Es sind 39 Partner aus 13 Ländern – darunter Kliniken, Forschungseinrichtungen, Behörden, Pharmaunternehmen: Sie alle haben sich zu „OPTIMA“ zusammengeschlossen. Es ist ein mit mehr als 20 Millionen Euro ausgestattetes öffentlich-privates Forschungsprogramm. „Unsere Vision ist, dass alle Patient:innen Zugang zu modernster, individualisierter Behandlung und innovativen Therapien haben sollten“, heißt es auf der Projekt-Website. Das Konsortium will nichts weniger als die Krebsversorgung in Europa „revolutionieren“. Wie das gehen soll? Mittels sogenannter „Real World Data“ und Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI).
OPTIMA: Forschungsprojekt vor großen Herausforderungen
„Es geht im Wesentlichen um zwei Dinge“, erklärt Dr. Hagen Krüger. Er ist medizinischer Direktor der Onkologie-Sparte von Pfizer in Deutschland und EFPIA-Projektleiter bei OPTIMA. „Einerseits möchten wir durch OPTIMA sicherstellen, dass Patient:innen mit Brust-, Lungen- oder Prostatakrebs die für sie bestmögliche Therapie bekommen. Andererseits möchten wir mit dem Projekt Behandlungsrichtlinien ergänzen, wenn es dort keine Empfehlungen für bestimmte Patient:innengruppen gibt.“
Die Wissenschaftler:innen wollen also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Da ist die zunehmende Herausforderung, vor der Ärzt:innen stehen, wenn sie mit der Frage konfrontiert sind, welche der vielen, komplexen Therapien am besten zu einer konkreten Situation passt. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Erkenntnisse, die in klinischen Studien gewonnen wurden, nicht 1:1 auf die „reale Welt“ übertragbar sind. Doch medizinische Leitlinien, welche die Ärzteschaft bei Therapieentscheidungen unterstützen sollen, „basieren sehr oft auf großen klinischen Phase-III-Studien, die mit einem sehr homogenen Patient:innenkollektiv arbeiten“, so Dr. Krüger. „Man möchte ja in diesen Studien sehen, ob eine neue Therapie wirkt, und schließt deshalb beispielsweise alle Menschen aus, die noch eine andere Erkrankung haben.“ Doch wie wirksam ist ein klinisch erprobtes Arzneimittel zum Beispiel bei Personen, die noch andere Erkrankungen wie Asthma oder einen weiteren Tumor haben?
Krebstherapie verbessern: Mit Daten aus Behandlungsalltag
Um derartige Wissenslücken zu schließen, wollen die OPTIMA-Verantwortlichen auf Basis der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) „Daten aus dem Behandlungsalltag von über 200 Millionen Menschen“ mit Brust-, Lungen- und Prostatakrebs zusammenführen „und mit systematischen Forschungsfragen auswerten“, erläutert der Experte. Genutzt werden zum Beispiel Daten aus Krankenhäusern, elektronischen Patientenakten, Krebsregistern, von forschenden Pharmaunternehmen. Diese gilt es in ein standardisiertes Datenformat zu überführen – dann kommen Technologien wie Künstliche Intelligenz zum Einsatz. KI kann in der Masse an Informationen nach „Mustern“ suchen, sagt Dr. Krüger. „Gibt es ähnliche Patient:innen wie jene/n, der/die gerade behandelt wird? Lässt sich in den Daten ein Muster erkennen, dass die Leitlinienempfehlung tatsächlich auch für diese Patientin passt? Oder gibt es eine andere Therapie, die vielleicht weniger Nebenwirkungen hat oder eine bessere Lebensqualität ermöglicht?“
Die Forschenden wollen Ärzt:innen letztlich KI-basierte Entscheidungshilfen an die Hand geben können – die vor dem Hintergrund medizinischer Leitlinien und der Daten aus der „Real World“ dabei unterstützen, gemeinsam mit den Patient:innen die passende Therapie auszuwählen.
2021 haben sich die 39 Partner zusammengetan – bis 2026 soll es „OPTIMA“ in die Versorgung schaffen. Es wäre „die erste interoperable, EU-Datenschutz-konforme Plattform für so genannte Real-World-Daten in der Onkologie“, weiß Dr. Krüger. Das klingt tatsächlich nach Revolution – gerade aus der Sicht Deutschlands, das in Sachen Digitalisierung bekanntermaßen noch viel Aufholbedarf hat.
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