
Die GKV hat massive strukturell bedingte Finanzprobleme. Was sind die Pläne, um das in der nächsten Legislaturperiode in den Griff zu bekommen?
Dr. Paula Piechotta: Im Haushaltsausschuss bin ich insbesondere für den Etat des Gesundheitsministers und damit für den Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt in die Gesetzliche Krankenversicherung zuständig – und man muss schlicht und ergreifend sagen, dass sehr viele versicherungsfremde Leistungen in den vergangenen Jahren der GKV aufgebürdet wurden, die nicht vollumfänglich durch den Steuerzuschuss abgebildet werden. Das ist nicht nur ein finanzielles Problem. Es ist auch ein massives Gerechtigkeitsdefizit, wenn für allgemeine Aufgaben, die eigentlich der Bund zu leisten hätte, nicht die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler herangezogen wird, sondern nur die GKV-Versicherten, von denen viele nicht zu den Höchstverdienern gehören – weil eben der Steuerzuschuss nicht ausreicht. Den Steuerzuschuss so auszugestalten, dass er vollumfänglich die Kosten der versicherungsfremden Leistungen abdeckt – das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Teil, um die Versicherten-Beiträge wieder suffizient abzusenken. Auf der anderen Seite wird man aber weiter darüber nachdenken müssen, wie man das Gesundheitssystem insgesamt effizienter aufstellt.
Sind Spargesetze mit dem Fokus auf Arzneimittel geplant?
Piechotta: Sehr viele Akteure haben ein Interesse daran, dass die Kosten von Arzneimitteln, die als Block eine sehr dynamische Ausgabenentwicklung haben, in einem händelbaren Umfang bleiben. Auch kein Arzneimittelhersteller hat etwas davon, wenn wir am Ende eine GKV haben, die die Last der Kosten nicht mehr tragen kann. Vor dem Hintergrund zu schauen, was ist machbar und was nicht: Das wird auch nach der Bundestagswahl ein wichtiges Thema sein.

Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den GKV-Gesamtausgaben lag 2023 bei 16,4 Prozent und ist seit Jahrzehnten relativ stabil – wäre das nicht ein Sparen an der falschen Stelle, wenn man die wirtschaftliche Bedeutung der Pharmaindustrie bedenkt?
Piechotta: Die pharmazeutische Industrie ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor und deswegen wird es sicherlich so sein, dass man da gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen zu einer guten Lösung kommt. A und O und überragendes Interesse der nächsten Legislatur im Bereich der Gesundheitspolitik wird eine GKV sein, die weiter stabil die Versicherung und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung abdecken kann.
Wollen Sie die Umsetzung der Nationalen Pharmastrategie, welche die Ampel-Regierung auf den Weg gebracht hat, weiterführen?
Piechotta: Die Nationale Pharmastrategie ist ziemlich gut gestartet. Und wir sehen, dass diese Industrie als eine der Wenigen ohne große Zuwächse im Bereich CO2-Ausstoß Wachstum generieren kann. Daher wird die Pharmastrategie sicherlich weitergeführt. Dabei kann ich mir vorstellen, dass es ggf. kleine Anpassungen geben wird – aber im Großen und Ganzen wird sie vermutlich relativ konstant weitergetragen werden.
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