
Frau Voß, Was macht eine Studienkoordinatorin? Was sind im Wesentlichen Ihre Aufgaben?
Gesa Voß: Wir sind Teil eines Teams: Da sind die Ärztinnen und Ärzte, die Study Nurses, die hauptsächlich pflegerische Aufgaben übernehmen, und dann gibt es die Koordinatorinnen und Koordinatoren. Deren klassischen Aufgaben sind die Organisation und Betreuung der Studie – etwa die Meetings zwischen den Teams und den Sponsoren der Studien. In der Regel sind das Pharmaunternehmen. Die Aufgaben unterscheiden sich je nachdem, ob eine Studie geplant wird oder schon läuft. Zunächst müssen die Verträge geschrieben und Genehmigungen eingeholt werden. Laufen die Studien, müssen Termine für Patientinnen und Patienten organisiert werden, zunächst für die Aufklärungsgespräche und dann für die Untersuchungen.
Sind Sie auch für die Dokumentation verantwortlich?
Voß: Ja, die ist sehr wichtig und sehr zeitintensiv. Das ist ja die Grundlage für die Bewertung des Arzneimittels. Die Ärzte haben dafür keine Zeit; dafür braucht man uns Studienkoordinatoren.
Was ist das Besondere an dem Beruf?
Voß: Er ist sehr kommunikativ. Ich habe viel Kontakt mit den Patientinnen – da wir Studien zu Brust- und Eierstockkrebs durchführen, sind das fast ausschließlich Frauen. Wir sind fester Ansprechpartner, verfolgen, wie die Therapie anspricht, sehen die Behandlungserfolge und auch die Rückschläge. Natürlich ist es wichtig, diese Menschen mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen zu begleiten. Wir beim UKSH haben den Anspruch, sie sehr engmaschig zu betreuen. Jede Studie ist anders und dadurch bleibt es interessant. Wir als Team bringen die klinische Forschung voran und können auch sehen, wie sich die Therapiemöglichkeiten in den vergangenen Jahren verbessert haben.
Sie machen das schon viele Jahre. Wie hat sich Ihr Beruf verändert?
Voß: Über die Zeit sind immer mehr Aufgaben auf uns übergegangen. Die Studien sind wesentlich umfangreicher geworden, auch viel spezieller mit kleinen Patientinnenkollektiven. Die Dokumentation ist anspruchsvoller – es wird in Englisch dokumentiert – und der ganze Prozess ist digitaler geworden.
Wie wichtig ist Ihr Beruf für den Erfolg einer klinischen Studie?
Voß: Absolut essentiell. Die Ärztinnen und Ärzte können die Koordination und Dokumentation nicht leisten.
Welche Ausbildung sollte man haben?
Voß: Es gibt keine geschützte Berufsbezeichnung. Study Nurses sollten eine pflegerische Ausbildung haben, aber für die Koordinatoren gibt es keine festgelegte Ausbildung. Deshalb ist der Beruf auch für Quereinsteiger interessant. Wichtig ist, dass man ein paar Grundvoraussetzungen mitbringt. Wie gesagt: kommunikativ sein, systematisch arbeiten und sich organisieren können und Initiative zeigen. Gutes Englisch ist Voraussetzung und Interesse am medizinischen Bereich sollte man natürlich auch haben.
An dieser Stelle die fast schon obligate Frage: Gibt es in diesem Bereich auch Fachkräftemangel?
Voß: Ja. Study Nurses werden überall händeringend gesucht und Studienkoordinatoren sind auch sehr schwer zu finden. Daraus ergibt sich ein Engpass: Wir werden in Zukunft nicht mehr alle klinischen Studien durchführen können, wie wir das möchten und darunter leidet letztlich der medizinische Fortschritt.
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