2011 erhielt eine erste Krebs-Immuntherapie die Zulassung. Damals konnte niemand vorhersehen, was die Immunonkologie für die Patient:innen heute bedeutet. Foto: ©iStock.com/vadimguzhva
2011 erhielt eine erste Krebs-Immuntherapie die Zulassung. Damals konnte niemand vorhersehen, was die Immunonkologie für die Patient:innen heute bedeutet. Foto: ©iStock.com/vadimguzhva

Krebs-Immuntherapie: Das konnte niemand ahnen

2011 erhielt eine erste Immuntherapie gegen Krebs die Zulassung, weitere Wirkstoffe folgten mit den Jahren. Die Erwartungen waren schon damals groß – doch niemand konnte die Studiendaten von Heute vorhersehen. Sie zeigen, wie sehr Patient:innen über viele Jahre von der Immunonkologie profitieren. Sie haben Leben geschenkt, wo vorher kaum mehr Hoffnung bestand.

„Wir konnten den Betroffenen eine Chemotherapie anbieten. Manchmal – in seltenen Fällen – half das. Aber es gab fast nie ein langfristiges Ansprechen auf die Behandlung“: So blickt der US-amerikanische Melanom-Experte Jedd Wolchok auf die Zeit zurück, als es noch keine Immunonkologie gab. Anders gesagt: Die Prognose bei schwarzem Hautkrebs im fortgeschrittenen Stadium war denkbar ungünstig. Die Überlebensrate von Menschen, die vor rund einem Jahrzehnt mit einer solchen Diagnose konfrontiert waren, lag nach nur einem Jahr bei etwa 25 Prozent. Das heißt: Die große Mehrheit (ca. 75 %) hat die ersten 12 Monate nicht überstanden. Ebenso dramatisch schildert es die Onkologin Tina Cascone gegenüber dem Newsportal BIOPHARMADIVE mit Blick auf Lungenkrebs: „In den 90er-Jahren ging ich auf die medizinische Hochschule und in den frühen 2000ern war ich in einer onkologischen Niederlassung. Wir hatten die alte, platinum-basierte Chemotherapie – und sonst nicht viel anzubieten.“

Krebs: Der Einzug der Immunonkologie

Die Zahl der Immuntherapien  die gegen Krebs erforscht werden  hat von 2019 auf 2020 um 22 Prozent zugenommen.Doch dann kam 2011 – und damit die Zulassung einer ersten Immuntherapie. Immuntherapien greifen die Tumorzellen nicht direkt an, sondern aktivieren das Immunsystem, sodass es selbst gegen sie vorgehen kann. Onkologe Hussein Tawbi erinnert sich noch daran, als er 2010 von Studiendaten beim Melanom erfuhr: „Wir schnappten tatsächlich nach Luft.“ Über die folgenden Jahre dürfte es Expert:innen wie Tawbi noch des Öfteren so ergangen sein – denn es kamen weitere immunonkologische Präparate hinzu, die neue Wirkmechanismen verfolgten und auch andere Krebsarten adressierten. Trotz dieser Fortschritte konnte damals wohl niemand vorhersehen, was sich in den Studiendaten und in der ärztlichen Praxis von Heute zeigt. Beispiel fortgeschrittener Hautkrebs – hier können Mediziner:innen eine Kombination aus zwei unterschiedlichen Immuntherapien (PD-1- und CTLA-4-Checkpoint-Inhibitoren) einsetzen:

  • Zehn Jahre nach Beginn der Behandlung leben laut Studiendaten noch 43 Prozent der Betroffenen. Zur Erinnerung: Vor rund einer Dekade lebten schon nach dem ersten Jahr nur noch 25 Prozent der Patient:innen. Das mediane Überleben – also die Zeit, innerhalb derer die Hälfte der Menschen verstorben ist – liegt heute nicht mehr bei wenigen Monaten, sondern bei sechs Jahren.
  • Mehrere Wissenschaftler:innen kommen angesichts dieser Daten im „The New England Journal of Medicine“ zu dem Schluss: „Der nachhaltige Nutzen von Immuncheckpoint-Inhibitoren, wie er sich über die lange Nachbeobachtungsperiode in dieser Studie gezeigt hat, unterstreicht das Heilungspotenzial für Menschen mit fortgeschrittenem Melanom […]“. Soll heißen: Manche Patient:innen könnten dank der immunonkologischen Kombinationstherapie geheilt sein – das werden die Daten der Zukunft zeigen.

Immunonkologie: Neue Perspektiven

T-Zellen greifen Krebszellen an
Krebsimmuntherapien eröffnen neue Perspektiven. Foto: ©iStock.com/wildpixel

„Viele Melanom-Patient:innen haben mit den modernen Arzneimitteln eine Chance auf Langzeitüberleben“, so Dr. Holger Krönig, Senior Medical Director Hematology & Oncology bei Bristol Myers Squibb, im Pharma Fakten-Interview. Und auch bei vielen anderen Krebsarten – etwa in der Lunge oder der Brust – eröffnen Immuntherapien Perspektiven, die es früher nicht gab. „Wir haben Patienten mit metastasiertem Lungenkrebs, die 10 Jahre leben – und das mit 2 Tabletten am Tag“, erzählte Mediziner Professor Dr. Jürgen Wolf 2023 auf einer Veranstaltung (s. Pharma Fakten). Früher lag das mediane Überleben dieser Menschen bei wenigen Monaten.

BIOPHARMADIVE.com berichtet von einer Lungenkrebspatientin, die 2015 – den Tod vor Augen – eine neuartige Immuntherapie erhielt: 2016 beendete sie die Behandlung – und seitdem gibt es keine Krebs-Anzeichen mehr. Eine andere Patientin, die nach mehreren vorangegangenen Behandlungen nun eine Kombi aus Immun- und Chemotherapie bekommt, erklärt: „Man sagt mir, dass das eine Behandlung auf Lebenszeit sein wird.“ Sie könne sich „gut vorstellen“, damit für den Rest ihres Lebens glücklich zu sein, „denn die Nebenwirkungen sind minimal und verkraftbar.“

Was für den einen Menschen die perfekte Lösung ist, funktioniert bei anderen nicht; das Ansprechen auf die Therapie, die möglichen Nebenwirkungen – all das kann von Patient:in zu Patient:in sehr unterschiedlich sein. So ist das immer in der Medizin. Und daher gilt: Die Immuntherapie ist kein Wundermittel. Bei vielen Betroffenen und Krebsarten liefen die Hoffnungen bislang ins Leere – nicht umsonst sind Tumorerkrankungen nach wie vor ein Hauptfokus forschender Pharmaunternehmen. Aber vielen Menschen hat die Immunonkologie Lebenszeit geschenkt, die vorher nicht denkbar war; für manche könnte sie gar Heilung bedeuten. Das hätte vor rund einem Jahrzehnt niemand ahnen können. Was wohl in zehn Jahren sein wird?

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