So groß sind die Fortschritte im Kampf gegen Krebs wirklich

Immer mehr Menschen sterben an Krebserkrankungen. Sie sind für 15 Prozent aller Todesfälle weltweit verantwortlich – Platz 2 nach Herz-Kreislauf-Leiden (28,6 %). Doch die Art und Weise, wie die Menschheit bösartigen Tumoren den Kampf ansagt, wird immer besser. Wie passt das zusammen?

Die Wahrscheinlichkeit für Krebs nimmt mit steigendem Alter zu. Das hat mehrere Gründe. Unter anderem gilt: Je länger jemand lebt, desto mehr verändert sich sein Erbgut – was das Risiko für die Bildung von Tumoren erhöht. Weil die Weltbevölkerung wächst und älter wird, rechnen Fachleute daher damit, dass künftig noch mehr Menschen als bisher an Krebs erkranken und sterben werden.

Trotz dieser düsteren Prognose ist richtig: Die Fortschritte sind riesig – der Menschheit gelingt es immer besser, Tumore in ihre Schranken zu weisen. Woran das zu sehen ist? An der sogenannten „altersstandardisierten Sterberate“: Hier sind Bevölkerungswachstum und -alterung herausgerechnet. So wird sichtbar, wie sich die Sterblichkeit entwickelt hätte, wenn die Altersstruktur der Bevölkerung über die Zeit unverändert geblieben wäre. Das Ergebnis: Für Deutschland lag die Sterberate 1990 über alle Krebsarten hinweg bei 153,8 pro 100.000 Einwohner:innen, 2020 bei 109,3 (s. Our World in Data). Es ist ein Rückgang um mehr als ein Viertel – Instrumente wie Prävention, Früherkennung und Behandlung funktionieren offenbar immer besser. Ein solcher Positivtrend ist auch weltweit bei vielen Krebserkrankungen zu sehen (siehe Grafik).

Laut einem Team der Datenplattform Our World in Data hat das mehrere Gründe. Darunter:

  • Bessere Screening-Möglichkeiten und frühere Diagnosen
  • Erforschung der biologischen Mechanismen von Krebserkrankungen sowie medizinische Fortschritte wie zum Beispiel die Immuntherapie
  • Reduzierung von Risikofaktoren wie etwa das Rauchen oder Infektionen

Infektionen: Auslöser für Krebs?

Magenkrebs: Meist durch das Bakterium Helicobacter pylori verursacht. Foto: iStock.com / Svitlana Hulko
Magenkrebs: Meist durch das Bakterium Helicobacter pylori verursacht. Foto: iStock.com / Svitlana Hulko

Weltweit sind rund 13 Prozent aller bösartigen Tumorerkrankungen die Folge einer Infektion. Beispiel Magenkrebs: Die meisten Fälle, heißt es bei Our World in Data, „werden durch das Bakterium Helicobacter pylori verursacht. Es kann zu chronischer Entzündung und irgendwann bei einem Teil der Betroffenen zu Krebs führen.“ Verbesserungen in Sachen Hygiene sowie zunehmende Behandlungszahlen haben dem Erreger deutlich Einhalt geboten. „Seit den 1990ern […] nutzen Mediziner:innen Screening-Methoden, Testverfahren und Antibiotika-Therapie, um das Fortschreiten bis hin zu einem Krebs zu verhindern.“ 1980 lagt die weltweite Sterberate bei Magenkrebs bei 26,8 pro 100.000 Menschen; 2021 bei 11,2 (s. Grafik).

Auch viele andere Erreger können langfristig Krebs auslösen: Für Humane Papillomviren gibt es heutzutage Impfungen – einer Tumorentstehung lässt sich somit vorbeugen. Die Gebärmutterhalskrebs-Sterblichkeit ist weltweit von 6,0 pro 100.000 Menschen (1980) auf 3,4 gesunken (2021). Auch gegen Hepatitis B sind Vakzine verfügbar und gegen Hepatitis C sogar Arzneimittel, mit denen die allermeisten Betroffenen geheilt werden können; ein bedeutsamer Risikofaktor für Leberkrebs entfällt (1980: 6,2/100.000; 2021: 5,6/100.000).

Medizinische Fortschritte im Kampf gegen Krebs

Welch bedeutende Rolle zudem Onkologika spielen, zeigen inzwischen mehrere Studien. So konnte etwa der US-amerikanische Ökonom Professor Frank R. Lichtenberg anhand von Daten aus Spanien berechnen, dass Arzneimittelinnovationen zwischen 1999 und 2016 für einen Lebenszeitgewinn von 2,77 Jahren bei Krebs-Patient:innen verantwortlich sind – das entspricht 96 Prozent des Gesamtanstiegs der Lebenszeit (s. Pharma Fakten). Beeindruckend sind zudem Zahlen aus den USA zu Brustkrebs: Laut einer Untersuchung gehen 58 Prozent der Sterblichkeits-Reduzierung auf Screening und Arzneimitteltherapien zurück (s. Pharma Fakten).

Das Team von Our World in Data verweist auf den Bereich der Kinder-Krebserkrankungen: Wissenschaftler:innen wissen heute besser als früher über die genetischen Ursachen Bescheid. „Das hat dazu beigetragen, dass Kinder mit erhöhtem Risiko früher identifiziert und zielgerichtete Therapien mit geringeren Nebenwirkungen entwickelt werden konnten. Außerdem gab es Fortschritte in der Immuntherapie, bei der Stammzelltransplantation, Bestrahlung und Operation“. 1990 lag die Krebs-Sterberate in Deutschland bei 3,9 pro 100.000 Kindern unter 5 Jahren – 2020 bei 1,8 (s. Our World in Data).

Krebs Schritt für Schritt den Schrecken nehmen

Da geht noch mehr. „Unsere Fähigkeiten, Krebs zu behandeln, können noch besser werden“, ist das Our World in Data-Team optimistisch. Die Voraussetzung: weitere Forschung, um mehr über Risikofaktoren und Ursachen zu erfahren und neue potentielle Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, sowie eine Politik, die geeignete Rahmenbedingungen für eine gute Gesundheitsversorgung gestaltet. „Und wir können Leben retten, indem wir den Zugang zu Screeningverfahren und früher Behandlung ausbauen“. Doch wie intensiv zum Beispiel auf Tumorerkrankungen oder deren Vorstufen untersucht wird, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich – selbst innerhalb von Europa. In Schweden nutzten 78,8 Prozent der Frauen zwischen 20 und 69 Jahren in den vergangenen drei Jahren die Möglichkeiten zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. In Deutschland sind es 37 Prozent (Stand: 2022). Die Darmkrebs-Früherkennung nahmen in den Niederlanden mehr als 68 Prozent der Menschen zwischen 50 und 74 Jahren innerhalb von 2 Jahren in Anspruch (Stand: 2022); in Deutschland sind es rund 15 Prozent (Stand: 2019). Dabei gilt bei Krebs: Umso früher erkannt, desto besser.

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