One Health: Gesundheit für Mensch, Tier, Planet

Der Mensch ist Teil der Natur – eine Binsenweisheit, die im Laufe der Technologisierung, während Homo Sapiens aus Höhlen und Hütten herausgekrochen ist, in den Hintergrund getreten ist. Das bedeutet zwangsläufig: Ist die Natur krank, kann es gesunde Menschen und Tiere nicht geben. Das ist der zentrale Gedanke des One-Health-Ansatzes: Er betrachtet die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt im Zusammenhang.

Die vom SARS-CoV-2-Virus ausgelöste globale Krankheitswelle hat die Notwendigkeit dieses ganzheitlichen Ansatzes wieder auf die Agenda von Gesundheitsexpert:innen gehievt. 75 Prozent aller neuen Erreger von Infektionen haben ihren Ursprung im Tierreich. Ob Ebola-, Zika- oder Denguefieber, ob Aids oder Cholera, ob SARS oder MERS – all das sind Beispiele für so genannte Zoonosen. Das sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten. Die 13 am meisten verbreiteten Zoonosen sind pro Jahr für 2,4 Milliarden menschliche Krankheits- und 2,2 Millionen Todesfälle verantwortlich. Einer der Gründe dafür ist zunehmende Bevölkerungsdichte. Der Mensch dringt immer mehr in Gebiete ein, die vor langer Zeit eher naturbelassen waren, und setzt sich somit vermehrt Krankheitserregern aus.

Pharma Fakten-Grafik: Zoonosen - Krankheitserreger springen von Tier auf MenschDeshalb besteht akuter Handlungsdruck, denn die gesundheitlichen Folgen unserer Lebensweise sind längst da – oder stehen kurz vor der Tür:

  • Unter den Risikofaktoren, die zu einem verfrühten Tod führen, ist Hitze weltweit auf Platz 5 – nach Tuberkulose, Verkehrsunfällen, HIV und Malaria. Die Klimakrise ist heute schon für 1 von 3 Hitzetoten verantwortlich. In Regionen wie Südeuropa rechnen Expert:innen mit einer Verzehnfachung der Hitzetoten bis zum Ende des Jahrhunderts.
  • Der menschengemachte Klimawandel mit dem Anstieg von Temperaturen, Niederschlägen und Feuchtigkeit schafft den Nährboden für die Ausbreitung der für die Malaria verantwortlichen Anophelesmücke. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet zwischen 2030 und 2050 mit 60.000 zusätzlichen Malariatoten. Stechmücken aus südlichen Regionen der Erde sorgen dafür, dass Krankheitserreger nach Europa kommen – so wie heute schon das West-Nil-Virus. Malaria und Denguefieber in Deutschland: Nur noch eine Frage der Zeit?
  • Hinter dem Schlagwort „Antibiotikaresistenz“ steckt das Szenario der nächsten globalen Gesundheitskrise. Weil immer mehr dieser antibakteriellen Arzneimittel ihre Wirksamkeit verlieren, ist eine der größten medizinischen Errungenschaften in Gefahr. Es mehren sich die Hinweise, dass steigende Umgebungstemperaturen die Entwicklung von Resistenzen beschleunigen.
  • Der steigende CO2-Gehalt hat Auswirkungen auf die Ernährung. Studien haben ergeben, dass bei Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen, Mais und Soja der Nährstoffgehalt der Pflanzen sinkt, wenn das CO2 in der Luft steigt. Zink-, Eiweiß-, Eisen- und Vitamingehalt sinken und sorgen bei Menschen für Mangelernährung – und damit für Gesundheitsprobleme.
    Eine Welt, eine Gesundheit
    Menschliche Gesundheit ist eingebettet in die planetare Gesundheit. Foto: ©iStock.com/sasirin pamai
  • Die Klimakrise befördert das Artensterben, von dem offenbar besonders Insekten betroffen sind. Viele von ihnen spielen bei der Versorgung mit Lebensmitteln eine entscheidende Rolle, weil die Bestäubung die Voraussetzung dafür ist, dass Pflanzen, die wir als Nahrungsmittel brauchen, wachsen. Man könnte auch sagen: Wem Insektensterben egal ist, hat keine Angst vor Hungerkrisen.
  • Wenig gute Nachrichten gibt es auch für Allergiker:innen: So fanden Wissenschaftler:innen heraus, dass ein höherer CO2-Gehalt in der Luft die Pollenproduktion allergieauslösender Pflanzen erhöht. Außerdem beginnt bei steigenden Temperaturen die Pollenzeit früher und endet später. Beobachtet wird auch, dass die Pollen aggressiver werden. Die Volkskrankheit Allergie bekommt einen weiteren Schub.

