Hochdosierte Chemotherapie oder eine autologe Stammzellentransplantation – das waren die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Multiplen Myelom-Diagnose in den 1980er-Jahren – meist lebten sie damit keine zwei Jahre. Heute steht den Ärzt:innen eine Vielzahl unterschiedlicher, zielgerichteter Arzneimittel für Erstlinien- und Rückfalltherapie zur Verfügung. Standard ist mittlerweile eine Quadrupeltherapie; die Kombination aus vier Wirkstoffen soll sicherstellen, dass die bösartigen Plasmazellen auf ein Minimum reduziert werden. Sie besteht aus einem sogenannten CD38-Antikörper, einem Proteasom-Inhibitor, einem Immun-Modulator und einem Glukokortikoid und konnte in Studien zeigen, dass sie progressionsfreies Überleben deutlich verlängern kann. Mittlerweile stehen auch CAR-T-Zelltherapien und bispezifische Antikörper zur Verfügung.
Diese Arzneimittelinnovationen sind das Resultat enormer Investitionen. Weltweit haben Pharmaunternehmen seit 1990 über 800 klinische Studien mit 100.000 Patient:innen durchgeführt, um Therapien für das Multiple Myelom zu entwickeln, wie LAWG Deutschland in dem Bericht „Der Wert medizinischer Innovationen“ schreibt. LAWG Deutschland ist ein Verein, dem 17 weltweit agierende, forschungsorientierte Arzneimittelunternehmen angehören.
Multiples Myelom: Die Sterblichkeit sinkt
Das Multiple Myelom ist ein bis heute unheilbarer Blutkrebs der Plasmazellen im Knochenmark; die normale Blutbildung wird empfindlich gestört. Folgen sind Knochenschäden, Blutarmut, Infektanfälligkeit und Nierenschäden. Die Krankheit ist selten, das durchschnittliche Diagnose-Alter liegt bei rund 70 Jahren. Die Krankheit ist immer besser behandelbar: Die Perspektiven der betroffenen Menschen haben sich dank moderner Kombinationen, Stammzelltransplantation, Anti CD38 Antikörpern, BCMA gerichteten CAR T Zellen und bispezifischen Antikörpern deutlich gebessert.
Das lässt sich auch aus Studiendaten ablesen: In den USA stieg die relative 5‑Jahres‑Überlebensrate von 40 Prozent (Diagnosejahr 2002) auf ungefähr 64 Prozent (Diagnosejahre 2015-2021). Seit 2014 sinkt die altersstandardisierte Sterblichkeit dort im Mittel um circa 2,6 Prozent pro Jahr. Daten aus Großbritannien bestätigen das. Das mediane Gesamtüberleben hat sich über alle Altersgruppen hinweg nahezu verdoppelt. Und auch in Deutschland gibt es immer bessere Überlebensraten zu vermelden. Onkopedia schreibt: „Die relativen Überlebensraten liegen in Deutschland für die ersten fünf Jahre nach Diagnose bei 57 Prozent und nach zehn Jahren bei 38 Prozent (Periode 2019/20) und damit um acht bzw. sechs Prozentpunkte höher als zehn Jahre zuvor.“
Multiples Myelom: Durch Innovationen eine Krankheit chronifizieren

Die Forschung geht weiter. Die Hoffnung ist, diese Krebserkrankung mit gezielt wirkenden Therapien und deren Kombinationen „chronifizieren“ zu können. Chronifizierung bedeutet, dass es zwar nicht gelingt, sie zu heilen, aber sie langfristig unter Kontrolle gehalten werden kann. Der LAWG-Report zitiert den renommierte Myelom-Experten Professor Dr. Saad Z. Usmani vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York über die aktuellen Forschungstrends: „Ein großer Schwerpunkt wird für uns sein, was wir für Hochrisikopatienten tun können – also für Patient:innen mit aggressiver Krankheit, die sehr schnell einen Rückfall erleiden. Das ist etwa ein Viertel der Betroffenen. Für sie haben wir derzeit keine guten Behandlungsmöglichkeiten.“ Und Professor Dr. Hermann Einsele, Onkologe und Hämatologe aus Würzburg, ergänzt: „Bispezifische Antikörper (BiTEs) können den vorhanden T-Zellen helfen, an die Tumorzellen zu binden und sie zu zerstören. Das birgt viel Hoffnung für Patient:innen mit Multiplem Myelom.“ BiTE steht für „Bispecific T-cell Engagers“; sie gehören zu den neuen Immuntherapien und können an zwei unterschiedlichen Zielstrukturen im Körper gleichzeitig binden.
Noch ist die Krankheit nicht heilbar. Aber es gibt mutmachende Nachrichten. Einige Menschen erreichen unter der Quadrupeltherapie eine dauerhafte MRD-Negativität ; das bedeutet, dass kein Krankheitsrest messbar ist. Und: Manche Betroffene leben heute zehn Jahre und länger ohne Krankheitsrückfall. Die Forschung zumindest arbeitet an so genannten heilungsnahen Strategien – z. B. durch den frühen Einsatz von CAR-T-Zelltherapien.
Der Artikel ist Teil unserer Serie „Wie Innovation Krankheiten besiegt“: https://pharma-fakten.de/schlagworte/schlagwort/wie-innovation-krankheit-besiegt/. Sie basiert auf dem Report „Der Wert medizinischer Innovationen“ von LAWG Deutschland e.V.: https://lawg-deu.de/studie-wert-von-innovationen-vintura/.
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