Zuerst die gute Nachricht in Sachen Typ-2-Diabetes: Zwischen 2014 und 2019 sank über alle Altersgruppen gesehen die Inzidenzrate – bei Frauen von 6,9 auf 6,1 pro 1.000 Personen, bei Männern von 8,4 auf 7,7 pro 1.000 Personen. „Das entspricht einer jährlichen Verringerung um jeweils 2,4 Prozent und 1,7 Prozent“, schreiben die Forschenden um Dr. Thaddäus Tönnies vom Institut für Biometrie und Epidemiologie am DDZ in einer Publikation im Ärzteblatt. Die Arbeit weist „erstmals auf leicht sinkende Neuerkrankungsraten“ hin, betont DDZ-Direktor Professor Michael Roden.
Grund zur Freude? Nicht wirklich. Zum einen ist die „Zahl der Neuerkrankungen immer noch immens“, sagt Dr. Tönnies. Zum anderen ist in der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen eine unschöne Entwicklung zu beobachten: Hier steigt die Inzidenzrate jährlich an (s. Grafik). „Typ-2-Diabetes ist definitiv keine Krankheit des Alters mehr. Es erhalten immer häufiger junge Menschen die Diagnose Typ-2-Diabetes.“
Diabetes in Deutschland weiter auf dem Vormarsch
Professor Oliver Kuß, Leiter des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am DDZ, verweist zudem auf „die immer besser werdende medizinische Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes“. Sie führe „zu einer höheren Lebenserwartung und damit auch zu einem größeren Anteil erkrankter Personen an der Gesamtbevölkerung.“
Die Wissenschaftler:innen resümieren: „In Anbetracht der hohen aktuellen und zukünftigen Krankheitslast des Typ-2-Diabetes in Deutschland sollten die Ergebnisse nicht dazu veranlassen, Bemühungen zur effektiven Prävention […] zu vernachlässigen“. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft empfehle etwa die „Einführung einer nach Nährwertprofil gestaffelten Mehrwertsteuer oder die verpflichtende Kennzeichnung mit dem Nutri-Score für alle Lebensmittel“. Und: „Durch den demografischen Wandel wird die Anzahl von Menschen mit Typ-2-Diabetes in hohen Altersgruppen in den kommenden Jahrzehnten vermutlich deutlich zunehmen. Die diabetologischen Versorgungsstrukturen sollten entsprechend angepasst und ausgebaut werden“, heißt es in der Veröffentlichung.
Die Forschenden plädieren dafür, die Situation „weiterhin intensiv“ zu beobachten. Der Trend zu insgesamt sinkenden Neuerkrankungsraten könne sich „rasch wieder umkehren“. Beispiel Dänemark: „Dort wurden zwischen 2011 und 2014 sinkende, zwischen 2014 und 2016 allerdings wieder steigende […] Inzidenzraten beobachtet“. Entspannt zurücklehnen kommt also nicht in Frage – es bleibt viel zu tun, um diese „Pandemie“ besser unter Kontrolle zu kriegen.
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