Die Liste ist alles andere als vollständig, aber sie zeigt: Die menschliche Gesundheit kann nicht isoliert betrachtet werden; sie ist eingebettet in die planetare Gesundheit. Michel J. Ryan von der WHO formuliert es so: „Wir schaffen die Bedingungen, in denen Epidemien gedeihen.“ Soll heißen: Wir schaffen unsere Gesundheitskrisen selbst. Der One-Health-Ansatz will das ändern.  

Eine Welt, eine Gesundheit

Betina Prestel, Geschäftsführerin der Veterinärsparte der Boehringer Ingelheim Vetmedica
Betina Prestel, BI. Foto: BI

Beim forschenden Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim steht die Human- als auch die Tiermedizin im Fokus und das Unternehmen engagiert sich im Bereich Nachhaltigkeit. „Das ist kein neuer Ansatz, aber er ist wichtiger denn je“, sagt Betina Prestel, Geschäftsführerin der Veterinärsparte des Unternehmens, der Boehringer Ingelheim Vetmedica. „Wir haben eine Welt und damit eine Gesundheit. Das betrifft die Humanmedizin, die Tiergesundheit und die Umweltwissenschaften.“ Der chemisch-pharmazeutischen Industrie komme eine ganz besondere Verantwortung zu – schließlich ist die Gesundheit von Mensch und Tier ihr Kerngeschäft. 

Beispiel Tollwut: 100 Millionen Tollwutimpfstoffdosen verlassen pro Jahr die Produktionshallen von Boehringer Ingelheim und tragen damit nicht nur zur Gesundheitserhaltung von Tieren, sondern auch von Menschen bei. Rund 60.000 Menschen sterben jährlich als Folge eines Tierbisses – eine Zahl, die die WHO für eine erhebliche Unterschätzung hält. Tollwut ist nur ein Beispiel, wie sehr die Gesundheit von Menschen und Tier miteinander verwoben ist: Jedes Tier, das keine Tollwut bekommt, kann auch keinen Menschen gefährden.

Prävention: Weg vom „Reparaturbetrieb Gesundheit“

Ein wichtiger Aspekt von One Health ist deshalb die Krankheitsvermeidung. Ein Paradigmenwechsel weg vom „Reparaturbetrieb Gesundheit“, der vornehmlich Krankheiten behandelt, hin zu einem System, das Prävention fördert, ist dringend erforderlich. Angesichts der aufziehenden Krise der Arzneimittel-Resistenzen ist die Krankheitsvermeidung ein wichtiges Standbein. Denn wenn Menschen nicht krank werden, brauchen sie keine Arzneimittel. Im Sinne von One Health reicht es nicht, auf hohe Impfraten beim Menschen hinzuarbeiten. Auch die Tierbestände sollten vor vermeidbaren Erkrankungen geschützt sein. 

Prävention: Weg vom „Reparaturbetrieb Gesundheit“
Krankheitsvermeidung: Prävention statt “Reparatur”. Foto: ©iStock.com/Pornpak Khunatorn

