Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit will in Deutschland neue Forschungswege eröffnen – wie das genau funktioniert, war Thema einer Online-Veranstaltung. Foto: ©iStock.com/metamorworks
Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit will in Deutschland neue Forschungswege eröffnen – wie das genau funktioniert, war Thema einer Online-Veranstaltung. Foto: ©iStock.com/metamorworks

Forschungsdatenzentrum Gesundheit: Bald könnte es losgehen

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt entsteht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seit rund 5 Jahren das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ). Was es mit dem FDZ auf sich hat, wie es funktioniert, wie es die Forschungslandschaft in Deutschland bereichern könnte und welche grundlegende Neuerung – vielleicht – im ersten Quartal 2025 ansteht, darüber berichtete FDZ-Sprecherin Rebecca Alvarado bei einem Online Event der Initiative „Data Saves Lives Deutschland“ (DSL).

Nehmen wir das Beispiel Long Covid. Bekannt ist, dass es diese Krankheit gibt, dass sie Symptome wie extreme Müdigkeit oder Schmerzen auslösen kann – „aber wir verstehen noch nicht viel von der Erkrankung selbst“, so Rebecca Alvarado. Stattdessen gebe es viele offene Fragen zu den Ursachen und Mechanismen von Long Covid. Das FDZ verfüge über Daten, die dabei helfen könnten, diesen Ursachen auf die Spur kommen und Fragen wie diese zu beantworten: „Gibt es Vorerkrankungen, die Long Covid begünstigen? Welche Gruppe ist besonders betroffen? Welche Medikamente helfen bei der Behandlung?“ Daten, die Antworten liefern, liegen dem FDZ vor – und sie könnten die Grundlage bilden für Forschungsansätze, mit denen die Wissenschaft den Ursachen von Long Covid näher kommen könnte.

Daten von 73 Millionen Menschen

Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit
Beim BfArM in Bonn angesiedelt: Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit. Foto: BfArM / Frank Rümmele

Doch um welche Daten geht es genau? „Das FDZ Gesundheit bündelt Abrechnungsdaten aller gesetzlich versicherten Personen in Deutschland“, erklärte Alvarado, „das sind 73 Millionen Menschen.“ Diese Krankenkassen-Daten verraten zum Beispiel, an welchen anderen Krankheiten ein Long-Covid-Patient leidet oder in welcher Altersgruppe besonders viele dieser Patient:innen zu finden sind.

Das FDZ will diese Informationen aber nicht an alle möglichen Interessent:innen weitergeben, sondern hat einen nicht ganz unkomplizierten Zugangsweg entwickelt, den Alvarado so zusammenfasst: „Recherche – Metadatenkatalog – Antrag – Trainingsdaten in virtuellem Analyseraum – FDZ analysiert das Ergebnis – FDZ prüft auf Re-Identifikation – Forschende erhalten Daten.“

Etwas einfacher formuliert: Wer mit bestimmten Daten arbeiten will, muss zunächst genau erklären, welche Fragen diese Daten beantworten sollen – etwa die Frage danach, ob Menschen ab 50 häufiger von Long Covid betroffen sind als jüngere Personen. Das FDZ erstellt dann eine Datensatzbeschreibung, aus der hervorgeht, ob es Datensätze gibt, die zu der Frage passen. Falls das der Fall ist, kann ein Antrag auf Datennutzung gestellt werden – immerhin, und darauf wies Alvarado explizit hin, „ist nur ein einziger Antrag nötig.“ Darin müssen auch die Nutzungszwecke angegeben werden, wie etwa wissenschaftliche Forschung, Arzneimittelsicherheit, Verbesserung der Versorgungsqualität oder Ressourcenplanung bei der Versorgung. Wenn der Nutzungszweck den gesetzlichen Vorgaben entspricht, dann erhalten die Antragstellenden „Zugang zu einem virtuellen Analyseraum“, wo sie mit den Daten arbeiten können. Will heißen, so Alvarado: „Die Daten bleiben im System und werden nicht verschickt.“ Und: „Wir geben so viele Daten wie nötig heraus und so wenige wie möglich.“ Damit solle eine „Balance zwischen Sicherheit und Nutzbarkeit“ erreicht werden.

Keine Daten für Werbezwecke

Geplant ist, dass ab kommenden Sommer auch freigegebene Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) – „stufenweise und anonymisiert“ – beim FDZ Gesundheit gebündelt werden. „Wir fangen mit dem Medikationsplan an“, so Alvarado, „danach sollen weitere Schritte folgen.“ Einen Antrag auf die Nutzung der FDZ-Daten können grundsätzlich alle Menschen stellen – Forschende aus Wissenschaft und pharmazeutischer Industrie ebenso wie Patient:innenorganisationen. Alvarado: „Allerdings braucht jeder Antrag eine Bund ID, er muss also echten Personen zuzuordnen sein.“ Und es gibt Verwendungszwecke, die ausdrücklich verboten sind: So dürfen die Daten nicht für Marktforschung, Werbung oder Vertriebstätigkeit verwendet werden, ebenso wenig zum Gestalten von Versicherungsverträgen oder zur Entwicklung gesundheitsschädlicher Produkte, wie etwa Tabakprodukte.

Bearbeitet werden müssen die Anträge nach Alvarados Aussage „innerhalb von drei Monaten, in Ausnahmefällen können es auch vier Monate sein.“ Zudem können Anfragen auch „priorisiert“ bearbeitet werden – etwa, wenn schnelle Ergebnisse zu Impfungen oder anderen Behandlungsmöglichkeiten im Falle einer Pandemie benötigt werden.

Das Ziel dahinter

Forschungsdatenzentrum Gesundheit: Bald könnte es losgehen
Elektronische Patientenakte: Medizinische Versorgung verbessern. Foto: ©iStock.com/metamorworks

Das große Ziel des FDZ ist nach Alvarados Worten, „die medizinische Versorgung von Patient:innen zu verbessern – indem wir Forschung möglich machen, die bisher so in Deutschland noch nicht möglich war.“ Kleiner Wermutstropfen: Bislang (Stand 09. Oktober 2024) können beim FDZ keine Anträge gestellt werden. Rebecca Alvarado: „Eine Antragstellung ist wahrscheinlich ab dem ersten Quartal 2025 möglich“ – sicher sei das jedoch nicht. Auf der FDZ-Website heißt es dazu: „Das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit befindet sich im Aufbau. Der Aufbau wird phasenweise erfolgen. Zurzeit können leider noch keine Anträge gestellt werden, da aktuell die rechtlichen, technischen personellen und organisatorischen Maßnahmen des neuen Forschungsdatenzentrums definiert und implementiert werden. Anträge können voraussichtlich Anfang 2025 online über diese Website gestellt werden.“

DSL Deutschland-Gründerin Birgit Bauer hofft, dass die FDZ-Daten möglichst schnell und umfassend genutzt werden können. Sie sprach sich zudem dafür aus, die Forschungsergebnisse dann auch den Patient:innen zugänglich zu machen, und zwar „in einer verständlichen Sprache.“ Denn: „Wir Patient:innen müssen immer wieder Entscheidungen treffen.“ Forschungsergebnisse könnten „ein entscheidendes Puzzleteil sein, das wir dafür brauchen.“

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