Die „Nationale Dekade gegen Krebs“ will die Kräfte aller relevanten Akteur:innen im Kampf gegen Krebs bündeln. Ein Gespräch mit Dr. Christian Macher von Gilead Sciences Deutschland. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff
Die „Nationale Dekade gegen Krebs“ will die Kräfte aller relevanten Akteur:innen im Kampf gegen Krebs bündeln. Ein Gespräch mit Dr. Christian Macher von Gilead Sciences Deutschland. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

Krebs besiegen? Nur gemeinsam

Die „Nationale Dekade gegen Krebs“ will die Kräfte aller relevanten Akteur:innen in Deutschland im Kampf gegen Krebs bündeln. So sollen „künftig möglichst viele Neuerkrankungen verhindert werden und Betroffene ein besseres Leben führen können“, heißt es auf der Webseite. Im Gespräch erklärt Dr. Christian Macher, General Manager von Gilead Sciences Deutschland, warum die Initiative so wichtig ist.

Trotz aller Fortschritte: Krebserkrankungen bleiben in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen. Sie sind in Deutschland nach den Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache. In den nächsten 20 Jahren wird sich die Zahl der neuen Fälle weltweit verdoppeln. Allein in Deutschland ist bis 2030 mit einem Anstieg von derzeit 500.000 auf 600.000 Neuerkrankungen im Jahr zu rechnen. Wesentliche Treiber dafür sind die älter werdende Gesellschaft und eine ungesunde Lebensweise.

Krebs: Komplexes Krankheitsgeschehen

Krebs ist ein komplexes Krankheitsgeschehen. Es bedarf deshalb der Zusammenarbeit Aller über Sektoren- und Unternehmensgrenzen hinweg. Diese Erkenntnis findet sich in der Nationalen Dekade gegen Krebs wieder, die eine Initiative unter der Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBF) ist. Sie wird unterstützt von einer wachsenden Zahl von Stiftungen, Verbänden, Vereinen und Unternehmen. Die Dekade will das Thema ganzheitlich angehen: Auf der Agenda stehen neben neuen Therapien die Prävention, die Früherkennung und Nachsorge, sowie ungeklärte Fragen in der Wissenschaft.

Dr. Christian Macher, Gilead Sciences
Dr. Christian Macher, Gilead Sciences. Foto: Thomas Linkel

Dr. Christian Macher ist Deutschland-Chef von Gilead-Sciences. Das Biotech-Unternehmen ist Experte für virologische Erkrankungen wie HIV und Hepatitis. Außerdem setzt es in der Forschung auf die Onkologie. Es war eines der ersten Unternehmen, die die CAR-T-Zelltherapie in die medizinische Versorgung gebracht haben – ein ganz neuer Weg, bestimmte Krebserkrankungen zu bekämpfen. 

Herr Dr. Macher, Gilead Sciences ist offizieller Unterstützer der „Nationalen Dekade gegen Krebs“. Warum dieser Schritt?

Dr. Christian Macher: Für uns steht ein Thema ganz oben: Wir wollen eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung anbieten – in jeder Lebensphase und für alle Gruppen unserer Gesellschaft. Hochwertige medizinische Versorgung ist ein zentraler Baustein, ebenso wichtig ist aber auch diversitätssensible Betreuung, die niemanden zurücklässt, und eine bedarfsgerechte Pflege. Wir wollen auf individuelle Bedürfnisse und Lebenssituationen der Betroffenen eingehen und ihnen gerecht werden. Gesundheit ist auch viel mehr als eine funktionierende Arzneimittelversorgung. Deshalb gehört zu unserem Portfolio auch die Unterstützung von Menschen und ihren Angehörigen. Ein Beispiel dafür ist unsere Webseite Onkopilotin, die Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs konkrete Hilfestellung bietet. 

Die Nationale Dekade gegen Krebs ist ein Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Forschung, Gesundheitswesen, von Patientenvertretern, von Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dieser interdisziplinäre Ansatz ist genau das, was es für die Bekämpfung von Krebs braucht. Insofern war es für uns nur ein logischer Schritt die Dekade zu unterstützen.

Wo sehen Sie die größten Chancen, Krebstherapien zu verbessern?

