Médard Schoenmaeckers, Deutschlandchef von Boehringer Ingelheim, spricht im Interview über die Bedeutung der Pharmabranche für die Menschen in der Bundesrepublik.
Médard Schoenmaeckers, Deutschlandchef von Boehringer Ingelheim, spricht im Interview über die Bedeutung der Pharmabranche für die Menschen in der Bundesrepublik.

„Gesundheit ist Basis für Resilienz und Wohlstand“

Geopolitische Instabilität, Klimakrise, demografischer Wandel, Wirtschaft im Krisenmodus: Die Bundesregierung steht vor enormen Herausforderungen. Wie gelingt es trotz allem, den Wohlstand Deutschlands zu erhalten und auszubauen? Eine entscheidende Rolle kann dabei die forschende Pharmaindustrie spielen, ist Médard Schoenmaeckers überzeugt. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei Boehringer Ingelheim Deutschland. Im Interview erklärt er, warum pharmazeutische Innovationskraft wichtig für die Gesundheit der Menschen und die hiesige Wirtschaft ist.

Kürzlich sagten Sie: Unsere Innovationskraft entscheidet über die Zukunft unseres Landes.“ Wie meinen Sie das?

Médard Schoenmaeckers, Boehringer Ingelheim Deutschland.
Médard Schoenmaeckers, Boehringer Ingelheim Deutschland. Foto: Boehringer Ingelheim

Médard Schoenmaeckers: Deutschland steht an einem Scheideweg – Lösungen müssen her, die den Wirtschaftsmotor wieder stärken. Wir wissen: Unternehmen und Volkswirtschaften, die innovativ sind, ziehen Investitionen an. Sie wiederum führen zu neuen Produkten – und diese stärken die Wirtschaft, was dem Wohlstand einer Gesellschaft zugutekommt. Das heißt: Wir brauchen ein Klima, das Innovationen fördert – und zwar mehr als bisher. Die gute Nachricht ist: Wir haben großartige Institute, die Grundlagenforschung betreiben, wir haben sehr gute Universitäten, wir haben die Forschungsabteilungen in den Unternehmen wie etwa bei Boehringer Ingelheim. Die Voraussetzungen für mehr Innovation in Deutschland sind also gut.

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung Deutschland zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort machen – in diesem Zeichen stehen etwa die neue Hightech-Agenda sowie die Pharmastrategie. Was sagen Sie dazu?

Schoenmaeckers: Das sind sehr positive Signale. Die Frage wird sein, inwiefern sie konkret umgesetzt werden. Der politische Wille, die Innovationskraft zu stärken, scheint jedenfalls da zu sein – und wir bringen uns hier gerne ein. Sollen Systeme wie das Gesundheitswesen positiv verändert werden, braucht es alle Akteur:innen – Kostenträger, Leistungserbringer, Ministerien aus Bereichen wie Gesundheit, Wirtschaft und Finanzen, die Industrie und Akademia.

Gemeinsam mit Partner:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft hat Boehringer Ingelheim ein White Paper mit Handlungsempfehlungen für Mehr Innovation für Deutschland“ an Dr. Rolf-Dieter Jungk, Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, übergeben. Was erhoffen Sie sich davon?

Schoenmaeckers: Gerade mit Blick auf die neue Hightech-Agenda soll das Whitepaper ein Impuls sein – denn es umfasst zwölf konkrete Vorschläge zur Stärkung der Innovationskraft in Deutschland. Es ist Ergebnis eines intensiven Dialogs: Mit Akteur:innen aus verschiedenen Bereichen – etwa aus der Wissenschaft, aus Krankenhäusern, dem Arbeitgeberverband – hatten wir uns zu mehreren runden Tischen zusammengesetzt. Die daraus entstandenen zwölf Handlungsempfehlungen lassen sich in drei Kernthemen zusammenfassen: Erstens müssen wir den Stellenwert von Forschung und Innovation erhöhen. Das heißt, Innovation sollte ein zentrales Thema in politischen Debatten sein. Bislang sprechen wir zu wenig darüber – das gilt es zu ändern. Wir brauchen ein neues Narrativ, das deutlich macht, dass Innovation ein Treiber für eine gesunde Wirtschaft und Gesellschaft ist.

Risikoaffinität
Stärkung der Innovationskraft in Deutschland. Foto: ©iStock.com/howtogoto

Zweitens?

