Bei einem Symposium der Bundesapothekerkammer diskutierten Fachleute über das Impfen in Apotheken. Sie waren sich einig: Das ist eine sinnvolle Sache. Foto: ©ABDA
Bei einem Symposium der Bundesapothekerkammer diskutierten Fachleute über das Impfen in Apotheken. Sie waren sich einig: Das ist eine sinnvolle Sache. Foto: ©ABDA

Impfen in der Apotheke? „Völlig unklug, dieses Potenzial nicht zu nutzen!“

Gegen Grippe oder COVID-19 impfen: Das ist in Deutschland inzwischen nicht nur in ärztlichen Praxen, sondern auch in vielen Apotheken möglich. Auf einem Symposium der Bundesapothekerkammer sprachen Expert:innen über Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen. Die Kompetenz von Apotheker:innen nicht voll auszuschöpfen sei „ein Luxus, den wir uns gar nicht leisten können“, sagte Kinderarzt Dr. med. Matthias Bollinger.
Thomas Benkert (links, Foto: ©ABDA), Sabine Dittmar (rechts, Foto: Maximilian König)

Rund 76 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind per Impfung gegen COVID-19 grundimmunisiert. In Sachen Grippe sind die Zahlen schlechter: Nur 47 Prozent der Menschen ab 60 Jahren sind geimpft – dabei müssten es 75 Prozent sein, soll die Zielvorgabe der Europäischen Union (EU) erreicht werden. Das ist „schlichtweg viel zu wenig“, findet Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK). 

Es sei „ein wirklich wichtiger Punkt, dass wir Impfquoten erhöhen“, so SPD-Politikerin Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. „Alle, die dazu beitragen können, sollen ihren Beitrag leisten.“ Stichwort: Apotheker:innen. „Sie haben die Struktur, sie sind den Menschen vertraut […] und sie haben einen sehr, sehr niedrigschwelligen Zugang“. 

Impfen: 13.200 geschulte Apotheker:innen 

2020 starteten in verschiedenen Bundesländern erste Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung – seit Herbst 2022 gehören sie in den Apotheken zur Regelversorgung. Seit Anfang vergangenen Jahres sind zudem COVID-19-Impfungen in vielen Apotheken in ganz Deutschland möglich. Das sei nichts Ungewöhnliches, betonte Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie der BAK. In mindestens 36 Ländern weltweit wird – in unterschiedlichem Ausmaß – in Apotheken geimpft (Stand: 2020).

In Deutschland gebe es aktuell 13.200 für das Impfen geschulte Apotheker:innen in den öffentlichen Apotheken, fasste Dr. Eckert-Lill zusammen. „Und wir haben […] etwa 1.174 Apotheken, die Grippeschutzimpfungen anbieten, und knapp 1.600 Apotheken, die COVID-19-Impfungen anbieten“. Da sei „noch Luft nach oben“.

Impfen? Apotheken stehen vor Herausforderungen

Impfen? Apotheken stehen vor Herausforderungen
Symposium der BAK: Impfen in der Apotheke? Foto: Pharma Fakten

BAK-Präsident Thomas Benkert berichtete von den Ergebnissen einer Umfrage, die im Februar und März 2023 online durchgeführt wurde. Rund 2.000 Apotheken-Leiter:innen äußerten sich darin zu Hürden, die sie sehen: Die Mehrheit (71 %) nannte den zusätzlichen personellen Aufwand. Fast ebenso viele (69 %) verwiesen auf die räumlichen Anforderungen. „Es kann meiner Ansicht nach nicht sein, dass in manchen Bundesländern eigene Räumlichkeiten, die nur für das Impfen und sonst für überhaupt nichts da sind, gefordert werden“, ärgerte er sich. 

