
Brasilien, Mauritius, Türkei und die Niederlande – das sind die einzigen Länder, in denen der Gesetzgeber das gesamte WHO-Paket MPOWER umgesetzt und damit beschlossen hat, seine Bevölkerung vor einem Produkt zu schützen, das für 15 Prozent aller Todesfälle verantwortlich ist – oder 17 Prozent, wenn man die Todesfälle als Folge von Passivrauchen noch hinzurechnet. Weitere sieben Länder (Äthiopien, Irland, Jordanien, Mexiko, Neuseeland, Slowenien und Spanien) stehen kurz davor. Hinter dem Akronym MPOWER stehen sechs Strategien, die laut WHO bewiesen haben, dass sie Menschen vor einem der gefährlichsten Produkte überhaupt schützen kann, wenn sie konsequent umgesetzt werden:
- Monitor: Überwachung des Tabakkonsums und von Präventionsstrategien
- Protect: Menschen vor Tabakrauch schützen
- Offer: Hilfe zur Tabakentwöhnung anbieten
- Warn: Vor den Gefahren des Tabakkonsums warnen
- Enforce: Werbeverbote und Sponsoringeinschränkungen durchsetzen
- Raise: Tabaksteuern erhöhen
In ihrem Report schreibt die WHO, dass „über 6,1 Milliarden Menschen, also drei Viertel der Weltbevölkerung, durch mindestens eine derartige Police geschützt“ sind; im Jahr 2007 waren es lediglich eine Milliarde. „MPOWER bietet Ländern bewährte, kosteneffiziente Strategien zur Reduzierung des Tabakkonsums. Die Ergebnisse sprechen für sich: Millionen gerettete Leben, sinkende Raucherquoten und ein Wandel in der öffentlichen Einstellung zur Tabakkontrolle“, sagt WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Rauchen: Cool auf Social Media

Deutschland, das zeigt nicht nur dieser Bericht, hat Nachholbedarf. Zwar wurden in den vergangenen Jahren vor allem bei Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen, Rauchverboten in öffentlichen Räumen und Angeboten zur Tabakentwöhnung Fortschritte erzielt. Aber es gibt weiterhin Lücken bei der Tabakwerbung, insbesondere im Außenbereich, beim Sponsoring und in den sozialen Medien, wo Werbeverbote konsequent unterlaufen werden. So hat sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Auftritte von 60 Deutsch-Rappern angeschaut und festgestellt, dass fast die Hälfte von ihnen (26) Shisha-Tabak oder E-Zigaretten vermarktet. „Unsere Untersuchung zeigt, dass die bestehenden Werbebeschränkungen für Tabak und E-Zigaretten von den Behörden in Deutschland nicht konsequent kontrolliert und umgesetzt werden“, so hatte DKFZ-Präventionsexpertin Katrin Schaller die Ergebnisse bei der Vorstellung kommentiert. „Die Social-Media-Plattformen setzen ihre eigenen Regeln, nach denen Tabak nicht beworben werden darf, nicht ausreichend um. Daher müssen die zuständigen Landesbehörden, die das gesetzliche Tabakwerbeverbot kontrollieren müssen, endlich auch im Bereich der sozialen Medien aktiv werden“.
Rauchen: Viele Tote, milliardenschwere Kosten
Auch das Bundesgesundheitsministerium hat sich mit dem Thema befasst und eine Medienbeobachtung mitfinanziert. Das Ergebnis: Werbung für Tabakerhitzer und E-Zigaretten ist auf Plattformen wie Instagram, Facebook oder Pinterest trotz Verbotes weit verbreitet „und für die meist jungen Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen zugänglich.“ Auch in Sachen Tabaksteuern gilt Deutschland im internationalen Vergleich als eher moderat.
All das bleibt nicht ohne Folgen: Schätzungsweise 143.000 Menschen sterben hierzulande an den Folgen des Rauchens, so das Online-Statistikportal Statista. Rauchen verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten: Eine Untersuchung des DKFZ geht von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr aus, die es den Staat kostet – die Tabaksteuer deckt davon nur einen kleinen Teil ab. Das Rauchen konsequenter einzudämmen wäre auf lange Sicht auch ein kleines Konjunkturprogramm.
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