Fragt man ChatGPT nach einer knackigen Formulierung für „Sprunginnovation“ kommt aus den Tiefen der Server folgender Text: Demnach ist eine Sprunginnovation „eine radikale, disruptive Neuerung, die bestehende Strukturen, Technologien oder Märkte durch einen grundlegenden Fortschritt oder eine völlig neue Lösung ersetzt oder neu definiert.“ Beispiele aus der Arzneimittelforschung gibt es genug; da sind:

- mRNA-Impfstoffe , die die körpereigene Zelle als „Fabrik“ für Antigene nutzen und als Paradigmenwechsel in der Impfstoffentwicklung gelten.
- Monoklonale Antikörper, die gezielte Eingriffe in Krankheitsmechanismen erlauben und Bestandteil der präzisionsmedizinischen Ära sind.
- Immuncheck-Inhibitoren, die von Krebszellen lahmgelegte Immunzellen entfesseln, damit sie Tumore bekämpfen können.
- CAR-T-Zelltherapien, bei denen die eigenen Immunzellen genetisch so verändert werden, dass sie Tumorzellen gezielt angreifen – eine individualisierte, lebende Arzneimitteltherapie.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie können schwer kranken Menschen neue Lebensperspektiven und mehr Lebensqualität bieten; Sprunginnovationen verschieben die Grenzen des medizinisch Machbaren.
Aber Innovationen entstehen nicht aus dem Nichts. Gerade in der forschenden Arzneimittelindustrie mit ihren sehr langen Entwicklungszeiten gibt es Faktoren wie Planbarkeit oder Rechtssicherheit, die für das Gedeihen neuer Produkte so wichtig wie die Luft zu atmen ist. Sprich: Die Standortfaktoren müssen stimmen. Die aber, so machte Politikberater Dr. Felix Seyfahrth in seinem Impuls klar, ist längst nicht mehr nur ein Ort, „ein Fleck auf der Karte, sondern ein Zusammenspiel von Menschen, Regulierung, Infrastruktur und politischer Berechenbarkeit.“ Ein Ökosystem ist für ihn entscheidender Erfolgsfaktor dafür, dass Neues entstehen kann.
Biotechnologie und Pharma: Die neue Leitindustrie
Das hat sich das Land Bayern schon lange auf die Fahnen geschrieben. Bereits 1994 wurden dort die ersten Weichen gestellt und es wurde eine Biotechnologieoffensive losgetreten, vor zehn Jahren das Dialogforum Bayerischer Pharmagipfel aus der Taufe gehoben; es folgen Hightech Agenda und Highmed Agenda Bayern. „Bayern ist Pharmaland“, so Dr. Markus Born, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie. Die Branche wird dort als Leitindustrie verstanden. Das Ergebnis: „Überproportionales Wachstum“, so Born. „Der Produktionsindex der bayerischen Pharmaunternehmen ist im Vergleich zum deutschen Index deutlich gestiegen.“

Eines der Unternehmen, die Dr. Born mit seinem Verband vertritt, ist Daiichi Sankyo. Das global aufgestellte Unternehmen aus Tokio betreibt in Pfaffenhofen bei München einen Produktionsstandort der Extra-Klasse, der Arzneimittel in 55 Länder exportiert. Matthias Kühn, der den Standort leitet, sagt: „Investitionen in die Biotechnologie sind für uns in den kommenden Jahren zentral. Hier müssen wir einfach stärker werden.“ Das Werk entwickelt sich gerade von einem Tablettenhersteller „zu einem Biotech-Cluster – mit ca. 1 Milliarde Euro Investment, vier neuen Gebäuden, 350 neuen Mitarbeitenden bis 2030.“ Alles gut also? „Wir müssen schneller werden; wir müssen vom Konzept zum Markt schneller werden.“ Für Kühn sind Geschwindigkeit, Stabilität und Mindset die entscheidenden Faktoren. Mit letzterem meint er: „Wir müssen Innovation als Motor sehen und nicht als Behinderung.“ Dann könnte die Pharmaindustrie Europas „Maschine für Innovation, Export und Resilienz werden.“ Denn auch Krisenfestigkeit zeichnet diese Branche aus.
Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin: Ein Gamechanger

Stichwort Sprunginnovation: Die KI wird die Medizin in den kommenden Jahren tiefgreifend verändern. „Stellen Sie sich vor, wir könnten Krankheiten Jahre früher erkennen, Therapien gezielter entwickeln und Patientinnen und Patienten individueller behandeln“, so Dr. Benjamin Gmeiner, Leiter für medizinische Datenstrategie bei Novartis Pharma. Geht es nach ihm, würde man aus den großen Datenmengen einen Datenschatz machen; „ein Datenschatz, der hilft Leben zu verlängern, Versorgung zu verbessern und Kosten zu senken.“ 30 Prozent aller weltweit verfügbaren Daten sind Gesundheitsdaten, aber laut Weltgesundheitsorganisation werden 97 Prozent davon nicht genutzt.
Gerade bei der Arzneimittelentwicklung sieht Dr. Gmeiner sehr viel Potenzial. Mithilfe der KI lassen sich Behandlungsziele – also das Targeting und das Wirkstoffdesign – optimieren, beschleunigen, effizienter gestalten. Im nächsten Schritt, den Klinischen Studien, scheitern immer noch 90 Prozent der Wirkstoffe. Das liegt daran, dass sie komplexer werden. „Was aber wäre, wenn wir vor dem Start einer Studie vorhersagen könnten, ob sie gelingen wird oder nicht?“ Dafür werden heute schon virtuelle Abbilder von Patient:innen geschaffen, so genannte digitale Zwillinge: „Wir nehmen alle Daten, die wir haben: Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, Medikamentengabe, Blutwerte oder genetische Profile und generieren ein virtuelles Abbild im Computer.“ Mithilfe der KI ist nun die Simulation davon möglich, was im Körper passieren würde, wenn ein bestimmtes Medikament gegeben wird. Auch virtuelle Kontrollarme sind mit der Technologie möglich. Dann müssten Patient:innen nicht mehr an Placebo-Armen teilnehmen, denen ein möglicherweise wirksames Arzneimittel vorenthalten wird. „Damit haben wir eine nachhaltigere, humanere klinische Entwicklung.“
KI: Die Zukunft der Medizin ist datenbasiert

Die Voraussetzung dafür, dass diese Innovation bei den Menschen ankommt, ist auch eine Frage des Mindsets. Dr. Gmeiner sagt: „Die Technologie entfaltet ihr Potenzial nur, wenn wir sie nutzen: gemeinsam, mutig und verantwortungsvoll.“ Zwischen Datenschutz und Datennutzung sieht er keinen Widerspruch: „Die Zukunft der Gesundheit ist datenbasiert. Lassen Sie uns gemeinsam starten.“
Wie es auch gehen kann, zeigte der Erste Bürgermeister von Biberach an der Riß, Ralf Miller, auf. Die Stadt in Baden-Württemberg hat 35.000 Einwohner:innen und 31.000 Arbeitsplätze. „Verwaltungstechnisch heißt das: eine hohe Arbeitsplatzdichte“, so Miller trocken. Allein der Campus des forschenden Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim bietet 7.700 Menschen einen Arbeitsplatz. Das Erfolgsrezept: „Wir arbeiten in einer Symbiose, damit sich Stadt und Unternehmen gemeinsam entwickeln können. Im Schwäbischen sagt man gerne: Man muss miteinander schwätze“. So einfach kann die erfolgreiche Ansiedlung hochinnovativer Unternehmen sein: einfach mal miteinander reden. Dann klappt es auch mit dem Wirtschaftswachstum.
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