Jedes Kind, das an einer Infektionskrankheit stirbt, die Impfungen vermeiden könnten, ist eines zu viel. Vom 27. April bis 3. Mai ist Europäische Impfwoche. Foto: ©iStock.com/FamVeld
Jedes Kind, das an einer Infektionskrankheit stirbt, die Impfungen vermeiden könnten, ist eines zu viel. Vom 27. April bis 3. Mai ist Europäische Impfwoche. Foto: ©iStock.com/FamVeld

Ungeimpft? Kinder in Lebensgefahr!

„Zehnjähriger in Deutschland an Diphtherie gestorben“, titelten die Medien im Januar. „Erstmals seit zehn Jahren Masern-Todesfall in den USA“, war nur kurze Zeit später zu lesen. Inzwischen ist ein weiteres Kind in Texas dieser Infektionskrankheit erlegen. Diese Fälle haben eines gemeinsam: Die Betroffenen waren nicht geimpft, obwohl Vakzine für sie verfügbar gewesen wären. Da kapituliert selbst ein weltweit bekannter Impfskeptiker.
Ungeimpft? Kinder in Lebensgefahr!
Ausreichend Schutz durch hohe Impfquoten. Foto: ©iStock.com/Lacheev

Monatelang hatte der Brandenburger Junge gekämpft – doch am Ende gegen die Diphtherie verloren (s. MDR). Nur ein Einzelfall und somit kein Grund sich impfen zu lassen? Ganz im Gegenteil: Noch 1892 starben in Deutschland mehr als 50.000 meist junge Menschen an Diphtherie. Erst mit Einführung der Impfung ab 1913 änderte sich das – heute ist die Erkrankung fast verschwunden. „Die Leute unterschätzen die Krankheit, weil sie nie ihren Schrecken miterlebt haben“, so Dr. Benedikt Brixius, Sprecher der Kinder- und Jugendärzte im Saarland. Diphtherie wird auch als „Würgeengel“ bezeichnet – denn im Verlauf können sich die Atemwege so sehr verengen, dass Betroffene letztlich ersticken. Dass das heute in der Bundesrepublik nur noch selten passiert, liegt nicht daran, dass die Krankheit besonders exotisch wäre – sondern daran, dass es gelungen ist, sie mit Hilfe von Vakzinen zurückzudrängen.

Anders gesagt: „Nur durch gute Impfquoten lässt sich verhindern, dass sich die Diphtherie verbreitet“, erklärt das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit. Doch in Deutschland sind Menschen in allen Altersgruppen nur unzureichend gegen diverse Infektionskrankheiten geschützt. Mehr als ein Drittel aller Kinder hat im empfohlenen Alter von 15 Monaten laut Robert Koch-Institut keine dritte Dosis der Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfung (DTP) erhalten. Auch mit 24 Monaten fehlte zuletzt bei 23 Prozent ein ausreichender Schutz.

Masern auf dem Vormarsch

Masern auf dem Vormarsch
Masern: Impfquoten gehen weltweit zurück. Foto: ©iStock.com/Astrid860

Bei den Masern ist die Lage ähnlich: Mehr als jedem fünften Zwei-Jährigen fehlt hierzulande die zweite Dosis. „Das Masernvirus ruht nie – und wir dürfen das auch nicht“, warnt Dr. Hans Henri P. Kluge, Regionaldirektor für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Für das Jahr 2024 wurden in der Europäischen Region 127.350 Masernfälle gemeldet – doppelt so viele wie 2023 und die höchste Zahl seit 1997. „Die Zahl der Masernfälle in Europa und Zentralasien ist in den letzten zwei Jahren sprunghaft angestiegen – das ist ein Hinweis auf Impflücken“, erklärte UNICEF-Regionaldirektorin Regina De Dominicis.

Und auch in den Vereinigten Staaten sind die Masern zurück – dabei „galten sie in den USA als ausgerottet“, schreibt Medizinerin Dr. Elena Terhalle auf dem Fachportal DocCheck. Demnach ist die große Mehrheit der Erkrankten nicht geimpft. Im Staat Texas sind zwei Kinder verstorben. Selbst US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. rät inzwischen zur Impfung – er, der als Impfskeptiker weltweit in aller Munde ist und mit einem Masernausbruch mit mehr als 80 Todesfällen in Samoa im Jahr 2019 in Verbindung gebracht wird. Er hatte sich damals mit prominenten Impfgegnern getroffen und so zu einer Desinformationskampagne beigetragen, wie The Guardian schreibt.

Kennedy fährt einen Zickzack-Kurs: Kurz nachdem er sich überraschend für die Impfung ausgesprochen hatte, verbreitete er falsche Hoffnungen in Bezug auf die Behandlungsmöglichkeiten. Tatsache ist: Eine spezifische antivirale Therapie gegen das Masernvirus gibt es nicht; die Behandlung ist daher rein symptomatisch. Die Eltern der verstorbenen Kinder aus Texas halten nach den Todesfällen jedoch weiter an ihrer Impfverweigerung fest. Die (einst von Kennedy gegründete) Organisation Children’s Health Defense verbreitet Fake News – in einem Interview mit einem Vater wird die angeblich schlechte Krankenhausbehandlung und nicht die Masernerkrankung für den Tod eines Kindes verantwortlich macht. Wenn Menschen einmal in einer Welt aus Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeindlichkeit gefangen sind, wird es schwierig sie mit Fakten zu erreichen.

