Der Rat der EU hat sich auf eine gemeinsame Position zur Überarbeitung des Pharmapakets geeinigt – das Ziel sei es, den pharmazeutischen Sektor in Europa „fairer und wettbewerbsfähiger“ zu machen, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Rat ist damit bereit für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Zum Hintergrund: Am 26. April 2023 hatte die EU-Kommission einen Entwurf für ihr neues Pharmapaket veröffentlicht. Es sieht eine umfassende Reform der regulatorischen Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie vor. Grundsätzlich ist das gut so – nach mehr als 20 Jahren ist es an der Zeit, „die allgemeine EU-Arzneimittelgesetzgebung zu überarbeiten und an die veränderten Bedingungen und den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen“, erklärte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) im Januar 2024.

Doch die Pharmaindustrie fürchtet, dass die Entscheidungsträger:innen die Gesetzgebung so ausgestalten, dass der Standort Europa an Attraktivität verliert. Denn in der Position des Rates der EU ist „eine Verkürzung der Marktexklusivität für neue Arzneimittel vorgesehen“, erklärt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). „Marktexklusivität ist ein zeitlich begrenzter Schutz eines konkreten Arzneimittels nach der Zulassung, der unabhängig vom Patentschutz wirkt“. Laut dem europäischen Pharmaverband EFPIA könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen zu weniger Investitionen und weniger innovativen Therapien „made in Europe“ führen. „Wer Innovation will, muss Investitionen ermöglichen“, betont auch vfa-Präsident Han Steutel. „Die vorgeschlagenen Kürzungen der Schutzfristen senden das falsche Signal – insbesondere an forschende Unternehmen, die ihre Entscheidungen über künftige Entwicklungen und Standorte jetzt treffen.“
Pharma: Komplexes Geschäftsmodell trifft auf geopolitische Unsicherheiten
Zur Erinnerung: Das Geschäftsmodell der forschenden Pharmaindustrie hat es in sich. Von bis zu 10.000 Substanzen aus der frühen Forschung schafft es im Schnitt nach 13,5 Jahren ein Wirkstoff bis zur Zulassung. „Für Unternehmen sind stabile Rahmenbedingungen essenziell, um risikoreiche und kapitalintensive Forschungsprojekte überhaupt in Angriff nehmen zu können“, unterstreicht der vfa. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört der Schutz geistigen Eigentums – Arzneimittelinnovationen werden mit Instrumenten wie Marktexklusivität „zeitlich befristet vor Nachahmung geschützt, um so den Firmen Gelegenheit zu geben, ihren vorherigen enormen Forschungs- und Entwicklungsaufwand wieder zu amortisieren“, schreibt der vfa. Kommt es hier zu Änderungen, kann das weitreichende Auswirkungen haben: Für pharmazeutische Firmen sind die Einnahmen von heute schließlich die Basis für die Entwicklung der Wirkstoffe von morgen.

„Angesichts eines äußerst disruptiven und unvorhersehbaren globalen Umfelds braucht Europa Klarheit, Stabilität und zukunftssichere Rahmenbedingungen, um pharmazeutische Innovation zu fördern“, macht EFPIA deutlich. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump macht nicht nur mit Wissenschaftsfeindlichkeit von sich reden; sie will auch einiges adhoc verändern – etwa mit Blick auf Zölle und die Arzneimittelpreisbildung. Der internationale Wettbewerb verschärft sich. „Gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen ist eine widerstandsfähige und strategisch autonome Gesundheitsversorgung unverzichtbar – sie beginnt mit einer starken, innovationsfähigen Arzneimittelentwicklung in Europa“, sagt Steutel, vfa. Notwendig sei ein Pharmagesetz, „das Forschung belohnt, statt sie auszubremsen“.
EFPIA drängt politische Entscheidungsträger:innen dazu, die „langfristigen Konsequenzen in Betracht zu ziehen“. Und auch der vfa appelliert an das Europäische Parlament, „im nun folgenden Gesetzgebungsprozess entscheidende Korrekturen vorzunehmen“. Steutel: „Es liegt nun am Parlament, gemeinsam mit dem Rat der EU im Rahmen der anstehenden Trilogverhandlungen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern – zum Wohle der Patientinnen und Patienten in ganz Europa“.
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