Mehr als 45 neue Medikamente und Impfstoffe gegen unterschiedlichste Krankheiten könnten im kommenden Jahr den Patient:innen zur Verfügung stehen. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff
Mehr als 45 neue Medikamente und Impfstoffe gegen unterschiedlichste Krankheiten könnten im kommenden Jahr den Patient:innen zur Verfügung stehen. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

Innovationsschub 2023: Mehr als 45 neue Medikamente erwartet

Mehr als 45 neue Medikamente und Impfstoffe gegen unterschiedlichste Krankheiten könnten im kommenden Jahr den Patient:innen zur Verfügung stehen. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) befürchtet allerdings, dass sich der Zugang zu Innovationen in Deutschland verschlechtern könnte. Der Grund sind die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verankerten neuen Spielregeln für die Erstattungspreise neuer Arzneimittel.

Das pharmazeutische Innovationstempo bleibt wohl auch im neuen Jahr hoch: Mit mehr als 45 neuen Medikamenten und Impfstoffen in Deutschland rechnet der vfa für das Jahr 2023. Das ergibt sich aus den beantragten oder kürzlich erteilten EU-Zulassungen für Arzneimittel. Dabei überwiegen Präparate gegen Krebs- und Infektionskrankheiten. 2022 wurden hierzulande 49 neue Wirk- und Impfstoffe eingeführt; im Jahr zuvor waren 46 Neueinführungen gewesen.

vfa-Präsident Han Steutel
vfa-Präsident Han Steutel. Foto: © vfa / B. Brundert

Das wären fast 150 Neueinführungen neuer Wirkstoffe und Impfstoffe in nur 3 Jahren. Ob der jüngste Innovationsschub allerdings ungeschmälert in der deutschen Versorgung ankommt, hält der Branchenverband nicht für ausgemacht. Dazu sagt vfa-Präsident Han Steutel: „Bislang konnten jedes Jahr fast alle neuen Medikamente zeitnah und auf Dauer in die deutsche Versorgung aufgenommen und damit Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Doch das im Januar in Kraft tretende GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) mit seinen weitgreifenden Rabattforderungen und Preisvorgaben erschwert das nun.“ Es sei offen, welche Medikamente tatsächlich eingeführt werden und auch nach den Preisverhandlungen als Therapieoptionen verfügbar bleiben, so Steutel. Das GKV-FinStG war Ende Oktober 2022 verabschiedet worden. Es sieht unter anderem massive Eingriffe in die Preisfindung von so genannten Schrittinnovationen und bei Kombinationspräparaten vor. Aber auch Orphan Drugs sind betroffen. Für den Spezialisten für seltene Erkrankungen, das US-Unternehmen Alexion, sind die Regelungen ein „Frontalangriff auf Arzneimittelinnovationen“, wie sein Geschäftsführer in Deutschland, Graham Skarnvad, erklärt hatte. 

Onkologie: Jedes 3. neue Medikament eine Krebstherapie

Jedes dritte neue Medikament, das in 2023 womöglich eingeführt wird, weil es die Zulassung in der Europäischen Union erhalten hat oder bald erhalten könnte, dürfte ein onkologisches Präparat sein. Der vfa rechnet mit neuen Therapien für Menschen mit Brust- oder Prostatakrebs, mit Speiseröhren-, Bauchspeicheldrüsen-, Leberzell- oder Gallengangkarzinom, mit nicht-klein-zelligem Lungenkarzinom, mit Melanom, Multiplem Myelom oder einer von vielen Formen von Leukämie oder Lymphom. Dafür werden unterschiedliche Arzneimittelklassen entwickelt. „Neben einigen Kinasehemmern könnten beispielsweise mehrere bifunktionale Antikörper eingeführt werden. Sie können gleich an zwei verschiedenen Stellen in die Krankheitsvorgänge eingreifen und beispielsweise Immunzellen in die Krebsbekämpfung einbeziehen“, heißt es beim vfa.

Onkologie: Jedes 3. neue Medikament eine Krebstherapie
Krebs: Neue Therapien erwartet. ©istock.com/peterschreiber.media

Einen weiteren Schwerpunkt bei den Neueinführungen werden die Infektionskrankheiten bilden; jede 5. Neueinführung dürfte der Bekämpfung von Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren gelten. So könnte es erstmals möglich werden, allen kleinen Kindern wie auch älteren Menschen einen Schutz vor RSV-Infektionen anzubieten – bislang gibt es das nur für Frühchen und Kinder mit bestimmten Erkrankungen. Das RS-Virus grassiert in der aktuellen Wintersaison besonders stark und ist ein Grund dafür, dass Kinderkrankenstationen lahmgelegt sind.

Neue Impfstoffe erwartet der vfa gegen Grippe und das Dengue-Fieber. „Für HIV-Patienten könnte erstmals ein Medikament zum Einsatz kommen, das nur noch halbjährlich angewendet werden muss. Auch das Repertoire für die Covid-19-Therapie könnte sich noch weitern.“

Zahlreiche Gentherapien am Behandlungshorizont

Krankheiten, die aufgrund angeborener Gendefekte entstehen, gelten als besondere Herausforderungen für Forschung und Entwicklung – die meisten von ihnen sind deshalb bis heute nicht ursächlich behandelbar. Viele haben unaussprechliche Namen wie die sehr seltene Fibrodysplasia ossificans progressiva (auch Münchmeyer-Syndrom), eine fortschreitende Verknöcherung des Binde- und Stützgewebes des menschlichen Körpers. Hier erwartet der vfa genauso eine Zulassung wie zur Behandlung der CDKL5-assoziierten Epileptischen Enzephalopathie, eine schwere seltene Erkrankung bei Kindern. Weitere Gentherapien werden im Jahr 2023 wohl für Menschen mit Hämophilie B (besonders seltene Form der Blutgerinnungsstörung) und Patient:innen mit Morbus Fabry (seltene Stoffwechselerkrankung) oder Morbus Pompe (eine so genannte Speichererkrankung) kommen. 

Zahlreiche Gentherapien am Behandlungshorizont
Gendefekte: Herausforderung für F&E. Foto: ©iStock.com/metamorworks

Die intensive Forschung der vergangenen Jahre könnte sich auch bei der Amyotrophen Lateralsklerose auszahlen, eine Erkrankung des Nervensystems, die bei den Betroffenen zu einer fortschreitenden Lähmung führt. Der Prozess lässt sich bislang medikamentös nur wenig verzögern. Der vfa: „Pharma-Unternehmen haben in den letzten Jahren jedoch intensiv an neuen Medikamenten gearbeitet. Ein bis zwei davon könnten 2023 die Versorgung erreichen.“

Weitere neue Präparate könnten auch für Diabetes Typ 2, Autoimmunkrankheiten wie Lupus-Nephritis oder Psoriasis, Osteoporose, Migräne und Anämie neu eingeführt werden. Angesichts der innovationsfeindlichen Weichenstellungen durch die jüngste Gesetzgebung heißt es beim vfa allerdings: „In einem Jahr wird man sehen, welche davon das deutsche Gesundheitssystem zugänglich gemacht hat.“

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