon der Blick auf die Zwischenziele 2025 zeigt: Dazu müsste ein enormer Endspurt losgetreten werden. Denn COVID-19 und andere globale Krisen haben eine unübersehbare Bremsspur hinterlassen.