Gastbeitrag von Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim in Deutschland. Foto: euroluftbild.de/Bernhard Gross
Gastbeitrag von Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim in Deutschland. Foto: euroluftbild.de/Bernhard Gross

Raus aus der Rezession

Die bevorstehende Bundestagswahl ist entscheidend für die Zukunft Deutschlands. Sie wird die Weichen stellen für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und den Wohlstand der Gesellschaft. Ein Gastbeitrag von Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim in Deutschland.
Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim in Deutschland
Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung BI Deutschland. Foto: Urban Zintel / Boehringer Ingelheim

Raus aus der Rezession, zurück in eine Phase des Wachstums. Diesen Weg muss die künftige Bundesregierung mitgestalten und mit voller Kraft vorantreiben. Die Pharmaindustrie als Schlüsselindustrie für Deutschland will dabei eine zentrale Rolle spielen.

In Deutschland sind über 130.000 Menschen in der Pharmaindustrie beschäftigt. Sie erforschen und produzieren Medikamente, dank derer wir heute Krankheiten wie Krebs oder HIV immer effektiver vorbeugen und bekämpfen können; für COVID-19 konnten sie in kürzester Zeit einen Impfstoff entwickeln. Durch ihre Arbeit entlasten sie das Gesundheitswesen und geben all jenen Menschen Hoffnung, die auf neue Therapieoptionen für bisher unheilbare Erkrankungen warten.

Die Branche generiert einen Umsatz von rund 64 Milliarden Euro jährlich und reinvestiert im Schnitt 16 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Boehringer Ingelheim investiert in Deutschland sogar deutlich mehr in Forschung und Entwicklung – rund 2 Milliarden Euro –, als wir hierzulande mit verschreibungspflichtigen Medikamenten überhaupt umsetzen. Die gesamte pharmazeutische Industrie schafft hochwertige Arbeitsplätze und trägt zur technologischen Souveränität und Krisenresilienz bei. Klinische Studien, die die forschende Industrie in Deutschland durchführt, verbessern Jahr für Jahr die Behandlungsmöglichkeiten und Standards in unserem Land und stellen neue Medikamente Patientinnen und Ärzten so früh wie möglich zur Verfügung. All das stärkt nicht nur die Lebensqualität und den Wohlstand der Menschen, sondern auch die Wirtschaft.

Doch ob pharmazeutische Investitionen, Forschung, Entwicklung und Produktion weiterhin in Deutschland stattfinden oder an Orten, die attraktivere Rahmenbedingungen bieten, hängt maßgeblich davon ab, welche Reformen die künftige Regierung ergreifen wird. Die Herausforderungen sind groß. Die Liste an Aufgaben ist lang: Bürokratieabbau, Digitalisierungsoffensive, Fachkräftemangel, Innovationsförderung. Allein in den kommenden Jahren muss die Pharmabranche etwa ein Fünftel ihrer hochproduktiven Jobs neu besetzen. Dazu braucht es deutliche Fortschritte bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und insgesamt mehr Flexibilität im System, um mehr Menschen – auch aus dem Ausland – in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Mit ihrer im letzten Jahr verabschiedeten Pharmastrategie hat die scheidende Bundesregierung eine wichtige Grundlage geschaffen. Sie umfasst Maßnahmen, die die Rahmenbedingungen für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln verbessern, die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben und die heimische Produktion fördern sollen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu reduzieren und damit die Versorgungssicherheit zu stärken. Zudem sollen Zulassungsverfahren für klinische Studien vereinfacht und beschleunigt werden. Das sind gute Nachrichten für alle, die dringend auf innovative Medikamente angewiesen sind. Der erste Schritt ist getan. Jetzt müssen diese guten Ansätze schnell umgesetzt werden.

Pharmastrategie
Pharmastrategie: Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln verbessern. Foto: ©iStock.com/ballykdy

Was es aber vor allem braucht, ist ein funktionierender Markt für innovative Arzneimittel in Deutschland. Denn investiert wird dort, wo es verlässliche Vermarktungschancen gibt. Dieser Logik folgt die Pharmastrategie bisher leider nicht. Dabei ist der Handlungsbedarf riesig, denn der für die Vermarktung wichtige Prozess der Nutzenbewertung ist nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Heute lässt sich medizinischer Fortschritt schon früh in laufenden Studien erkennen. In den USA ist es üblich, dass Behörden auch auf solche Daten zurückgreifen. Mit dem Ergebnis, dass neue Therapien dort deutlich schneller bei den Menschen ankommen. In Deutschland dagegen betrachten die Behörden vorhandene Daten aus den Zulassungsverfahren in vielen Fällen nicht als ausreichend, um einen Nutzen zu belegen, sondern verlangen die Durchführung weiterer Studien. Das lässt Menschen nicht nur länger auf innovative Therapien warten, es macht auch den Investitionsstandort unattraktiv. Die Unternehmen können nicht verlässlich beurteilen, ob ein Produkt in Deutschland auf den Markt kommen kann. Deshalb muss das Nutzenbewertungsverfahren dringend zukunftsfest werden.

Offen ist, ob und wie die neue Regierung auf das Fundament der Pharmastrategie aufbaut. Sie enthält viele gute Ansätze. Es wäre im Sinne der Menschen und der Gesundheitsversorgung in Deutschland, daran anzuknüpfen.

Es ist an uns allen, den Weg dieses Landes mitzugestalten – durch unsere Stimme. Nutzen Sie diese Möglichkeit, gehen Sie wählen.

Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim in Deutschland

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