T-Zellen greifen Krebszellen an
CAR-T-Zelltherapie: Innovative Krebsimmuntherapie. Foto: ©iStock.com/wildpixel

Macher: Wir setzen auf Forschung, Forschung und wieder Forschung. Gerade in der Onkologie haben wir sie enorm ausgeweitet. Das Ziel: Behandlungsoptionen stark zu verbessern. Fast 2/3 der Wirkstoffkandidaten in unserer Forschungspipeline haben eine Krebsart im Visier. Unser Fokus liegt derzeit auf drei Ansätzen: Der erste Ansatz sind Therapien, die den tumoreigenen Zelltod vermitteln, zum Beispiel mit Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten. Ein weiterer Ansatz ist die CAR-T-Zelltherapie – eine innovative Krebsimmuntherapie, die die immunvermittelte Vernichtung des Tumors fördert. Sie ist eine personalisierte Therapie par excellence, weil sie für jeden Betroffenen gezielt hergestellt wird – ein ganz neues Kapitel in der Krebsbehandlung. Mit unserem dritten Ansatz verfolgen wir darüber hinaus die Forschung an Therapien, die die Mikroumgebung des Tumors adressieren. 

Sie setzen gezielt auf Kooperationen mit Drittpartnern. Warum?

Macher: Mittlerweile haben wir bei Gilead in den Onkologie 30 Forschungskooperationen geschlossen – mit Institutionen aus der Wissenschaft oder anderen forschenden Unternehmen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass wir die medizinische Versorgung nachhaltig verbessern können, wenn wir nicht nur Menschen mit Krebs miteinbeziehen, sondern zusätzlich Wissen und Erfahrungen bündeln, die überall auf der Welt entstehen. Sie müssen wir verknüpfen, wenn wir Erfolg haben wollen. Wir sehen deshalb auch enormes Potenzial darin, mit anonymisierten Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten die Erfolgschancen im gesamten Behandlungszyklus der Krankheit zu steigern. Denn es ermöglicht es uns, aus jedem einzelnen Fall etwas zu lernen, um es beim nächsten Mal noch besser zu machen. In der digital unterstützten Medizin liegt eine Riesenchance.

Was können wir in der Bekämpfung von Krebs noch besser machen?

Macher: Wir behandeln das Thema noch nicht mit der nötigen Dringlichkeit – gerade vor dem Hintergrund, dass statistisch gesehen jeder 2. von uns eine Krebserkrankung entwickeln wird. Krebserkrankungen sind in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Wir müssen in unserer Gesellschaft über dieses Thema noch mehr sprechen und stärker sensibilisieren – auch, weil sehr viele Krebsfälle schlicht vermeidbar wären. Gleichzeitig muss uns klar sein, dass wir Tumorerkrankungen, wenn sie einmal da sind, in der Regel nur mit hochwirksamen und möglichst gut verträglichen Arzneimitteln eindämmen oder besiegen können. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass in Deutschland ein Umfeld herrscht, in dem Spitzenforschung gefördert wird. Und deshalb ist die Dekade so wichtig: Wissensaustausch, Vernetzung und Interdisziplinarität sind die Erfolgsfaktoren für den Kampf gegen Krebs. Wir können uns keine Mauern leisten. Das sind wir auch den Menschen mit Krebs und ihren Angehörigen schuldig.

Ihre Vision: Wo stehen wir in 10 Jahren?

Macher: Ich hoffe, dass es uns gelingt, dass viele Krebserkrankungen in 10 Jahren chronisch sind; soll heißen: dass man nicht mehr daran stirbt. Wir werden auch für einzelne Krebsarten eine Heilung sehen – da bin ich mir sicher. 

Worauf gründen Sie diesen Optimismus?

Macher: Wir leben in einer Zeit eines regelrechten Innovationsbooms. Gerade in der Onkologie sehen wir Dinge, die wir vor wenigen Jahren noch für Science-Fiction gehalten haben. Unsere CAR-T-Zelltherapien sind ein Beleg dafür: Science-Fiction findet bereits statt.

Sie sprachen von einem innovationsoffenen Umfeld. Was meinen Sie damit?

Deutschland kann Spitzenforschung
Deutschland kann Spitzenforschung. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

Macher: Auf der einen Seite leben wir in einem Land mit einer ausgezeichneten Infrastruktur: Die Wissenschaftsszene hat Weltniveau. Deutschland kann Spitzenforschung – das haben wir gerade erst bei der Pandemie live miterleben dürfen. Andererseits verschlechtern sich für Unternehmen wie Gilead die Rahmenbedingungen. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das die Bundesregierung im Herbst beschlossen hat, ist da leider der vorläufige Höhepunkt. Es hat einen klaren innovationsfeindlichen Charakter; Arzneimittelinnovationen werden preislich abgestraft – dabei wird die Pharmaindustrie bereits mit hohen Milliardenbeträgen in Form von Rabatten und anderen Instrumenten zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Kasse gebeten.  Das sind keine guten Signale für einen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Ausgaben für Gesundheit werden in Deutschland immer als ein Problem gesehen. Das ist nicht mehr zeitgemäß: In einer alternden Gesellschaft ist eine Spitzenmedizin auf höchstem Niveau ein wichtiger Erfolgsfaktor.

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