Vor Kurzem wurde der „Edelman Trust Barometer 2025 Special Report: Trust and Health” veröffentlicht. Kurz zusammengefasst: Wie steht es um das Vertrauen der Menschen weltweit und in Deutschland in das Gesundheitssystem?

Karl Stubbe: Das Vertrauen in das Gesundheitssystem ist sowohl global als auch in Deutschland rückläufig. Besonders auffällig ist der Vertrauensverlust bei jungen Erwachsenen. Während der eigene Hausarzt immer noch den größten Einfluss auf Gesundheitsentscheidungen hat, geben mehr als die Hälfte (56 %) der 18- bis 34-Jährigen an, sich dabei auch auf Personen mit ähnlichen Krankheitsbildern zu verlassen. Ein Drittel (32 %) sagt zudem, dass sie auf die Meinungen von Content Creators ohne medizinische Ausbildung hören, wenn es um gesundheitliche Entscheidungen geht.
In einer Pressemeldung schreiben Sie, dass sich viele Menschen in Deutschland Sorgen um eine Politisierung der Medizin machen. Können Sie das näher erläutern?
Stubbe: Tatsächlich äußern 56 Prozent der deutschen Befragten Bedenken hinsichtlich einer zunehmenden Politisierung der Medizin. Dies ist ein signifikanter Anstieg von 13 Prozentpunkten seit 2022. Über die genauen Hintergründe lässt sich leider nur spekulieren. Was aber auffällt: Auch hier ist dieser Trend wieder besonders bei jungen Erwachsenen ausgeprägt: Knapp die Hälfte (46 %) dieser Gruppe geben an, ärztlichen Rat infrage zu stellen oder Behandlungen abzubrechen, wenn die politische Meinung der behandelnden Person von ihrer eigenen abweicht. Dies ist in der Tat neu. Die Tatsache, dass sich dies bei der Altersgruppe 55+ nicht in dieser Form feststellen lässt, könnte man als beruhigenden Ansatzpunkt interpretieren.
Gerade auch das Thema Impfen gilt als politisch aufgeladen. Oder?
Stubbe: Definitiv. Das Thema Impfen ist weiterhin politisch sensibel. Ein Beispiel: Zwar lehnen nur fünf Prozent der Befragten in Deutschland alle Kinderimpfungen ab – eigentlich eine positive Nachricht. Jedoch zeigt sich bei den 18- bis 34-Jährigen, also der Alterskohorte der jungen bzw. baldigen Eltern, eine höhere Skepsis. 13 Prozent dieser Gruppe geben an, ihre Kinder überhaupt nicht impfen zu lassen oder dies nicht zu planen. Darüber hinaus lassen sich 31 Prozent der jungen Erwachsenen nur auf bestimmte Impfungen bei ihren Kindern ein.

Wem vertrauen die Menschen am meisten – und wem eher weniger?
Stubbe: Das höchste Vertrauen genießen in Deutschland immer noch die Ärztinnen und Ärzte mit 82 Prozent. Hier muss man allerdings hervorheben, dass es sich um „meinen Arzt” handelt. Die persönliche Nähe ist in diesem Zusammenhang ausschlaggebend. Auch Freunde und Familie rangieren mit 67 Prozent weit oben. Zusammengebrochen ist dagegen das Vertrauen in die Medien, wenn es um Gesundheitsfragen geht. Dies ist zwar kein rein deutsches Phänomen, aber wenn nur knapp ein Drittel (37 %) der Deutschen angeben, dass sie der medialen Berichterstattung zu Gesundheitsthemen Vertrauen schenkt, sollte das als Weckruf begriffen werden.
Und wie sieht es mit Blick auf Pharma und Biotech aus?
Stubbe: Das Vertrauen in die Pharma- und Biotech-Branche ist differenziert zu betrachten. Es gab während und kurz nach der Pandemie aufgrund der Impfstoffentwicklung und der vielen weiteren Lösungsansätze einen Vertrauenszuwachs. Dieser positive Trend scheint erstmal gestoppt zu sein. Allerdings, im Vergleich zu den drei weiteren Institutionen Regierung, Medien und NGOs, genießt die Pharma- und Biotech-Branche weiterhin ein gesundes Maß an Vertrauen. Hier geben je nach Sektor zwischen 60 Prozent und 63 Prozent der Befragten an, diesen Branchen in Gesundheitsfragen zu vertrauen.
Wie kann es gelingen, das Vertrauen der Menschen in den Gesundheitssektor zurückzugewinnen?

Stubbe: Aus unserer Sicht sind mehrere Maßnahmen und Stellschrauben erforderlich, um Vertrauen in diesem Bereich zurückzugewinnen. Das fängt mit transparenter Kommunikation an: Offene und verständliche Informationen über medizinische Entscheidungen und Prozesse stärken das Vertrauen. Wichtig ist auch die Einbindung der Patienten: Partizipative Entscheidungsprozesse, bei denen Patienten aktiv eingebunden werden, fördern die Akzeptanz. Außerdem gilt es, Fehlinformationen zu bekämpfen: Gezielte Aufklärungskampagnen und die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Informationsquellen können Desinformation entgegenwirken. Dies aber auch gerne ergänzt durch anektdotische Evidenz, um Themen plastischer und verständlicher darzustellen. Und auch auf die Stärkung der Arzt-Patienten-Beziehung kommt es an: Ein persönliches Verhältnis und Empathie seitens der medizinischen Fachkräfte sind entscheidend für das Vertrauen der Patienten. Wie schon erwähnt: Es gibt einen spürbaren Unterschied zwischen „meiner Ärztin/meinem Arzt” und den „Ärztinnen und Ärzten”, wenn es um Vertrauensfragen geht.
Weiterführende Links:
https://www.edelman.de/trust/2025/trust-barometer
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