62 Prozent der Befragten befürchteten zudem, dass das Verhältnis zu benachbarten Ärzt:innen leiden könnte, wenn sie Impfungen durchführen. Tatsächlich hatte es in der Vergangenheit immer wieder Kritik aus der organisierten Ärzteschaft gegeben (s. Bundesärztekammer). Dr. Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der BAK, kann aus seiner eigenen Erfahrung jedoch nur Positives berichten: Es habe „keine Probleme“ und „keine Berührungsängste“ gegeben. „Insbesondere in der letzten Saison, wo wir ja sehr viele Infektionskrankheiten auf einmal hatten: Da waren die Arztpraxen am Limit mit ihrer Arbeit.“ Teilweise hätten diese die Patient:innen „proaktiv zu mir in die Apotheke geschickt“.  

Wichtig: Niedrigschwellige Impfangebote

Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie der BAK
Dr. Christiane Eckert-Lill. Foto: ©ABDA

Gründe, die für das Impfen in Apotheken sprechen, gibt es einige. Laut Benkert sehen Apotheken-Leiter:innen vor allem den leichteren Zugang für die Menschen als ausschlaggebend (76 %). „Die Öffnungszeiten in der Regel von 8 Uhr bis 18 Uhr, zum Teil bis 20 Uhr; auch am Samstag greifbar, man braucht keinen Termin, die Apotheke ist einfach da“, führte der Experte aus. 61 Prozent der Leiter:innen nannten als Pro-Argument den aktiven Beitrag, den die Apotheke zur Prävention leisten kann. Eine Mehrheit (55 %) geht zudem davon aus, dass durch das Impfangebot ihr Profil als Heilberufler:innen gestärkt wird.

Dr. Eckert-Lill stellte die Sicht der Patient:innen vor, wie sie im Rahmen der Grippe-Modellvorhaben erhoben worden war. „13 Prozent der Geimpften wären nicht zum Impfen gegangen, wenn nicht das Angebot der Apotheke vorhanden gewesen wäre – das ist schon eine Ansage.“

Apotheken-Inhaber Dr. Müller kann die positiven Ergebnisse aus eigener Erfahrung bestätigen. Berufs-Kolleg:innen motiviert er mit folgenden Worten: „Es ist ein ganz anderes Gefühl mit den Patient:innen“. Beim Impfen sei „weniger Distanz“, die Menschen seien „alle glücklich und hochzufrieden“ – und „das macht auch Spaß“. Er habe „wirklich das Gefühl, dieser Heilberuf bekommt eine Aufwertung“. Kinderarzt Dr. Bollinger ergänzte zudem, dass das Impfen „kein Hexenwerk“ sei. Es brauche eine Struktur – und dann könne das in der Apotheke genauso wie in der Arztpraxis laufen.

Potenzial eines Heilberufs besser nutzen

Impfen in der Apotheke? „Völlig unklug, dieses Potenzial nicht zu nutzen!“
Impfen in der Apotheke: In kürzester Zeit möglichst viele Menschen impfen. Foto: ©ABDA

„Es geht darum, in kürzester Zeit möglichst viele Menschen geimpft zu bekommen. Das kann unser bestehendes System an Arztpraxen gar nicht leisten. Da brauchen wir viel Unterstützung, wenn wir das als gesellschaftliche Aufgabe sehen.“ Dr. Bollinger verwies auf die abnehmende flächendeckende ärztliche Versorgung – die „Löcher werden größer“. Daher sei es „völlig unklug“, das Potenzial der Apotheken „nicht zu nutzen“. Oder anders gesagt: Die Kompetenz von hochqualifizierten Menschen nicht auszuschöpfen sei „ein Luxus, den wir uns gar nicht leisten können und sollten.“

Grundsätzlich seien über 50 Prozent von rund 2.700 befragten Apotheken-Mitarbeitenden auch bereit, weitere Impfungen – über COVID-19 und Grippe hinaus – anzubieten, so Benkert. SPD-Frau Dittmar sagte zwar, dass das aktuell kein Thema in der politischen Debatte ist – sie persönlich könnte sich das künftig aber durchaus vorstellen. Der BAK-Präsident stellte klar: „Wenn die Politik sagt, wir können auch mehr – dann würden wir auch mehr tun.“ Es gehe um eine „niedrigschwellige Ergänzung“ zu den Ärzt:innen – für das „Wohl der Bevölkerung“.

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