One Health ist mehr als nur Arzneimittel und Impfstoffe. Bei Boehringer Ingelheim gehört das selbst entwickelte Krankheitsüberwachungssystem SoundTalks dazu. Es hört in Schweineställen dem Husten der Tiere zu und wertet die Daten aus. Sollten einzelne Tiere auffällig sein, kann der Tierhalter frühzeitig eingreifen, bevor der gesamte Bestand erkrankt. „SoundTalks holt die künstliche Intelligenz in den Stall“, sagt Betina Prestel. „Dadurch kann zum Beispiel der Verbrauch von Antibiotika drastisch reduziert werden.“ Denn je länger eine Erkrankung grassiert, desto schwerwiegender wird die Krankheit und desto mehr Tiere müssen behandelt werden. „Auch die Gesunderhaltung von Haustieren trägt zum Wohlbefinden und zur psychischen Gesundheit von Menschen bei. Wenn beispielsweise Haustiere frei von Parasiten sind, sind auch die Tierhalter geschützt. Hier können wir mit unserem breiten Portfolio punkten und am Ende geht es Menschen dann besser, da die emotionale Verbindung zwischen Menschen und Tieren immer wichtiger wird”, so Betina Prestel. 

Boehringer Ingelheim: Bekenntnis zur Nachhaltigkeit

Bleibt das Thema Umwelt; auch in diesem Bereich ist das Unternehmen aktiv. Bis zum Jahr 2030 sollen alle Betriebsabläufe CO2-neutral sein. „Das ökologische Gleichgewicht der Welt steht auf der Kippe“, sagt Betina Prestel. „Eine kranke Umwelt macht auch Mensch und Tier krank. Deshalb ist es nur konsequent, dass wir als Unternehmen auch hier unseren Beitrag leisten.“ Im Oktober 2022 erfolgte der Startschuss für den Solarpark am Standort Ingelheim: 2440 Solarmodule werden dafür sorgen, dass Jahr für Jahr 72 Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre gelangen. Auch das ist ein Beitrag zu der einen Gesundheit.

One Health ist eine Querschnittsaufgabe. Soll das Konzept funktionieren, müssen viele verschiedene Akteur:innen sektorenübergreifend zusammenarbeiten: private Unternehmen, die Wissenschaft, Behörden, politische Entscheidungsträger:innen. Noch einmal Betina Prestel: „Diese Netzwerke wollen wir zusammenbringen: Jetzt ist der Moment, um Lösungen zu finden.“

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Mehr hitzebedingte Todesfälle, Pandemien, Hungersnöte: Vor den Auswirkungen der globalen Erderwärmung ist niemand gefeit – auch in Deutschland nicht. Foto: ©iStock.com/stock_shoppe

Klimakrise, Gesundheitskrise: Darum betrifft es alle Menschen

„Dass die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels jeden betreffen“, betont Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, mit Blick auf die Ergebnisse des „Lancet Countdown 2022“. 99 Expert:innen von 51 internationalen Institutionen und UN-Organisationen haben an diesem Bericht mitgewirkt. Sie haben ihm einen aussagekräftigen Titel gegeben: „Health at the mercy of fossil fuels“. Soll heißen: Gesundheit ist „fossilen Energieträgern ausgeliefert“.

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Es steht viel auf dem Spiel: Die Klimakrise bedroht die Gesundheit und Existenz von Menschen weltweit. Dabei geht es auch um Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Foto: ©iStock.com/AndreyPopov

Klimakrise: Ungesund und ungerecht

„Die Klimakrise ist wohl die größte Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen“, sagt Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Höheres Risiko für Pandemien, veränderte Krankheitsausbreitung, tödliche Hitzewellen: Bei einer Veranstaltung des RKI machten Fachleute deutlich, wie groß die Gefahr und wie sozial ungerecht die Situation ist.

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Krankheitserreger springen zwischen Tier und Mensch

Neben „Inzidenz“, „R-Wert“ oder „Inkubationszeit“ ist auch der Begriff „Zoonose“ eines dieser Wörter, von denen vor der Coronapandemie nur die wenigsten Menschen gehört hatten – die nun aber in aller Munde sind. Zoonosen sind Krankheiten, die von Erregern wie zum Beispiel Viren, Bakterien und Pilzen verursacht werden und von Tieren auf Menschen (oder andersherum) übergehen können. Die Entstehung von SARS-CoV-2 ist noch nicht vollends geklärt – ein zoonotischer Ursprung gilt aber als wahrscheinlich.

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