Schoenmaeckers: Zweitens müssen wir die sogenannte Translation steigern. Wir haben wie gesagt eine gute Grundlagenforschung, aber wir sind zu wenig in der Lage, die Ergebnisse daraus in marktfähige Anwendungen umzusetzen. Es fehlt unter anderem an unternehmerischem Mindset, an flexiblen Karrierepfaden. Zudem wäre es sinnvoll, Partnerschaften mit der Industrie zu fördern.

Und drittens…

Schoenmaeckers: …ist es dringend notwendig, Deutschland wieder attraktiv für Investitionen in Zukunftstechnologien zu machen. Es braucht mehr Wagniskapital, eine gewisse Risikoaffinität, entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen.

Was sind in Ihren Augen weitere wichtige Maßnahmen, die die Politik ergreifen kann, um die Innovationskraft in Deutschland zu stärken?

Schoenmaeckers: Entbürokratisierung ist sehr wichtig. Wir müssen effizienter werden, sodass zum Beispiel Startups und Wagniskapitalgebende nicht von überbordender Bürokratie und starren Regulierungen abgeschreckt werden. Voraussetzung für mehr Investition und Innovation ist zudem ein attraktiver Markt. Denn Kapital fließt verstärkt dorthin, wo die Rahmenbedingungen am attraktivsten sind. Da gibt es im Pharmabereich viel zu tun: Das System hierzulande ist aktuell so aufgesetzt, dass eine Arzneimittel-Innovation oft nicht als Innovation anerkannt und honoriert wird. Statt ein neues Medikament als reinen Kostenfaktor zu betrachten, sollten wir den Wert für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft in den Blick nehmen.

Geopolitische Instabilität, ein unter zunehmendem Wettbewerbsdruck geratener Innovationsstandort, demografischer Wandel, rapide technologische Entwicklungen (Stichwort KI), Klimakrise: Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Da wäre es doch zu verstehen, wenn das Thema „Gesundheit“ politisch keine hohe Priorität hätte, oder?

Médard Schoenmaeckers, Boehringer Ingelheim Deutschland
Médard Schoenmaeckers. Foto: Urban Zintel / Boehringer Ingelheim

Schoenmaeckers: Die Regierung steht tatsächlich vor keiner leichten Aufgabe. Aber Gesundheit spielt in all diesen Themen eine essenzielle Rolle. Gesundheit ist unglaublich wichtig für eine gute Wirtschaft. Sie ist Basis für Resilienz und Wohlstand unserer Gesellschaft. Wenn wir darüber nachdenken, wie wir die Resilienz Deutschlands und Westeuropas auch gegenüber geopolitischen Bedrohungen stärken, dann muss auch die Gesundheit einer Gesellschaft Teil davon sein. Wenn Verteidigung ein Investitionsthema ist, dann sollte Gesundheit ebenfalls ein Investitions- statt nur ein Kostenthema sein.

Apropos Kosten: Eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist nach wie vor nicht gesichert…

Schoenmaeckers: Das Gesundheitssystem braucht strukturelle, langfristige Reformen – rein kurzfristige Sparmaßnahmen genügen nicht. Alle Akteur:innen sind gefragt. Die Pharmabranche trägt bereits seit vielen Jahren über Hersteller- und AMNOG-Rabatte beispielsweise – erheblich zur Entlastung der GKV bei. Die Auslagerung von versicherungsfremden Leistungen aus der Finanzierungsverantwortung der GKV birgt noch großes Einsparpotenzial. Und es sind im System enorme Effizienzreserven zu bergen. Aber ich appelliere auch an die Politik, dass sie den Mut hat zu sagen, dass das Gesundheitssystem teurer werden wird – schließlich treffen immer weniger junge Menschen auf immer mehr ältere Menschen. Deswegen müssen wir jetzt schauen, wo wir effizienter werden können, und gleichzeitig Gesundheit als Investition in die Zukunftsfähigkeit des Landes verstehen.

Zusammenfassend: Warum braucht Deutschland eine starke Pharmabranche?

Schoenmaeckers: Wir gehören zu den wenigen wachsenden Industrien in Deutschland. Wollen wir die hiesige Wirtschaft wieder stärken, resilientere Systeme bauen, mehr Innovation haben, dann ist die Pharmabranche Teil der Lösung. Sie fördert Gesundheit, treibt Innovationen und ist mit ihren rund 130.000 Mitarbeitenden und knapp 30 Milliarden Euro direkter Bruttowertschöpfung pro Jahr ein enormer Wirtschaftsfaktor. Und: Die Pharmaindustrie ist noch hier in Deutschland – nun muss die Politik handeln, um sie zu halten und zu stärken.

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