Impfstoffe: So wirksam sind sie wirklich

Impfstoffe: So wirksam sind sie wirklich
Impfen und Menschenleben retten. Foto: WHO

Dabei ist die Evidenzlage geradezu erdrückend: Seit über 60 Jahren kommt die Masernimpfung weltweit zum Einsatz. Forscherin Saloni Dattani verweist auf der Plattform „Our World in Data“ auf große Meta-Analysen, die „zeigen, dass Masernimpfungen hocheffektiv und sicher sind; sie reduzieren das Risiko einer Masern-Erkrankung um 95 Prozent.“ Nach einer zweiten Dosis ist der Schutz sogar noch besser. Mit der Einführung des Impfstoffs konnten über die vergangenen 50 Jahre mehr als 90 Millionen Menschenleben gerettet werden. „Es wird geschätzt, dass zwei bis drei Millionen Menschen weltweit pro Jahr an den Masern sterben würden, wenn es keine Impfstoffe geben würde“, weiß Dattani.

Gleichzeitig sind potenzielle Nebenwirkungen wie Hautausschlag oder leichtes Fieber meist „unbedeutend und von kurzer Dauer.“ Zwar können auch schwerwiegendere Reaktionen auftreten: Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht nur gering – sie ist vor allem sehr viel geringer als bei einer tatsächlichen Masernerkrankung, so die Forscherin. Dass es Hinweise auf eine Verbindung zwischen der Masernimpfung und Autismus oder Entwicklungsverzögerungen gäbe, ist schlicht falsch.

„Kurz gesagt: Die Masernimpfung ist eins der besten Instrumente, das wir haben, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Wie alle Medikamente gibt es ein Risiko für Nebenwirkungen – aber der Nutzen überwiegt bei weitem“, resümiert Dattani.

Zugelassene Impfstoffe: Nutzen überwiegt

Überhaupt gilt für alle Vakzine, die eine offizielle Zulassung haben: Ihr Nutzen überwiegt potenzielle Risiken deutlich – ohne entsprechende Daten hätten sie kein grünes Licht der Behörden erhalten. Gegen Diphtherie und Masern, gegen die Kinderlähmung (Poliomyelitis), COVID-19 oder Keuchhusten: Vor zahlreichen Krankheiten, vor schweren Verläufen und Komplikationen können Impfungen heutzutage schützen. Voraussetzung ist, dass sie zum Einsatz kommen – was selbst in wohlhabenderen Ländern mit vergleichsweise guter Gesundheitsversorgung zu oft nicht der Fall ist. Vier von fünf Menschen, die in Deutschland in Risikogebieten wohnen, sind nicht vollständig gegen die durch Zecken übertragbare Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) geimpft. Fast die Hälfte aller 15-jährigen Mädchen hat keinen vollständigen Schutz gegen Humane Papillomviren (HPV) – und vor damit assoziierten Krebserkrankungen.

Die gute Nachricht ist: Dass Menschen Impfungen auslassen, hat oft Gründe, die nichts mit radikaler Verweigerung zu tun haben. Zumindest in Deutschland stehen laut einer repräsentativen Befragung aus dem Jahr 2022 nur drei Prozent der Menschen Impfungen allgemein (eher) ablehnend gegenüber. 83 Prozent bezeichnen sich als „(eher) befürwortend“, 14 Prozent ordnen sich bei „teils/teils“ ein.

Daran lässt sich anknüpfen: mit mehr Aufklärung, mit mehr Impfangeboten und effektiverer Impfkommunikation, mit (digitalisierten) Erinnerungen an Impftermine. „Impfungen für alle sind menschlich möglich“ – unter diesem Motto begeht die WHO die Europäische Impfwoche (EIW) 2025 und verbreitet Informationen über Vakzine. Das ist leichter gesagt als getan, wenn derweil Personen der Öffentlichkeit wie ein US-Gesundheitsminister mit Fake News von sich reden machen. Und weltweit Budgetkürzungen im Bereich öffentlicher Gesundheit getätigt werden. „Wenn man mir gesagt hätte, dass zu einer Zeit, in der es uns hauptsächlich dank Impfstoffen gelungen ist, die Kindersterblichkeit seit der Jahrtausendwende zu halbieren, ihr Ruf heute durchwachsener denn je ist, hätte ich erwidert: Willst du mich auf den Arm nehmen? Sie sind Wunder“, so Microsoft-Gründer und Philanthrop Bill Gates.

Weiterführender Link:

European Immunization Week 2025 (27. April – 3. Mai)

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