Mit „It´s the economy, stupid” prägten die Wahlkampfstrategen von Bill Clinton einen der bekanntesten US-Wahlslogans. Den könnte man in Deutschland auf die Gesundheitswirtschaft adaptieren. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani
Mit „It´s the economy, stupid” prägten die Wahlkampfstrategen von Bill Clinton einen der bekanntesten US-Wahlslogans. Den könnte man in Deutschland auf die Gesundheitswirtschaft adaptieren. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani

„It´s the Gesundheitswirtschaft, stupid“

Mit „It´s the economy, stupid” prägten die Wahlkampfstrategen von Bill Clinton 1992 einen der bekanntesten Slogans der US-amerikanischen Geschichte. Es gibt eine Menge guter Gründe, diesen Slogan für den vorgezogenen Wahlkampf in Deutschland auf die Gesundheitswirtschaft zu adaptieren: „It´s the Gesundheitswirtschaft, stupid.“ Ein Kommentar von Florian Martius.
Pharma Fakten-Redakteur Florian Martius
Pharma Fakten-Redakteur Florian Martius

Natürlich können wir jammernd ins neue Jahr gehen. Entlassungen, Werkschließungen und überhaupt: die Bahn. Deutschlands Wirtschaft stolpert durch eine Phase der Neuorientierung, der Transformation. Die Wirtschaft muss digitaler, resilienter, nachhaltiger werden. Aber verbergen sich hinter Krisen nicht auch sensationelle Chancen? Zumal in Deutschland die Regel gilt: Meist ist es viel besser, als es geredet wird – the German Angst halt.

In der Gesundheitswirtschaft war das Land schon immer stark; wir erinnern uns: die Apotheke der Welt. Fast 200 Milliarden Euro ist ihr jährlicher Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Allein die Hälfte davon steuert die industrielle Gesundheitswirtschaft (iGW) bei, also die Branchen Pharma, Medizintechnik, Health-IT und Biotechnologie. Der Beitrag zum Wohlstand des Landes ist heute schon beeindruckend; die Industrie steht für Innovationen made in Germany, schafft hochwertige, gut bezahlte Arbeitsplätze, ist hochgradig Export orientiert und resilient, weil sie nicht gleich den Krisenmodus ausrufen muss, wenn die Weltwirtschaft hustet. Aber vor allem ist sie seit vielen Jahren auf Expansion gepolt und wächst deutlich schneller als die Gesamtwirtschaft. Hörte ich da Wachstum? Ist das nicht einer der Problemlöser, allein, um die vor sich hin kriselnden Sozialsysteme zu stärken?

Eine noch stärkere Gesundheitswirtschaft: Hervorragende Voraussetzungen

Eine noch stärkere Gesundheitswirtschaft: Hervorragende Voraussetzungen
Hervorragende Voraussetzungen für eine stärkere Gesundheitswirtschaft. Foto: ©iStock.com/howtogoto

Um das Potenzial dieses Sektors weiter auszuschöpfen, müssen wir uns nur auf unsere Stärken konzentrieren: Hervorragende Wissenschaftler:innen, ein Netzwerk von Universitätskliniken und Forschungsinstituten, Medizintechnik-Unternehmen, die zu den besten der Welt zählen, eine wachsende Start-up-Szene, die sich z. B. um das Zukunftsthema Health-IT kümmert, und eine Pharmaindustrie, die forscht, entwickelt, produziert und – auch das ist 2024 ein wenig untergegangen – viele Milliarden Euro in neue Standorte investiert. Ganz nebenbei ist das eine Industrie, die nicht ins Kanzleramt pilgert, um nach Subventionen zu fragen, sondern die einfach nur gute Rahmenbedingungen sucht, damit sie ihren Job machen kann.

Wenn die iGW ihren Job machen kann, profitieren alle. Schließlich stehen hinter dem Schlagwort Innovationen „made in Germany“ in diesem Fall Gesundheitsprodukte, die Menschen gesund erhalten oder wieder gesund machen können. In den vergangenen 30 Jahren ist die Krebssterblichkeit in Deutschland um 25 Prozent zurückgegangen. Ohne Produkte aus der iGW? Undenkbar. Sind nicht gesunde Menschen in einer rapide alternden Gesellschaft einer der wichtigsten Standortfaktoren überhaupt?

Gesundheitswirtschaft: Glänzende Augen im Wirtschaftsministerium?!

Mehr Gesundheit für alle, mehr Innovationen und Fortschritt, mehr Wachstum, mehr Wohlstand: Spätestens jetzt müsste denjenigen, die sich vorstellen könnten, demnächst dem Bundeswirtschaftsministerium vorzustehen, glänzende Augen bekommen.

Und damit nicht genug: Denn eines der Kernprobleme ist, dass Gesundheit politisch nicht in seiner ganzen Dimension behandelt wird – nämlich als Gesundheits-, als Wirtschafts-, als Wissenschafts- und Finanzpolitik. Es nützt wenig, wenn im Bundeswirtschaftsministerium oder Kanzleramt ein grandioser Plan zur Stärkung der iGW entworfen wird, während gleichzeitig das Gesundheitsministerium einen neuen Sparplan erarbeitet, der Innovationen die Grundlagen für eine vernünftige Erstattung entzieht. Deshalb müsste die Gesundheitspolitik in der 21. Legislaturperiode des Bundestages als ein Gesamtplan gedacht werden, an dem neben den Expert:innen aus dem Gesundheitsministerium, auch die des Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzministeriums mitarbeiten sollten. Das muss man nicht neu erfinden; in Baden-Württemberg wird Gesundheit schon länger so gedacht: Gesundheit ist in Deutschland falsch organisiert.

iGW pushen: Es muss nur noch gemacht werden

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Bürokratische Hürden eliminieren, Gesundheitswirtschaft stärken. Foto: ©iStock.com/KTM_2016

Was müsste also passieren, um die Gesundheitswirtschaft zu stärken? Die Forschung muss von bürokratischen Hürden befreit werden, die Rahmenbedingungen für Innovationen müssen stimmen (Erstattung, Schutz geistigen Eigentums), die Digitalisierung der Medizin vorangetrieben und der gelebte Datenschutz zum Nutzen von Patient:innen weiterentwickelt werden. Dazu sind mit der Nationalen Pharmastrategie und den entsprechenden Gesetzen wie dem Medizinforschungs- und den Digitalgesetzen schon einige Pflöcke in den Boden gerammt worden. Im nächsten Koalitionsvertrag – wer immer den auch schreiben wird – sollte aber eine ganzheitliche Strategie stehen, die die deutsche Gesundheitswirtschaft als Leit- und Schlüsselindustrie holistisch versteht, mit konkreten, nachprüfbaren Zielen versieht und entsprechend fördert. Und dann müsste nur noch umgesetzt werden, damit nicht das passiert, was der Onkologe Professor Dr. Christof von Kalle im Pharma Fakten-Interview sagte: „Die Gefahr, die ich sehe: Da werden Gesetze erlassen und keiner stört sich dran.“

„It´s the economy, stupid” gilt heute als einer der wirkungsvollsten Polit-Slogans der modernen amerikanischen Geschichte, der Bill Clinton ins Weiße Haus brachte – eine Strategie, verdichtet in fünf kurze Wörter. Deswegen: „It´s the Gesundheitswirtschaft.“

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