In dieser Woche findet im Bundeskanzleramt der Pharmagipfel statt. Dort soll über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland gesprochen werden. Im Interview: CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Georg Kippels. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff
In dieser Woche findet im Bundeskanzleramt der Pharmagipfel statt. Dort soll über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland gesprochen werden. Im Interview: CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Georg Kippels. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

Gesundheitssystem: „Säule für den sozialen Frieden“

In dieser Woche findet im Bundeskanzleramt der Pharmagipfel statt. Dort soll über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland und über Handlungskonzepte für den Forschungs- und Produktionsstandort diskutiert werden. Ein solches Gespräch hatte die Pharmaindustrie seit langem gefordert; sie sieht spätestens seit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eine innovationsfeindliche Politik am Werk. Ein Gespräch mit Dr. Georg Kippels, CDU/CSU Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit.

Herr Dr. Kippels: Wie wichtig ist für Deutschland eine leistungsfähige, innovative Gesundheitswirtschaft?

Dr. Georg Kippels, CDU/CSU Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit
Dr. Georg Kippels, CDU/CSU. Foto: ©Deutscher Bundestag | Inga Haar |

Dr. Georg Kippels: Kurz formuliert: Sehr wichtig. Warum? Wir sind 82 Millionen Menschen mit einer steigenden Alterskurve. Gesundheit als Thema ist allgegenwärtig und die Erwartung an das Gesundheitssystem ist groß. Dem wollen wir entsprechen und dafür brauchen wir Medizinprodukte, Arzneimittel, die Akteure im niedergelassenen und stationären Bereich, wir brauchen Versorgungssicherheit. Ich halte ein funktionierendes Gesundheitssystem für eine der maßgeblichen Säulen für einen sozialen Frieden.

Die Voraussetzungen für einen leistungsfähigen Gesundheitsstandort sind erstmal nicht so schlecht: Wir haben Wissenschaftler:innen von Weltruf, eine gute Infrastruktur, eine breit aufgestellte Pharmaindustrie. Wie sehen sie das?

Kippels: Ja, haben wir – noch. Wir schauen als ehemalige Apotheke der Welt auf ein gewisses Erbe zurück, mit bahnbrechenden Erfindungen, Wissenschaftlern, die Großes geleistet haben, und einer pharmazeutischen Industrie, die weltweit Standards gesetzt hat. Aber wir haben eben auch seit 2004 mit den verschiedensten Instrumenten – Rabattverträge, Herstellerabschläge, Einführung des AMNOG – zwar durchaus berechtigte Maßnahmen ergriffen, um das Gesundheitssystem bezahlbar zu halten. Aber ich denke, man hat nicht immer unmittelbar die Folgen auf Forschung, Wissenschaft und Pharmastandort gespiegelt. Allerdings sage ich auch in Richtung Pharmaunternehmen: Ihr habt jahrelang immer alles geschluckt, was an Sparmaßnahmen verlangt wurde. Aber jetzt ist der Nagel runtergebrannt, jetzt wird es ernst.

Sie meinen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz…

Kippels: Es ist eines dieser Gesetze in einer Reihe von Gesetzen, bei denen nicht sorgfältig gearbeitet wurde. Dabei wurde der größte Posten – die Krankenversicherung der Menschen, die Bürgergeld beziehen – gar nicht angegangen. Der kostet die GKV ungefähr 10 Milliarden Euro im Jahr, gehört da aber gar nicht hin, weil das eine Sozialleistung ist, die eigentlich das Sozialministerium finanzieren müsste. Statt sich die versicherungsfremden Leistungen der GKV anzuschauen, hat man bei der Suche nach Milliarden auf ein Klein-Klein gesetzt. Und das mit dem Fokus auf Arzneimittel, wo schon in der Entstehung des Gesetzes viele Experten gesagt haben: Das sind sehr überschaubare Beträge, die zudem noch mit einem irren bürokratischen Aufwand verbunden sind. Aber so ist es gekommen: Die Veränderungen am AMNOG – die berühmten Leitplanken – haben sich nicht bewährt, der Kombinationsabschlag…

GKV-FinStG
GKV-FinStG: Eine Innovationsbremse. Foto: ©iStock.com/AndreyPopov

…von dem bis heute kein einziger abgerechnet ist…

Kippels: Eben. Das zeigt schon, dass keiner der Akteure, weder die Krankenversicherer noch die Pharmaindustrie noch der Gemeinsame Bundesausschuss mit dem Thema klarkommen. Und damit ist es untauglich.

Immerhin: Die Regelungen sollen ja evaluiert werden.

Kippels: Ja. Das ist absolut überfällig. Jetzt wäre die Zeit der Selbstkritik. Das muss auf den Prüfstand, damit nicht weiterer Flurschaden entsteht. Das Ministerium Lauterbach hat bereits verlauten lassen, dass es keine negativen Effekte auf die Versorgung sieht. Das kann ich angesichts von bereits 5 nicht mehr in Deutschland verfügbaren neuen Arzneimitteln nicht nachvollziehen.

In der forschenden Pharmaindustrie wundert man sich sowieso, dass man mit Preisschrauben an patentgeschützten Präparaten, die nur rund 7 Prozent der gesamten Ausgaben der GKV ausmachen, ein System reformieren will, dem Milliarden fehlen. Wie sehen Sie das?

Kippels: Genauso. Zumal die patentgeschützten Arzneimittel die sind, von denen man hofft, dass sie in der Versorgung Vorteile bringen – und zwar nicht nur für den Patienten, sondern auch für das Gesamtsystem, weil die Betroffenen hoffentlich schneller wieder gesund werden. Nur: Wenn wir so mit Arzneimittelinnovationen umgehen, dann fallen die Anreize weg, solche zu entwickeln. Und: Forschende Unternehmen brauchen Planungssicherheit, die über das nächste Frühjahr hinausgehen. Die Entwicklung dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte – und der Innovator muss sich darauf verlassen können, dass die Rahmenbedingungen stabil bleiben. Das ist auch das, was ich aus der Pharmaindustrie höre. Die sagen mir: Wir wollen keine Subventionen. Wir wollen nur zuverlässig arbeiten, zuverlässig kalkulieren können.

Kanzleramt: Hier findet am 30.11. der Pharmagipfel statt. ©iStock.com/hanohiki

Die Pharmaindustrie vermisst den Dialog mit der Politik, weil sie der Meinung ist, dass ihr Beitrag für den Wohlstand des Landes nicht anerkannt wird. Nun soll es zum Pharmagipfel im Bundeskanzleramt kommen. Wie bewerten Sie das?

Kippels: Eine erfolgreich arbeitende Pharmaindustrie hat viel Potenzial für unsere Wirtschaft, das gehoben werden kann und muss – wir müssen in den Dialog kommen. Deshalb finde ich es gut, dass nun der Pharmagipfel im Bundeskanzleramt stattfinden soll; ich halte ihn ehrlich gesagt für überfällig. Beim Thema Gesundheit geht es eben nicht nur um Gesundheit; es ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der uns sehr viel bringt: 12 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, rund 1 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um nur 2 Zahlen zu nennen. Ich hoffe, dass der Termin nicht nur kosmetischen Charakter hat. Er muss dazu führen, dass wir uns mit den Themen der Akteure – und hier insbesondere der Partner aus der Industrie – konstruktiv auseinandersetzen. Davon profitieren wir am Ende alle.

Weiterführender Link:
Dr. Georg Kippels, CDU

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