
Das Mammographie-Screening ist ein freiwilliges Programm zur Früherkennung von Brustkrebs – eingeladen werden Frauen zwischen 50 und 75 Jahren ohne Symptome. Mittels einer Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust soll ein Tumor bestenfalls in einem sehr frühen Stadium entdeckt werden. Denn dann ist die Prognose, die Chance auf Heilung, am größten. Eine Untersuchung über mehrere Jahre hat gezeigt: Die Teilnahme am Screening kann das Risiko, an Brustkrebs zu versterben, senken. Gegenüber der Tagesschau ordnete Dr. Elke Nekolla, Epidemiologin beim Bundesamt für Strahlenschutz, die Ergebnisse beispielhaft ein: „Von 1.000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die nicht zur Früherkennung gehen, sterben 19 irgendwann an Brustkrebs. Von 1.000 Frauen, die zehn Jahre lang jedes zweite Jahr teilnehmen, sterben 13 bis 15. Also werden vier bis sechs gerettet.“
Mammographie: One Size Fits All?
Prof. Dr. Christiane Kuhl, Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie, machte in einem Vortrag auf die Limitationen der Mammographie aufmerksam. Demnach profitieren über ein Drittel der Frauen, die zum Untersuchungszeitraum Brustkrebs haben, nicht von der mammographischen Früherkennung – entweder wird ihr Mammakarzinom gar nicht oder nicht früh genug entdeckt. „Das Grundmodell aller aktuell laufenden Screening-Programme ist in den 1970er-Jahren aufgelegt und seither nicht mehr großartig verändert worden.“ Alle Frauen erhalten von demselben Alter an bis zum selben Alter in demselben Intervall dieselbe Maßnahme: „Das ist das, was man One Size Fits All nennen kann, und ist das Gegenteil von dem, was man unter personalisierter Früherkennung verstehen würde“, findet die Expertin.

Dabei ist seit den 1970er-Jahren viel passiert. Zum Beispiel weiß die Wissenschaft heute, „dass das Mammakarzinom eine ganze Gruppe sehr verschiedener Erkrankungen ist – von schnarchnasig bis zu wirklich richtig bösartigen Varianten. Wir müssen nicht jede Vorstufe und jeden Brustkrebs gleichermaßen früh finden.“ Ziel sei vielmehr „genau die Mammakarzinome sicher früh zu finden, die unerkannt und unbehandelt Lebenszeit kosten würden. Wir haben seit den 1970er-Jahren außerdem gelernt, dass sich die Leistungsfähigkeit der Mammographie von Frau zu Frau und auch je nach Tumorbiologie unterscheidet.“ Gerade bei sehr dichtem Drüsengewebe sei Brustkrebs per Mammographie nicht erkennbar. Und besonders aggressive Karzinome wie der sogenannte tripel-negative Brustkrebs könnten „in der Bildgebung vollkommen harmlosen Veränderungen wie Zysten“ ähneln. Die Expertin fasste zusammen: „Die Mammographie fördert die Diagnose von Vorstufen und eher langsam wachsenden Karzinomen und scheitert insbesondere an der Früherkennung vieler prognostisch relevanter Karzinome. Und dichtes Drüsengewebe verstärkt das Problem zusätzlich.“
Brustkrebsfrüherkennung: Intelligenter MRT-Einsatz
Das Gute ist: Nicht nur das Wissen, auch die Technologien haben sich seit den 1970er-Jahren weiterentwickelt – darunter das MRT für die Brustkrebserkennung. Mit Blick auf entsprechende Studiendaten resümierte Prof. Dr. Kuhl: „MRT verbessert die Brustkrebs-Früherkennung, vermeidet Intervallkarzinome , vermeidet zu späte Brustkrebs-Diagnosen.“ Quasi im Gegensatz zur Mammographie gilt hier: „Je schneller ein Mammakarzinom wächst, je metastasierungsbereiter es ist, desto sicherer wird es durch die MRT diagnostiziert.“ MRT für alle? Nein – es sollte risikoadaptiert vorgegangen werden. Also: „Eine MRT gezielt für diejenigen, die sie brauchen“.
Aber wer ist das? Gut, dass sich auch diesbezüglich seit den 1970er-Jahren viel getan hat: „Wir wissen heute, welche Frauen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Und wir können sogar ermitteln, wer ein besonderes Risiko hat, ein mammographisch nicht sichtbares Mammakarzinom zu haben – mit einer Präzision, die bis vor Kurzem unvorstellbar war.“ Dazu gehören unter anderem eben die Frauen mit extrem dichtem Drüsengewebe – sichtbar über eine Mammographie. Die European Society Of Breast Imaging (EUSOBI) empfiehlt daher seit 2022 in ihrer Leitlinie, dass Frauen nach einem Screening über ihre Brustdichte informiert werden und ihnen bei extrem dichtem Gewebe eine zusätzliche kontrastmittelgestützte MRT-Untersuchung angeboten wird.

