Arzneimittelausgaben: Real gesunken

Auch die „AMNOG-Daten 2024“ des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zeigen es wieder: Medikamente und Impfstoffe sind nicht der Grund für die prekäre Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), wie oftmals propagiert. Zuletzt sind die Arzneimittelausgaben inflationsbedingt, also real, sogar gesunken.

Würde das Märchen von den Arzneimittelausgaben, welche die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems in Gefahr bringen, stimmen, dann müssten sie durchweg stärker wachsen als die gesamten Ausgaben der GKV. Doch dem ist nicht so (s. Grafik): „Stattdessen oszilliert die Kurve der GKV-Arzneimittelausgaben um die der Kurve der GKV-Gesamtausgaben und steigt tendenziell weniger stark an“ – zu diesem Schluss kommen die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Dieter Cassel (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Volker Ulrich (Universität Bayreuth) in den BPI-AMNOG-Daten. Seit 2011 sind die Arzneimittelausgaben „im Trend jährlich mit einer Rate von 4,8 Prozent gestiegen und damit weitgehend parallel zu den Gesamtausgaben, die jahresdurchschnittlich mit 5,0 Prozent zulegten“.

Hinzu kommt: Die Inflationsrate betrug 2023 5,9 Prozent. Und somit ergibt sich aus dem nominalen Wachstum der Arzneimittelausgaben von 2,9 Prozent ein realer Rückgang um 2,8 Prozent. Ähnliches gilt für 2022 (- 2,0 %). Und so löst sich ein Hauptgrund, den die Politik für das Inkrafttreten des aus Industrie-Sicht innovationsfeindlichen GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes 2022 nannte, in Luft auf: Eine „erhebliche Ausgabendynamik“ im Bereich der Arzneimittel? Fehlanzeige.

Neu: Das Medizinforschungsgesetz

Neu: Das Medizinforschungsgesetz
Medizinforschungsgesetz: GKV-FinStG lockern. Foto: ©iStock.com/Jacob Wackerhausen

Immerhin: „Das kürzlich in Kraft getretene Medizinforschungsgesetz stellt durch gezielte Ausnahmeregelungen Verhandlungsspielräume bei der Preisfindung für innovative Arzneimittel wieder her. Konkret wurden die ursprünglich durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz definierten ´AMNOG-Leitplanken` gelockert“, erklärt der BPI. Dies gelte „jedoch nur für Arzneimittel, bei denen ein relevanter Anteil der klinischen Studien in Deutschland durchgeführt wird.“ Die Situation für alle anderen betroffenen Arzneimittel bleibe „unverändert schwierig“.

Warum das problematisch ist? Im sogenannten AMNOG-Verfahren werden neue Arzneimittel nach einer bestimmten Methodik auf ihren Zusatznutzen gegenüber etablierten Therapien untersucht und Pharmaunternehmen sowie Krankenkassen verhandeln letztlich über den Erstattungsbetrag. Somit wird in diesem Prozess indirekt auch darüber entschieden, inwiefern Innovationen für die Patient:innen in Deutschland verfügbar sind – denn nur mit wertorientierten Arzneimittelpreisen können die Firmen die Ausgaben für die Entwicklung weiterer innovativer Therapien für die Patient:innen von morgen dauerhaft aufbringen.

GKV-Finanzierung braucht Stabilität

Und so gilt: „Wichtig ist, die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf eine stabile Grundlage zu stellen. Dazu gehört unter anderem, die Wirtschaft anzukurbeln und für angemessene Beitragspauschalen für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeld Empfängern zu sorgen“, so der BPI. Kurzfristig gedachte Sparmaßnahmen im Arzneimittelbereich hingegen könnten die medizinische Versorgung der Menschen verschlechtern – und auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind sie ein denkbar schlechtes Signal.

„Die Pharmabranche ist für die Stabilität der deutschen Wirtschaft wichtiger denn je: Anders als andere Industrien ist sie nicht konjunkturabhängig“, betonte jüngst Theresa Rauffmann vom Handelsblatt in einem Kommentar. Die Branche könne ein „Garant für Stabilität“ sein und liege bei „einigen relevanten Kennzahlen“ sogar „vor der Autoindustrie“. Und so fragt sie sich, warum es die Pharmabranche „immer noch nicht als Hauptthema in den Wahlkampf geschafft hat.“ Hier gebe „es noch viele Chancen“, findet sie. „Vor allem im Biotech-Bereich hat Deutschland das Potenzial, vorn mitzuspielen. […] Die neue Bundesregierung braucht dringend eine Gesundheits-Agenda.“

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