Brief nach Berlin: Die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG) hat zehn Kernpunkte formuliert, damit die Politik die Situation von Menschen mit MS nachhaltig verbessert. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn
Brief nach Berlin: Die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG) hat zehn Kernpunkte formuliert, damit die Politik die Situation von Menschen mit MS nachhaltig verbessert. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn

Multiple Sklerose: Ein Forderungskatalog an die Politik

Brief nach Berlin: Wenn Wahlkampf ist, bemühen sich alle Interessensvertreter:innen darum, öffentlich Gehör zu finden; schließlich will man optimalerweise noch Eingang finden in den nächsten Koalitionsvertrag. Die Interessen von chronisch kranken Menschen gehen da oft unter – sie haben nicht die Power von großen Konzernen oder mächtigen Pressure-Groups. Die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG) hält trotzdem gegen: Sie hat zehn Kernpunkte formuliert, um die Situation von Menschen mit MS nachhaltig zu verbessern.
Infotext: Multiple Sklerose
Die Nervenkrankheit MS ist eine Autoimmunkrankheit. Foto: ©iStock.com/Zerbor

300.000 Menschen leben in Deutschland mit Multipler Sklerose (MS) – und jedes Jahr kommen rund 15.000 hinzu. Die Nervenerkrankung, die zu den Autoimmunerkrankungen gehört, wird auch die „Krankheit der 1000 Gesichter“ genannt, so unterschiedlich und individuell kann sich die MS manifestieren: „Fehlgeleitete Zellen des Immunsystems greifen das zentrale Nervensystem an und lösen so in Gehirn und Rückenmark Entzündungen aus, die zu einer Vielfalt von Symptomen und sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufen führen können“, heißt es bei dasGehirn.info, einer Infoseite der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. Der DMSG „geht es nicht nur um eine bestmögliche medizinische Versorgung, sondern auch um Erleichterungen für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, wie die Vorsitzende Professorin Dr. med. Judith Haas und Claudia Schilewski vom Bundesbeirat MS-Erkrankter im Vorwort für das „Forderungspapier der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zur Bundestagswahl 2025“ schreiben. In der Vision des gemeinnützigen Bundesverbandes heißt es, dass er sich für eine „nach aktuell wissenschaftlich anerkanntem Stand der Medizin entsprechende Versorgung in adäquater Zeit, ganz gleich wo in Deutschland“ einsetzt. „Darüber hinaus muss in allen Lebensbereichen ein selbstbestimmtes und würdiges, gleichberechtigtes Leben möglich sein. Dafür sollten vorhandene Barrieren, die eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen behindern, weiter und zügig abgebaut werden.“

Multiple Sklerose: Die Versorgung der Menschen stärken

Multiple Sklerose: Die Versorgung der Menschen stärken
Die Versorgung von Menschen mit MS stärken. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn

Punkt 1 des Katalogs: Die Versorgung von Menschen mit MS stärken. Dafür soll die Diagnose („komplex und nur durch Ausschluss anderer Erkrankungen möglich“) in geeigneten Zentren stattfinden. Ähnlich wie bei den Tumorboards in der Onkologie sollten die Voraussetzungen für interdisziplinäre MS-Konferenzen geschaffen werden. Ausdrücklich begrüßt der Verband die Einführung der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV-MS, seit 2012), die gezielt die Diagnostik und Behandlung von Menschen mit komplexen Krankheitsverläufen übernehmen soll; er beklagt aber, dass regionale Besonderheiten die Umsetzung der ASV verhindern. Außerdem will die DMSG die Rolle der „MS-Schwestern“ gestärkt sehen, um ein „modernes, ganzheitlich orientiertes Krankheits-Management“ zu ermöglichen. Der Verband wünscht sie sich „pharmaunabhängig.“

Ein Punkt im Forderungskatalog ist die Stärkung der Rechte von Patient:innen, aber auch ihrer pflegenden Angehörigen, deren Absicherung nicht ausreichend sei, „um deren wichtige Care-Arbeit langfristig zu erhalten.“ Dazu brauche es mehr Entlastungsangebote, wie etwa Kurzzeitpflege. „Das sind ganz zentrale Forderungen, um die Lage von pflegenden Angehörigen, aber auch den Betroffenen mit Pflegebedarf, zu verbessern“, so Claudia Schilewski.

Soziale Folgen der MS: ein höheres Armutsrisiko

Menschen mit MS leiden nicht nur an der Krankheit, sondern auch an sozialen Folgen. „Häufiger als im Durchschnitt der Allgemeinbevölkerung zwingt die Krankheit Betroffene dazu, in Teilzeit zu arbeiten oder früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, was mit erheblichen finanziellen Einbußen und einem höheren Armutsrisiko insbesondere im Alter einhergeht“, heißt es in dem Papier. Um gegenzusteuern, fordert die DMSG:

Soziale Folgen der MS: ein höheres Armutsrisiko
MS: Betroffene leiden auch an sozialen Folgen. Foto: ©iStock.com/Halfpoint
  • Konsequente Umsetzung des Prinzips „Reha vor Rente“ – so sollten Rehabilitationsmaßnahmen flächendeckend zugänglich sein.
  • Stärkung des Inklusiven Arbeitsmarktes – durch neue Förderprogramme für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen bzw. der Anpassung vorhandener Instrumente.
  • Reform des Rentensystems – durch die armutsfeste Gestaltung der Erwerbsminderungsrente, um MS-Erkrankte besser abzusichern.

Außerdem fordert der gemeinnützige Verband mehr geschlechtersensible Forschung, „um den unterschiedlichen Krankheitsverlauf bei Frauen und Männern besser zu verstehen. Präventive Maßnahmen wie Rehasport, Funktionstraining oder Programme, die den Lebensstil positiv beeinflussen, sollten niederschwellig und unbürokratisch auf Dauer zugänglich sein.“

Botschaft an die Politik: Eine hochwertige Versorgung von Menschen mit MS

Das ist die Botschaft der DMSG in Richtung politisches Berlin: „Menschen mit MS benötigen eine hochwertige, flächendeckende und leitliniengestützte medizinische Versorgung. Daher ist es unverantwortlich, dass der Zugang zu dringend benötigter Therapie wegen fehlender Plätze oder mangels Termine nicht oder nur sehr verzögert möglich ist“, so ihre Vorsitzende Haas.

Weiterführender Link:
Forderungspapier der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zur Bundestagswahl 2025

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