Prof. Dr. Kuhl wünscht sich darüber hinaus eine „personalisierte Früherkennung mit KI-basierter Risiko-Stratifizierung“. Sie „wird es uns ermöglichen, zusätzlich solche Frauen zu identifizieren, die unabhängig von ihrer Brustdichte ein MRT zur Früherkennung benötigen.“ Prof. Dr. Kuhl verwies auf die ScreenTrustMRI-Studie, in der Künstliche Intelligenz zum Einsatz kam: „Der Algorithmus hat die 7 Prozent der Frauen mit dem höchsten Risiko identifiziert; daraufhin wurden die Frauen randomisiert und es wurde ihnen zum Teil eine MRT angeboten. Das Ergebnis ist, dass wir bei diesem Arm eine Karzinom-Detektionsrate haben, die es in der Geschichte der Früherkennung noch nicht gegeben hat.“
Die Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie ist überzeugt: „Die Früherkennung des Mammakarzinoms muss sich grundlegend ändern. Wir brauchen eine Transformation, weg von One Size Fits All.“
Brustkrebs: Schon in jungem Alter?!
Was ist eigentlich mit den Frauen, die unter 50 Jahre sind und daher noch nicht für das Früherkennungsscreening in Frage kommen? Es gebe „aktuell Studien dazu, um zu klären, ob man da mit Sonographie oder mit MRT weiterkommen kann“, weiß Prof. Dr. Kuhl. Eine Lösung gibt es noch nicht. Feststeht: Weil das Erkrankungsrisiko niedriger als in höherem Alter ist, ist eine routinemäßige Mammographie „nicht sehr kosteneffektiv“. Außerdem haben junge Frauen „überproportional häufig dichtes Drüsengewebe“. Gleichzeitig entwickeln gerade sie vergleichsweise oft „biologisch aggressive Mammakarzinome, für die die Mammographie sowieso blind ist.“
Das tripel-negative Mammakarzinom (TNBC) ist so „eine Tumorart, die leider auch jüngere Patientinnen betrifft, also Patientinnen deutlich unter 40, teilweise in prekären Lebenssituationen, weil sie mitten im Aufbau stehen, eine Familie planen, beruflich durchstarten. Sie denken oft nicht, dass sie betroffen sein könnten“, sagte Sabine Weissinger, die beim biopharmazeutischen Unternehmen Gilead Sciences in Deutschland die Geschäftsbereiche HIV und Onkologie verantwortet. Sie warb auf der Veranstaltung für mehr „Brustkrebs Awareness“ gerade auch bei jüngeren Frauen. „Da spielen auch Influencer eine ganz große Rolle, also sprich Role Models, die diese Gruppe erreichen“. Zudem seien „Selbsthilfegruppen unheimlich wichtig, das sind Experten der eigenen Sache.“ Elke Naujokat bestätigte das – der Frauenselbsthilfe Krebs Bundesverband, bei dem sie Vorsitzende ist, trägt unter anderem dazu bei, Informationen über die Selbsthilfegruppen an die Menschen weiterzureichen. Dazu gehört Aufklärung darüber, wie das Selbstabtasten der Brust funktioniert.

Darüber hinaus möchte Dr. Lina Seitzl, Abgeordnete der SPD im Deutschen Bundestag, „dass jede Frau einen Gynäkologen, eine Gynäkologin hat, zu dem sie regelmäßig geht, der oder die entsprechend ausgebildet ist, den neuesten Stand der Forschung kennt und dann natürlich Awareness schafft.“ Es ist keine leichte Aufgabe – auch, weil sich in der Brustkrebs-Forschung so viel tut. „Da gibt es jede Menge an Innovationen“, erklärte Weissinger. „Es gibt da Immuntherapien, die Checkpoint-Inhibitoren zum Beispiel; oder die Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs); neue Darreichungsformen“. Und auch im Bereich der Diagnostik und Früherkennung wird immer weitergearbeitet. Wie wichtig das ist – das hat die Expertinnen-Runde vom Tagesspiegel mehr als deutlich gemacht.
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