„Die Vereinigten Staaten, einst eine Hochburg der Forschungsexzellenz mit fast einem Drittel der globalen wissenschaftlichen Leistung, erleben einen beispiellosen Exodus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“, schreibt Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es seien „Forschungsetats binnen Wochen drastisch gekürzt“ worden; Institute würden „ausgehöhlt und zentrale wissenschaftliche Behörden geschwächt.“
Forschung: Für Gesundheit, Innovation, Wirtschaft

Dabei ist eine starke Forschung viel wert – nicht nur wissenschaftlich gesehen. Beispiel pharmazeutische Forschung: Ohne sie gäbe es keine innovativen Medikamente und Impfstoffe für die Patient:innen von heute und morgen. Klinische Studien treiben medizinischen Fortschritt und eröffnen kranken Menschen neue Behandlungsmöglichkeiten. Der US-Pharmaverband PhRMA verweist außerdem auf einen „bedeutenden ökonomischen Impact“ solcher Studien. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung TEConomy Partners hat die biopharmazeutische Branche allein im Jahr 2023 fast 5.300 klinische Arzneimittel-Studien mit mehr als 900.000 Proband:innen in den USA unterhalten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen haben demnach einen Wert von insgesamt rund 62 Milliarden US-Dollar – eingerechnet sind da nicht nur die direkten Investitionen der Unternehmen in Forschungseinrichtungen, sondern zum Beispiel auch die privaten Ausgaben, mit denen Mitarbeitende von Prüfzentren und Industrie die Ökonomie ankurbeln. Hinzu kommt: Innovationen, die aus diesen Forschungsprojekten entstehen, können dazu beitragen, dass viele Menschen in der Bevölkerung länger gesund (und erwerbsfähig) sind.
„Klinische Studien sind essenziell, um zahlreiche lebensrettende Arzneimittel, von denen die Patient:innen profitieren, weiterzuentwickeln – und gleichzeitig dürfen wir nicht ihren substanziellen Beitrag zur US-Wirtschaft ignorieren“, resümiert Reid Porter von PhRMA.
Doch unter der aktuellen Regierung haben Wissenschaftler:innen einen zunehmend schweren Stand. Die Trump-Administration will beispielsweise Forschungsgelder der National Institutes of Health (NIH) massiv kürzen. Das würde „die Suche nach lebensrettenden Heilmitteln sowie Arbeitsplätze in allen US-Staaten“ gefährden, erklärte die Nachrichtenagentur The Associated Press.
Innovationsstandort Deutschland stärken

Diese veränderte Weltlage schiebt Deutschland nicht nur mehr Verantwortung zu. Es ist auch eine „historische Chance“, erklärt Streeck in der FAZ, um sich „als globales Zentrum exzellenter Wissenschaft“ zu positionieren und Forschende aus aller Welt (zurück)zugewinnen.
Die Bundesrepublik hat als Innovationsstandort viel aufzuholen. Eine Herausforderung ist die Translationslücke – Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung werden nur unzureichend in die klinische Entwicklung gebracht bzw. in die Versorgung der Patient:innen überführt. Bei der Anzahl klinischer Studien von Pharmaunternehmen belegt Deutschland im weltweiten Vergleich nur Platz 4 – hinter den USA, China, Spanien und nur ganz knapp vor UK sowie Kanada. 2016 war es noch Platz 2 gewesen. Und eine aktuelle Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt: „Hatten im Jahr 2000 noch über 1.400 oder 17 Prozent der Patentanmeldungen der globalen Pharmabranche ihren Ursprung in Deutschland, waren es im Jahr 2021 noch 849 und damit nur 9 Prozent.“ Dem hiesigen Pharmastandort falle es zunehmend schwerer, „sich im internationalen Innovationswettbewerb zu behaupten“, heißt es.
Was also tun? Wissenschaft müsse „als Treiber wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts begriffen“ werden, betont Streeck. „Wissen schafft Wirtschaft und Innovation“. Deutschland brauche „jetzt eine mutige Innovationsagenda, die wissenschaftliche Exzellenz mit wirtschaftlicher Anwendbarkeit verbindet“, fordert er.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) betont angesichts der aktuellen Regierungsbildung: „Es sollte das klare Ziel sein, die F&E-Ausgaben auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen“, so Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. „Dazu gehört auch, das F&E-Budget langfristig und verlässlich zu steigern sowie die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu optimieren.“ „Hinderliche bürokratische Maßnahmen“, welche „die Innovationskraft der Unternehmen und Forschungseinrichtungen einschränken“, lehnt der Verband ab. Dringend müssten überbordende Regelungen abgebaut werden, „die die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft behindern“. Mit dem Medizinforschungsgesetz habe die Politik „die richtige Richtung eingeschlagen, indem zum Beispiel Genehmigungen für Klinische Studien beschleunigt werden.“ Es brauche aber „weitere Erleichterungen“. Wichtig sei mit Blick auf den Fachkräftemangel eine „starke Willkommenskultur für internationale Expertinnen und Experten“ – auch in Form beschleunigter Arbeitserlaubnisse. In der ZEIT schreibt Prof. Dr. Wolfgang Wick, Vorsitzender des Wissenschaftsrates und Leiter der Neurologischen Klinik Heidelberg: „Trump vergrätzt die Forscher, holen wir sie zu uns!“ Ob das der künftigen Bundesregierung gelingen wird?
Mehr Forschung: Wie Deutschland profitieren würde

Deutschland hat viel zu gewinnen – siehe das Beispiel Arzneimittelforschung: Mehr Studien, die hierzulande stattfinden, bieten nicht nur mehr schwerkranken Menschen frühzeitigen Zugang zu neuartigen Behandlungsansätzen. Sie sorgen zudem dafür, dass mehr hiesige Ärzt:innen auf dem aktuellen medizinischen Stand sind und direkt ab Markteinführung wissen, wie sie mit den Innovationen umgehen müssen. „Gerade bei komplizierten Therapien wie den CAR-T-Zell-Therapien in der Onkologie ist das von enormem Wert für die Versorgung“, unterstreicht der vfa. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Auswirkungen, inklusive Arbeitsplätze, die in Industrie und öffentlichen Einrichtungen entstehen. Und gleichzeitig wäre Deutschland – wenn es auf Wissenschaft und Fakten anstatt auf Populismus und Desinformation setzt – eine starke Stimme für die Demokratie in Europa und weltweit.
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